Größere Ambitionen und höhere Ziele der Staaten für mehr Klimaschutz stehen im Mittelpunkt des UN-Klimagipfels in Madrid, kurz COP 25 - das ist die Abkürzung für "Conference of the Parties", zu Deutsch Vertragsstaatenkonferenz. Da das Format dieses Jahr zum 25. Mal stattfindet, heißt die Konferenz in Madrid kurz COP25.
Zehn Tage lang, vom 2. bis zum 13. Dezember, beraten in der spanischen Hauptstadt Vertreter aus fast 200 Ländern, darunter Staats- und Regierungschefs, Wissenschaftler, Unterhändler und Aktivisten, über den Kampf gegen den Klimawandel und seine Folgen. Die Konferenz in Madrid soll, die Weichen stellen für das Schlüsseljahr 2020. Erst dann nämlich beginnt formal die Umsetzung des Pariser Abkommens von 2015.
Bislang gemachte Klimaschutz-Zusagen sind unzureichend
"Madrid ist der Startpunkt dafür, dass das Pariser Abkommen darauf getestet wird, ob es halten wird, was es verspricht", erläuterte Ulrike Kornek, Leiterin der Arbeitsgruppe 'Governance' am Berliner Mercator-Institut für Klimawandelforschung, im Dlf die Bedeutung des COP 25. Im Pariser Abkommen haben die Unterzeichnerstaaten vereinbart bis 2020, ihre nationalen Klimaschutz-Zusagen, die "Nationally Determined Contributions", kurz NDCs, zu überprüfen und nachzubessern. Das Einreichen überarbeiteter NDCs steht zwar erst kommendes Jahr an, Umwelt- und Entwicklungsorganisationen drängen aber, dass in Madrid zumindest einige Vorreiterstaaten mit der festen Zusage, ihre Klimaschutzziele anzuheben, eine positive Dynamik entfachen.
Hintergrund sind Warnungen der Vereinten Nationen und von Wissenschaftlern, dass mehr getan werden müsse, um die fortschreitende Erderwärmung einzudämmen und zu stoppen. Denn bislang reicht die Summe der nationalen Klimaschutzzusagen bei Weitem nicht aus, um die Erderwärmung wie im Pariser Abkommen festgelegt auf deutlich unter zwei Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Selbst wenn alle Unterzeichner ihre bisher gemachten Zusagen einhalten sollten, würde die Temperaturen nach Einschätzung von Klimaforschern bis zum Ende des 21. Jahrhunderts im Mittel um drei Grad ansteigen - mit unabsehbaren Folgen für Erde und Menschheit.
Krieg gegen die Natur stoppen
UN-Generalsekretär Antonio Guterres wies schon vorab auf die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Klimaschutz hin. Dieser sei derzeit noch "völlig unzureichend". Guterres warf insbesondere den großen Industrienationen Untätigkeit vor. Viele Jahrzehnte habe der Mensch Krieg gegen den Planeten geführt, nun schlage der zurück. Der "Krieg gegen die Natur" müsse gestoppt werden, denn die Zeit, in der das noch möglich sei, laufe bald ab. Laut Katia Simeonova von der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen seit das Jahr 2020 die "letzte große Chance", das Blatt zu wenden.
Ulrike Kornek vom Berliner Mercator-Institut für Klimawandelforschung sieht gut Chancen, dass es in Madrid gelingt, zu höheren Klimaschutzzielen zu kommen. Allerdings müssten die nationale Ziele der Länder vergleichbar gemacht werden, beispielsweise auf der Basis von CO2-Preisen, sagte Kornek im Dlf. Das wichtige werde jedoch sein, dass alle Staaten gemeinsam ihre Klimaziele anheben und diese anschließend zügig in nationale Gesetze und Mittel umgesetz würden, damit die Zusagen bis 2030 umgesetzt werden können.
Emissionshandel und Kompensationszahlungen
Ein weiteres wichtiges Gipfelthema sind die sogenannten Marktmechanismen wie etwa der internationale Handel mit Emissionsrechten. Vereinfacht ausgedrückt können Länder, die ihre Emissionsziele im Inland nicht erreichen, Verschmutzungszertifikate von Ländern kaufen, die weniger Treibhausgase ausstoßen. Zusätzlich haben Industriestaaten die Möglichkeit, ihren CO2-Ausstoß durch Investitionen in erneuerbare Energien in ärmeren Ländern zu kompensieren. Die Gespräche über diese Marktmechanismen sollten eigentlich schon im vergangenen Jahr beim Klimagipfel in Kattowitz abgeschlossen werden, doch eine Einigung war am Widerstand Brasiliens gescheitert.
Drittes großes Thema ist die finanzielle Unterstützung für jene Länder, die bereits von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Dabei sollen die Industrieländer als vornehmliche Verursacher der Erderwärmung in die Pflicht genommen werden und Kompensationszahlungen für Klima- und Unweltschäden wie Überschwemmungen und Dürren leisten. In Madrid soll es darum gehen, wie der 2013 für diese Verhandlungen geschaffene Warschau-Mechanismus (Warsaw International Mechanism, kurz WIM) verbessert werden kann.
Klimawandel auch in Deutschland bereits spürbar
Auch Deutschland ist bereits vom Klimawandel betroffen. Laut dem jüngsten Klimaberich von Bundesumweltministerium und Umweltbundesamt hat sich beispielsweise die mittlere Lufttemperatur in Deutschland von 1881 bis 2018 um 1,5 Grad erhöht. Allein in den vergangenen fünf Jahren verzeichneten die Experten einen Anstieg um 0,3 Grad. Das bedeutet zum Beispiel mehr "heiße Tage" über 30 Grad; 1951 waren es drei, inzwischen sind es rund zehn. Dadurch hat unter anderm auch die Zahl der Hitzetoten stark zugenommen.
Unterschiedliche Interessen
Die USA sind in Madrid nur mit einer niederrangigen Delegation vertreten, wie der Deutschlandfunk-Klimaexperte Georg Ehring aus der spanischen Hauptstadt berichtet. US-Präsident Donald Trump hat den Austritt seines Landes aus dem Pariser Abkommen eingeleitet, er wird im November nächsten Jahres wirksam. Damit bleibt bei künftigen Konferenzen ein wichtiger Player und potenzieller Geldgeber außen vor. Zugleich gibt es in US-Städten und -Bundesstaaten sowie in der Zivilgesellschaft eine große Bereitschaft, weiter am Kampf gegen den Klimawandel mitzuwirken.
Bislang ist kein anderes Land der US-Regierung gefolgt; allerdings gilt Brasilien als Wackelkandidat. Wie schon bei vergangenen Konferenzen könnten sich die Schwellenländer China und Indien als Vermittler profilieren. Japan und der Europäischen Union bescheinigen Experten ein großes Interesse, bei den Verhandlungen zu Erfolgen zu kommen. Allerdings erreicht auch Europa bislang seine selbst gesteckten Klimaziele nicht. Das gilt auch für die G20, die Gruppe der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, die für 80 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich ist.
Von Santiago de Chile nach Madrid verlegt
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) hat den aus seiner Sicht unverhältnismäßig großen Aufwand für die Klimakonferenz kritisiert, er reist deshalb nicht nach Madrid. Die meisten anderen Länder sind dagegen der Ansicht, dass solche Gipfel wichtig sind, um die Aufmerksamkeit auf das Thema zu lenken und über konkrete Schritte dagegen zu beraten.
Madrid hat den Klimagipfel innerhalb von nur vier Wochen vorbereitet. Ursprünglich sollte der COP 25 in Santiago de Chile stattfinden. Die dortige Regierung hat ihn wegen der Unruhen im Land jedoch abgesagt. Konferenzleiterin ist trotzdem Chiles Umweltministerin Carolina Schmidt.
Klimaaktivisten Greta Thunberg, die ursprünglich an der COP 25 in Santiago teilnehmen wollte, ist nach der kurzfristigen Änderung des Konferenzortes wieder mit einem Segelboot auf den Weg zurück nach Europa. Sie hoffe, Anfang Dezember in Lissabon zu sein, twitterte sie vor gut einer Woche.