Copa America
Die USA auf der Suche nach dem Retter

Der Kalender bescherte den Fußball-Verantwortlichen in den USA mit der EM in Deutschland und der Copa America im eigenen Land zwei Jahre vor der WM eine kritische Bestandsaufnahme. Konsequenz: Man setzte Trainer Gregg Berhalter vor die Tür.

Von Jürgen Kalwa |
Gregg Berhalter klatscht mit Christian Pulisic ab.
Gregg Berhalter (r.), hier mit Starspieler Christian Pulisic, ist nicht mehr Trainer der US-Fußball-Nationalmannschaft. (IMAGO / Sven Simon / IMAGO / Frank Hoermann / SVEN SIMON)
Es waren Tage mit Fußball satt. Tagsüber gab es – wegen des Zeitunterschieds zu Europa – die Übertragungen von der EM. Und jede Menge Einschätzungen von Kommentatoren im Studio wie der zweifachen Weltmeisterin Ariane Hingst vor dem Viertelfinale zwischen Spanien und Deutschland: Sie sei nicht nervös, sagte sie. “Egal was passiert, wir können stolz auf das Team sein.”
Abends dann die Spiele aus riesigen Football-Stadien verstreut über die gesamten USA. Live-Action von der Copa America, dem südamerikanischen Gegenstück zur EM, das in diesem Jahr erweitert um sieben Mannschaften aus Nord- und Mittelamerika in den Vereinigten Staaten ausgetragen wurde. Einstimmung auf die Mammut-WM von 2026 mit 48 Mannschaften. Die Stadien waren voll. Für zig tausende von Einwanderern aus Südamerika war das Turnier die ideale Gelegenheit, sich zu ihren Wurzeln zu bekennen.

Der Fußball war durchwachsen

Sie sahen viel durchwachsenen Fußball. Schwache Brasilianer. Knüppelharte Uruguayer. Begeisternde Venezuelaner. Aber auch erstaunliche Leistungen wie den 1:0-Erfolg von Kolumbien gegen Uruguay im Halbfinale. Zehn Mann verteidigten nach einer Roten Karte ihres besten Defensivspielers mit einem schier endlosen Vorrat an Energie und Einsatzwillen den Vorsprung.
Was das reichhaltige Menü der amerikanischen Sportöffentlichkeit bescherte? Auch eine Menge hervorragenden Fußball, allerdings hauptsächlich aus Europa. Darunter von Teams aus Ländern, die in den USA kaum jemand auf einer Landkarte finden würde. Wie Georgien, Slowenien oder die Slowakei. Das Niveau stellte deutlicher denn je das der amerikanischen Nationalmannschaft bloß.

Trainer Gregg Berhalter entlassen

Es galt einen Schuldigen zu finden. Weil der aktuelle Kader, angeführt von Kapitän Christian Pulisic und seinem Amtsvorgänger Tyler Adams, angeblich das Potenzial hat, Großes zu leisten, entließ man lieber flugs den Trainer, Gregg Berhalter. Und das nur ein Jahr, nachdem er, obwohl schon damals umstritten, für eine zweite Amtszeit verpflichtet worden war. Die Uhr tickt mit Blick auf die WM 2026. Die Suche nach einem Retter hat begonnen. Vor allem ein Name wird beharrlich ins Spiel gebracht: Jürgen Klopp. Und das, obwohl er abgewinkt hat. Er sehnt sich, so kommuniziert sein Umfeld, nach acht Jahren Stress in Liverpool nach einer Erholungspause.
Die Amerikaner brauchen dringend Prestige auf der Trainerbank, um das Publikum bei der Stange zu halten. Dem wird seit Jahren suggeriert, dass die USA das Zeug haben, das Unmögliche möglich zu machen. Angeheizt von Leuten wie Alexi Lalas, heute Fernsehkommentator, einst Mitglied der WM-Mannschaft, die 1994 unter ähnlichen Vorzeichen antrat: "Wir können es uns als Nation nicht leisten, das Potenzial einer Plattform wie 2026 zu verspielen. Wir müssen alles für den Erfolg tun. Das betrifft die Spieler. Und alle drumherum. Es gilt zusammen zu kommen und daran zu glauben."

Kolumbien seit 28 Spielen ungeschlagen

Etwas was Kolumbien, das zum letzten Mal 1994 bei der WM in den USA mit viel Vorschußlorbeeren auf den Platz ging, aber in der Vorrunde ausschied, zum ersten Mal seit langem wieder geschafft hat. Mit dem Sieg über Uruguay dehnte man die aktuelle Serie auf 28 Begegnungen ohne Niederlage aus. Die Mannschaft spielt energiegeladen, kreativ, und die Spieler wirken dabei äußerst kompatibel: “Sie sind sehr hungrig und sehr ehrgeizig”, sagte ihr Trainer neulich, der Argentinier Néstor Lorenzo, der seit zwei Jahren im Amt ist. Er soll die Schmach der verpassten Qualifikation für die WM 2022 in Katar tilgen und scheint auf dem besten Weg.
Der 56-Jährige hat nach Ansicht des in Miami lebenden Fernseh-Reporters Juan Arango, dessen Familie aus Kolumbien stammt und der neben dem nord- den südamerikanischen Fußball intensiv verfolgt, daran erhebliche Verdienste. Wenn auch von den Medien in den USA - und im Rest der Welt – bislang weitgehend ignoriert: "Sie wissen nicht genug über ihn. Dabei hat er sich in Peru sehr gut geschlagen. Und dann kommt er zurück nach Kolumbien und gibt die neue Richtung vor. Ist Kolumbien die interessanteste Mannschaft in diesem Turnier? Ich würde sagen, ja. So wie die argentinischen Medien. Die sagen, dass wir die beste Mannschaft sind."

Kommerzielle Seite in USA wichtiger als sportliche

Den richtigen Trainer für einen ambitionierten Verband zu finden, ist in den USA schon mehrfach kläglich gescheitert. Arango verfolgt die Misere seit Jahren. Und ist desillusioniert über den Webfehler im System. "Die kommerzielle Seite hat Priorität über die fußballerische Seite. Verantwortliche versprechen etwas und versuchen dann genau das dem Publikum zu verkaufen. Die Medien sind mitschuldig. So dass ständig versucht wird, etwas zu verkaufen, was die Realität ignoriert."
Wenigstens das mit dem Geldverdienen klappt. Mit der Ausrichtung der Copa America spielt der amerikanische Verband um die 25 Millionen Euro ein.