Im Wohnzimmer der Familie Aguiar in Rio de Janeiro läuft Fußball, wie immer, wenn Flamengo spielt – die Leidenschaft von Vater Marcello, Mutter Solange und den beiden Söhnen. Aber dieser Abend ist anders. Das Gruppenspiel der Copa Libertadores wird exklusiv von Facebook Watch übertragen. Die Familie hat vor dem Spiel fast eine Stunde gebraucht, um einen Laptop an den Großbildfernseher anzuschließen und das Spiel gegen San José aus Bolivien bei Facebook zu finden. Sohn Marcelinho nimmt die schlechte Bildqualität mit Humor.
Marcelinho: "Welcher Spieler ist das? (...) Ich weiß nicht, wer wer ist! Nicht zu erkennen!"
Der Student stellt die höchste Auflösung ein. Die Freude über das gute Bild hält aber nicht lange, denn die Übertragung hängt.
Marcelinho: "Ich denke, wir sollten mit den Handys aus dem WLAN rausgehen!"
Solange: "Das denke ich auch. Gute Idee, alle machen das WLAN aus."
Halbzeit. Der Puls von Vater Marcello ist weiter hoch. Aber zumindest läuft die Übertragung bis hierhin:
"Für das erste Mal ist die Qualität in Ordnung. Meine Frau und mein Sohn haben sich vorher gekümmert. Aber zahlreiche Freunde hier im Flamengo-Fan-Chat bei WhatsApp beschweren sich. Sie hatten erst ein Bild nach 15, 20 Minuten. Alles, was neu ist, ist erstmal schwierig, nicht wahr? Aber wenn das mit Facebook gut für die Clubs ist, dann finde ich das auch positiv."
"Sensationelle neue Welt der Medien"
Der Deal ist gut für den Club, bestätigt Flamengo-Marketing-Direktor Mauricio Portela dem Deutschlandfunk. Facebook hat sich bis 2022 die Übertragungsrechte für 46 Partien sichert – die Donnerstagsspiele können in Brasilien nur bei dem Online-Netzwerk geschaut werden. Mit der Vereinbarung verdoppelten sich die Einnahmen der Clubs bei den Libertadores, so Portela.
"Wir erleben eine sensationelle neue Welt der Medien. Das ist großartig, das mitzuerleben. Manchmal verstehen wir nicht, dass wir mittendrin sind in der Veränderung. Es revolutioniert den finanziellen Markt im Fußball und wer aufmerksam ist, wächst mit und wer nicht, wird kleiner."
Investitionen in Livestreams seit 2017
Seit 2017 investiert Facebook im Bereich Sport-Streams. Zuständig beim milliardenschweren US-Unternehmen für den Einkauf von Sportrechten ist Peter Hutton. Der erklärt die Strategie des Konzerns Ende Januar bei einem Sportbusiness-Kongress in Düsseldorf.
"Wie haben Experimente gemacht. Zum Beispiel haben wir die Champions League Rechte für Südamerika erworben, exklusive Rechte für die Copa Libertadores, Live-MLB-Baseball in den USA und halten Liverechte an der Spanischen Fußballliga, die wir in Indien anbieten."
Der indische Subkontinent ist für das Unternehmen extrem wichtig, so Hutton. In die Region überträgt Facebook exklusiv alle 380 Saisonspiele der spanischen Primera División.
Die spanische Liga wollte neue und jüngere Fans gewinnen. Facebook hatte die Reichweite und Mitgliederbasis.
"Wir haben zu "La Liga" und den spanischen Clubs gesagt: Wir wollen, dass Ihr die Spiele postet auf Euren Seiten. Das wird eine Community für Euch generieren, indem ihr unsere Tools benutzt."
Markttests oder Business-Strategien?
Facebook ist nicht allein mit seinen Sportrechte-Experimenten. Seit der laufenden Premier League Saison haben englische Amazon-Prime-Kunden Zugang zu 20 Spielen. Der Onlineversandhändler hält auch weltweit die Rechte an "Thursday Night Football" aus den USA und im Tennis an den US Open und der ATP World Tour. Auch der Kurznachrichtendienst Twitter hat erste Sportrechte erworben.
Manche Beobachter erwarten deutlich steigende Summen im Sportrechte-Kosmos, für das die Tech-Giganten Milliardenbudgets haben. Für die Copa Libertadores träumt Südamerikas Fußballboss Alejandro Dominguez schon vom nächsten Geldsegen nach Vertragsende 2022. Der Kontinentalverbands-Präsident sagte dem Deutschlandfunk:
"Schon im nächsten Jahr müssen wir über die neue Ausschreibung für die folgenden vier Jahre nachdenken. Um ganz ehrlich zu sein erwarte ich, dass der jetzige Mindestbetrag von 1,4 Milliarden Dollar überschritten wird."
Mindestbetrag bedeutet, beim Weiterverkauf der Rechte fließt noch deutlich mehr Geld. Skeptiker verweisen darauf, dass die Tech-Konzerne ihre Strategien auch schnell wieder änderten und die Rechteeinkäufe eher Markttests seien als ausgereifte Business-Strategien.
Rekordwert beim Stream
Über eine Million Zuschauer beim Stream Flamengo – San José verkündet der Kommentator aus der Facebook-Übertragung im Wohnzimmer von Familie Aguiar in Rio de Janeiro. Ein Rekordwert. Mutter Solange redet schon davon, ihren Pay-TV-Anbieter zu kündigen, der sonst für die Fußball-Übertragung zuständig ist.
Ende einer einseitigen Begegnung. Flamengo gewinnt 6:1. Gut gelaunt kann Marcello Aguiar auch verschmerzen, dass er das 4:1 wegen des eingefrorenen Streams nicht gesehen hat.
"Danke Facebook für die Erfahrung. Sie war gut. Nächstes Jahr gern wieder, aber jetzt freue ich mich nächste Woche auf das Spiel im Fernsehen!"
Den vollständigen Beitrag können Sie mindestens sechs Monate in unserer Mediathek nachhören.