Am neunten November um 9 Uhr morgens kommt das Feuer zu nah an Cornelia Funkes Avocadofarm, an ihre Enten und Esel. Die Autorin springt ins Auto und fährt los. Rechts der glitzernde Pazifik. Links die immer größer werdende Rauchwand. Im Rückspiegel Flammen. Cornelia Funke: "In meinem Auto waren zwei kleine Koffer mit Kleidern, meine Hunde, ein Koffer mit Fotoalben, ein Koffer mit Notizbüchern, meine Ölfarben und Pinsel und zwei riesige Koffer mit alten Büchern."
Stunden braucht sie im Stau raus aus Malibu für eine Strecke, die unter normalen Umständen 35 Minuten dauert. Plötzlich wird ihr klar: Alles, was sie zurückgelassen hat, ist wahrscheinlich weg. "Ich hab so um 7 Uhr abends gesagt: So, du hast jetzt noch das, was du in den Koffern hast. Fängst von vorne an."
Der Gärtner rettet ihr Haus vor den Flammen
Und das kurz vor ihrem 60. Geburtstag. Doch ihr Gärtner, den die Schriftstellerin "El Brujo" - den Zauberer - nennt, weil er Flora und Fauna so wunderbar zum Gedeihen bringt, bleibt mit seinen Männern. Erst wässern sie beständig. Als die Wasserleitung platzt, stoppen sie die Flammen mit Palmen und Ästen. Sie retten Cornelia Funkes Haus, ihre Schreibscheune, zwei Gästehäuser und die Tiere.
Zwei Wochen später ist Cornelia Funke zurück. Enten und Esel müssen gefüttert werden. Es gibt noch keinen Strom. Im Haus riecht es nach Rauch. Verkohlte Bäume drohen umzufallen. Leben kann sie hier noch nicht.
Nach einer kleinen Odyssee ist die Autorin in einem Mietshaus am Meer gelandet. Sie ist unendlich dankbar. Auch dafür, dass sie wieder einen Ort hat, an dem sie ihre Bücher ausbreiten und ihre Ideen entfalten kann. "Dadurch bin ich im Moment schon wieder tief in'Drachenreiter' am Schreiben, außerdem arbeite ich an einigen Fernsehprojekten, und das klingt alles gerade ganz aufregend. Aber mehr dazu wissen wir wahrscheinlich erst im Januar und Februar."
Arbeiten am Buch zum Film "Das Labyrinth des Fauns"
Auch mit ihrer neuen Stiftung "Saum des Himmels", benannt nach dem Sehnsuchtsort der Drachenreiter-Welt, soll es wie geplant weitergehen mit Projekten, die Kunst und Natur verbinden. Junge Künstler aus Mexiko, Argentinien und Deutschland sind im nächsten Jahr bei ihr zu Gast. Cornelia Funke: "Alle wollen kommen mit einer Schaufel in der Hand und beim Aufbauen helfen und den Phoenix aus der Asche feiern."
Und dann sind da noch die letzten Entscheidungen für das Buchprojekt mit Regisseur Guillermo del Toro. Der Oscar-Preisträger bat die deutsche Autorin vor ein paar Jahren, das Buch zu seinem Film "Das Labyrinth des Fauns" zu schreiben. "Da musste ich mich erstmal setzen. Das erinnere ich noch genau."
Der Film ist seit Jahren Funkes Lieblingsfilm. Ein Poster davon hängt in ihrem Schreibhaus, aber ein Buch dazu existiert noch nicht. "Dass ich plötzlich gebeten werde da für mich unvergessliche, magische Bilder in Worte zu verwandeln, klang nach einer absolut unlösbaren, unmöglichen Aufgabe. Aber zu der kann man natürlich nicht nein sagen."
Es ist ihr erstes langes Werk auf Englisch und wird für den deutschsprachigen Raum übersetzt. Del Toro gab Funke alle Freiheiten und forderte sie auf, doch bitte zu spielen. Schreiben ohne Grenzen. "Da hab ich gesagt: 'Na gut, dann schreib' ich zehn Kurzgeschichten, die kommen zusätzlich dazu.' Er mochte sie sofort. Als ich ihm die erste geschickt habe, hat er geschrieben: 'fly on with silver wings'. Da wusste ich: alles wunderbar. Bei der Gestaltung, Umschlag und so sagen wir gemeinsam ja und nein. Ansonsten aber geht das jetzt in Druck."
Eine intensive Zeit für die Schriftstellerin
Es ist eine intensive Zeit im Leben der Schriftstellerin, die sie auch an den Tod ihres Mannes vor zwölf Jahren erinnert. Nicht nur, weil ihr Mietshaus in der Straße liegt, in der sie 2005 wohnten, als sie gemeinsam nach Kalifornien kamen. Auch, weil es wieder schlechte Zeiten sind, sagt sie, die manchmal gleichzeitig gute Zeiten sind. "Sehr intensive Zeiten, unvergessliche Zeiten. Die einem fast das Gefühl geben, man hat dem eigenen Leben gerade ein paar Jahre hinzugefügt, weil sie ja so gewichtig sind und so bedeutsam."
Aktuell schaut sie sich nach einem Haus in England um, in dem sie ihre Notizbücher, Fanpost, Fotoalben und alte Bücher ohne Angst vor Bränden unterbringen und auch ein paar Monate im Jahr leben kann, wenn es in Kalifornien zu heiß wird. Ihren 60. Geburtstag feiert sie mit ihren erwachsenen Kindern und Freunden aus den USA und Europa - keine große Party, vielmehr ein langes Fest der Freundschaft. "Ich wäre sehr, sehr sehr undankbar, wenn ich im Moment nicht wirklich glücklich wäre."