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Corona-Apps
Europaweite Standards geplant

Eine eigene Tracking-App plant die EU-Kommission im Kampf gegen die Corona-Pandemie nicht. Aber sie will gemeinsame Standards für die Mitgliedsstaaten festlegen - gerade im Datenschutz und in Kompatibilität zwischen den nationalen Apps. Derweilen Apple und Google arbeiten an eigenen Ansätzen.

Von Paul Vorreiter |
Eine Frau mit Mund-Nasen-Maske blickt auf ihr Smartphone.
Auch die Bundesregierung setzt große Hoffnungen in eine App zur Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
Tracking-Apps sollen helfen, Infektionsketten nachzuvollziehen und User davor warnen, wenn sie mit Infizierten in Kontakt getreten sein könnten. Die Apps sollen dadurch auch helfen, die Corona-Pandemie zu bekämpfen und dafür sorgen, dass die Beschränkungen des öffentlichen Lebens schneller wieder zurückgenommen werden.
Die EU-Kommission hat den Einsatz solcher Apps deshalb auch in ihren Exit-Fahrplan aufgenommen, der Kriterien festlegt, wie die Ausgangsbeschränkungen nach und nach gelockert werden können. Außerdem hat sie einen Werkzeugkasten veröffentlicht, der gemeinsame Standards der Mitgliedsländer im Umgang mit solchen Apps formuliert:
"Das Entscheidende ist, dass diese Apps schnell auf dem Markt sind und zur Verfügung stehen und sie auch die Regeln einhalten, auf die man sich geeinigt hat, dass sie ebenso so wenig wie möglich in die Privatsphäre eingreifen, Datenschutz, Freiwilligkeit an oberster Stelle stehen und auch der Nutzer einwilligen muss, zu allen möglichen Features, die da drin sind und die den Datenschutz betreffen", sagt Johannes Bahrke, Sprecher der EU-Kommission.
Ein Jugendlicher steht mit Mundschutzmaske auf einem S-Bahnsteig in Berlin und blickt auf sein Handy.
Wie Handy-Tracking funktioniert
Tracking-Apps könnten dabei helfen, die Verbreitung des Coronavirus zu verhindert. Wie funktioniert das Tracking von Infizierten und deren Kontaktpersonen per App und wie sicher sind dabei die Daten der Nutzer?
Länder sollen EU berichten
Ebenso sollen die Apps länderübergreifend funktionieren. Eine eigene EU-App fasst die Kommission nicht ins Auge. Der Werkzeugkasten setzt einen geordneten Prozess bei der Entwicklung dieser Apps in Gang. Die Kommission will kontinuierlich überprüfen, was die Länder unternehmen.
Symbolfoto zur neuen Datenspende-App des Robert Koch Instituts: Ein Tablet und ein Smartphone mit der geöffneten App auf dem Bildschirm liegen nebeneinander.
Kritik an neuer Datenspende-App des RKI
Mit einer Datenspende-App will das RKI besser herausfinden, wie viele Menschen mit dem Coronavirus infiziert sind. Kritiker bemängeln jedoch unter anderem die mangelnde Anonymisierung der Daten.
Gesundheitsbehörden sollen Ende des Monats einschätzen, wie effektiv der Einsatz solcher Apps ist. Im Mai sollen die Mitgliedsländer über den Stand der Entwicklung an die Kommission berichten, die Kommission will danach weitere Empfehlungen geben. Zwar wird der Werkzeugkasten ständig erweitert, doch auf die festgelegten Standards könne man sich verlassen, erklärt Johannes Bahrke:
"Der Werkzeugkasten ist etwas, auf den sich die Mitgliedstaaten untereinander geeinigt haben. Sie können davon ausgehen, dass wenn sie sich darauf geeinigt haben, dass sie das auch einhalten möchten, zuständig für die Einhaltung gerade bei Datenschutzfragen sind die nationalen Gesundheitsbehörden oder Datenschutzbehörden, also wenn da Zweifel in einem bestimmten Staat bestehen sollten, muss man sich dahin wenden."
Kritik aus dem EU-Parlament
Zweifel, die gibt es bereits im Europaparlament. Der Einsatz dieser Apps findet auch Erwähnung in der Resolution zu den europäischen Covid-19-Maßnahmen, über die heute final im Parlament abgestimmt wird. Die liberale "Renew"-Fraktion fordert darüberhinausgehend eine Debatte zu dem Thema im Parlament:
"Ganz wichtig ist, dass wir die richtigen Standards dafür haben, Bürgerrechte und Datenschutz sicherstellen und dafür kann auch ein europäischer Standard wichtig sein, damit der eben gewisse Sachen vorgibt", sagt der FDP-Abgeordnete Moritz Körner.
Gewisse Sachen, das könnten sein, Interoperabilität zwischen den Betreibern, eine dezentrale Speicherung oder der Einsatz von Open-Source-Technologie, die es Entwicklern ermöglicht, zu überprüfen, ob die Apps nur die tatsächlich notwendigen Daten speichern.
Die Freiwilige Corona-App "app.coronapp.eu" auf einem Handy-Display mit der Robert Koch Institut Website im Hintergrund.
Tracking-Technologien - "Was wir tun, reicht weit über die Coronakrise"
Der Literaturwissenschaftler Felix Maschewski sieht Deutschland in puncto Tracking-Technologien an einem Scheideweg.
Der CDU-Europaabgeordnete Peter Liese warnt davor, in der Debatte um die Apps zu viele Bedenken anzumelden. Er geht davon aus, "dass es viele unbegründete Ängste gibt, weil man davon ausgeht, dass es vorgeschrieben wird, dass es wie in Südkorea mit Bewegungsdaten funktioniert.
Gespräche mit Google und Apple
Diese Probleme sind alle gelöst und wir brauchen jetzt eine große Beteiligung der Bevölkerung und wenn so eine kritische Formulierung im Europaparlament dazu führt, dass das auch national aufgegriffen wird und der eine oder andere sagt, nein, das ist noch zu früh und wir müssen das erst noch hundert Mal prüfen, dann kann dadurch Schaden entstehen."
Und doch kann das Europaparlament den Nutzern die Entscheidung zu einer solchen App letztlich auch nicht abnehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass es schon jetzt eine Vielzahl an solchen App-Projekten gibt. Unter Anderem arbeiten die beiden US-Technologiegiganten Apple und Google daran, interoperable Schnittstellen für Apps von Gesundheitsbehörden zu entwickeln. In einem Gespräch mit Google diese Woche soll EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton dabei an die Einhaltung von Privatsphäre und Sicherheitsstandards erinnert haben.
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