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Corona bei den Olympischen Spielen
"Psychologisch eine hochgefährliche Situation"

Der deutsche Radrennfahrer Simon Geschke hat sich mit Corona infiziert und ist seitdem in Tokio in einem Quarantäne-Hotel. Seinen Wettbewerb hat er verpasst und das muss verarbeitet werden. Andere Sportler müssen mit der Sorge umgehen, positiv getestet zu werden. Sportpsychologen erklären, worauf es dabei ankommt.

Von Jessica Sturmberg |
    Bei den Olympischen Spielen 2020 in Tokio: Nach jedem Kampf wird der Ring wegen Corona von Fachkraeften Fachkräften gründlich gereinigt.
    Regelmäßiges Desinfizieren während eines Wettbewerbs: In Tokio ist Corona allgegenwärtig. (IMAGO / Sven Simon)
    Athletinnen und Athleten, die in Tokio Corona-positiv getestet werden, müssen für zehn Tage in ein Quarantäne-Hotel. Den deutschen Radprofi Simon Geschke hat es schon erwischt: Trotz Impfung hat er sich infiziert – er vermutet, dass das am Flughafen in Paris passiert ist, als er von der Tour de France weiter zu den Olympischen Spielen gereist ist.
    Alle Olympioniken müssen sich regelmäßig testen. Der erste Corona-Fall im deutschen Team macht auch andere nachdenklich, zum Beispiel Beachvolleyballerin Karla Borger:
    "Da wird es einem schon mulmig, wenn ich morgens meine Spucke abgebe: 'Oh Gott, was ist, wenn es mich einmal trifft?'"

    Im Quarantäne-Hotel statt beim Wettbewerb

    Geschke ist nun alleine im Quarantäne-Hotel und konnte dort nur im Fernsehen den Wettbewerb verfolgen, an dem er selbst nicht teilnehmen durfte. Eine riesige Herausforderung, sagt Sportpsychologe Moritz Anderten von der Sporthochschule Köln im Players-Podcast:
    "Der absolute Super-Gau, der überhaupt nur passieren kann. Sportpsychologisch betrachtet bricht da natürlich eine Welt zusammen."
    Players - Podcast zu Olympia
    Players - Der Sportpodcast (Deutschlandradio)
    Simon Geschke kam direkt von der Tour de France, dem größten Radsportereignis der Welt. Vielleicht lässt sich so erkälren, warum er dennoch bislang einen stabilen Eindruck gemacht hat: Die Olympischen Spiele waren nicht der einzige Höhepunkt in diesem Jahr für ihn. Eine Quarantäne während der Spiele müsse dennoch von jedem Athleten und jeder Athletin verarbeitet werden, so Sportpsychologe Anderten:
    "Da werden viele emotionale Phasen durchlebt von totaler Trauer über Fassungslosigkeit, Schockzustände, aber auch dann Wut, Aggressivität bis hin möglicherweise zum totalen emotionalen Einbruch. Bis hin zu depressiven Schüben kann eigentlich die ganze Bandbreite negativer Emotionen dabei sein. Eigentlich aus psychologischer Sicht eine hochgefährliche Situation."
    Psychologische Betreuung während der Quarantäne ist schwierig: Direkter Kontakt ist nur über Videotelefonie möglich. Ganz abgesehen davon, dass nicht viele Sportpsychologen in Tokio vor Ort sind, weil wegen Corona die Begleitteams reduziert wurden. Eine schwierige Situation für die betroffenen Sportlerinnen und Sportler, nachdem sie sich fünf Jahre auf diese Olympischen Spiele vorbereitet haben.

    Sportpsychologe: Corona-Unsicherheit annehmen

    Und was können die tun, die sich bislang nicht infiziert haben, aber jeden Morgen sorgenvoll ihren Corona-Test machen? Der Sportpsychologe Sebastian Brückner hat viele Jahre am Olympiastützpunkt Saarbrücken gearbeitet. Er rät:
    "Die Unsicherheit sich nicht verbieten zu wollen, sondern anzunehmen. Das Unwichtige auszublenden und sich letztlich auf den Wettkampf zu konzentrieren."
    Eine Haftung hat das IOC ausgeschlossen: Die Olympioniken mussten unterschreiben, die Corona-Risiken ganz auf sich zu nehmen.