Die Bundesländer halten an ihrem Plan fest, den Teil-Lockdown angesichts anhaltend hoher Corona-Infektionszahlen bis zum 20. Dezember zu verlängern. Die Ministerpräsidenten stimmten sich am Montagabend (23. November) in dieser Frage nochmals ab. Eine endgültige Entscheidung soll es bei den Beratungen von Bund und Ländern am Mittwoch, 25. November geben. Bei einer Verlängerung des Teil-Lockdowns bleiben Gastronomiebetriebe sowie Freizeit- und Kultureinrichtungen weiter geschlossen.
FDP-Generalsekretär Volker Wissing stört bei der Debatte vor allem die Forderung nach einer staatlichen, politischen Einheitsmeinung: "Es muss doch auch bei der Pandemiebekämpfung eine Debatte geben in einer lebendigen Demokratie". Mit Blick auf die Gastronomie warb der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister im Dlf für bundeseinheitliche Regeln.
Das vollständige Interview im Wortlaut:
Tobias Armbrüster: Herr Wissing, die Lockdown-Verlängerung soll also kommen. Sind Sie glücklich mit dieser Verabredung?
Volker Wissing: Zunächst einmal müssen wir diese Pandemie ernst nehmen und wir brauchen Maßnahmen, um ihr Herr zu werden. Darüber besteht Einigkeit. Über einzelne Maßnahmen muss jetzt noch verhandelt werden. Ich bin nicht mit allem glücklich; ich halte beispielsweise ein Komplettverbot für Feuerwerk an Silvester für absurd. Man kann in einer aufgeklärten Gesellschaft Menschen nicht vermitteln, dass man sich infizieren kann, wenn man ein Feuerwerk veranstaltet. Man kann für oder gegen Silvester-Feuerwerk sein aus anderen Gründen, aber das in Zusammenhang mit der Corona-Pandemie zu bringen, ist schon einigermaßen abwegig.
Wissing: Kein Grund für Feuerwerks-Verbot
Armbrüster: Auch wenn dadurch Krankenhäuser überlastet werden?
Wissing: Wir haben überhaupt keinen Grund zur Annahme, dass es notwendig ist, ein Feuerwerk zu verbieten an Silvester. Genauso halte ich es für überzogen, dass man an den Weihnachtsfeiertagen den Menschen vorschreibt, sich nur noch mit Personen aus einem Haushalt zu treffen. Engste Familien müssen eigenverantwortlich entscheiden können, in welchem Umfang sie Weihnachten feiern. Fünf Personen ist zu streng und nur ein Haushalt ist auch zu streng. Wir müssen es nicht übertreiben in Deutschland.
Armbrüster: Wenn so was dann morgen bei diesem Bund-Länder-Treffen beschlossen werden sollte, würden Sie dann als Wirtschaftsminister in Rheinland-Pfalz sagen, da machen wir nicht mit, das unterschreiben wir so nicht?
Wissing: Wir müssen, wenn wir Regierungsverantwortung tragen, immer auch bereit sein zu Kompromissen. Aber deswegen muss man auch gleichzeitig eine klare Meinung haben. Ich habe mich kritisch geäußert von Anfang an zur Schließung der Gastronomie, weil die Gastronomie Hygienekonzepte entwickelt hat, und die Hygienekonzepte haben ja funktioniert. Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dass wir nicht in einzelnen Ländern die Gastronomie öffnen und in anderen schließen. Wenn wir beispielsweise in Rheinland-Pfalz die Gastronomie öffnen und um uns herum in allen Bundesländern sie geschlossen bleibt, kommen die Menschen aus allen angrenzenden Bundesländern zu uns. Das wollen wir auch nicht.
Wir müssen bundeseinheitlich vorgehen und dazu muss jeder kompromissbereit sein. Aber natürlich gibt es auch Grenzen der Kompromissbereitschaft für die FDP. Wir werden nicht akzeptieren, dass die Schulen noch mal komplett geschlossen werden. Wir müssen das Recht auf Bildung durchsetzen. Es muss auch Abwägungsprozesse in der Pandemie geben.
"Schließung der Gastronomie zum November war nicht leicht begründbar"
Armbrüster: Ich will noch mal gerade bei der Gastronomie bleiben. Ich habe da Ihre Position noch nicht ganz verstanden. Sie haben immer gesagt, Sie sind dagegen, gegen diese flächendeckende Schließung. Aber Sie würden jetzt, um den Kompromiss zu unterstützen, da durchaus wieder mitmachen? Habe ich Sie da jetzt richtig verstanden?
Wissing: Die Schließung der Gastronomie zum November war nicht leicht begründbar. Wir hatten keine Annahme dafür, dass dort hohe Infektionsgeschehen vorhanden waren. Das RKI meldete niedrige Infektionsgeschehen aus dem Bereich der Gastronomie. Deswegen hatte ich früh gesagt, das ist ein verfassungsrechtlicher Ritt auf Messers Schneide, wenn man keine Anhaltspunkte hat, dass man sich in der Gastronomie anstecken kann, dass man dann die Gastronomie schließt.
Diese Position konnte sich damals nicht durchsetzen. Man hat geschlossen. Jetzt können nicht einzelne Bundesländer die Gastronomie öffnen. Wir brauchen ein gemeinsames Vorgehen. Ansonsten kommen die Bürgerinnen und Bürger aus den umliegenden Bundesländern, in denen die Gastronomie geschlossen bleibt, alle in das Land, das öffnet. Das macht keinen Sinn.
Armbrüster: Herr Wissing! Warum sagen Sie dann nicht als führender Politiker in Rheinland-Pfalz, Leute, das wollen wir zumindest im Dezember so nicht mehr haben, dieses flächendeckende Gastronomieverbot?
Wissing: Natürlich sage ich das. Wir sind ja in enger Abstimmung innerhalb der Landesregierung, sprechen natürlich auch mit meiner Ministerpräsidentin. Wir haben damals zum November 2020 den Kompromiss unter den Ländern gehabt zu sagen, die Gastronomie wird zugemacht. Ich habe gesagt, ich halte das für schwierig. Das ist für mich aber kein Grund, destruktiv zu sein in einer Landesregierung. Jetzt geht es um die Frage, wird das verlängert. Das muss verhandelt werden. Meine Position ist dazu klar. Ich bin auch der Meinung, wir sollten bei Weihnachten großzügiger sein. Auch das ist klar und meine Meinung wird dort auch berücksichtigt werden. Ob man sich am Ende darauf verständigen kann, weiß ich nicht, aber ich bin mir jedenfalls mit meiner Ministerpräsidentin hier in Rheinland-Pfalz einig darüber, dass wir auch großzügiger sein sollten, was das Weihnachtsfest angeht, und ich finde auch das komplette Böllerverbot überzogen. Ich finde, wir brauchen in Deutschland auch unterschiedliche Positionen, wenn es darum geht, um den richtigen Kurs zu ringen. Ich finde diese Forderung nach einer staatlichen politischen Einheitsmeinung zunehmend störend in Deutschland. Es muss doch auch bei der Pandemie-Bekämpfung eine Debatte geben in einer lebendigen Demokratie.
"Bei der Schule kann man differenziert vorgehen"
Armbrüster: Sie haben aber gerade selber auch gesagt, dass es natürlich schwierig ist, wenn das eine Bundesland dies tut und das andere das andere. Es kommt ja wohl darauf an, dass alle möglichst das gleiche machen.
Wissing: Man kann bestimmte Dinge nicht leicht unterschiedlich regeln. Ich habe das Beispiel Gastronomie genannt. Wir sind umgeben in Rheinland-Pfalz von den Ländern Saarland, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Wenn wir das einzige Land sind, das die Gastronomie öffnet, strömen die Menschen hierher. Das kann keiner wollen.
Bei der Schule beispielsweise kann man allerdings differenziert vorgehen. Die Bundesländer, die ein niedriges Infektionsgeschehen haben, müssen weniger strenge Maßnahmen, was die Schulen angeht, anordnen als andere Bundesländer. Es ist nicht zu erwarten, dass die Schüler aus umliegenden Bundesländern in unsere Schulen strömen.
Wir müssen schon den Verstand einschalten und dort, wo wir differenzieren können, müssen wir auch die Differenzierung vornehmen. Das gebietet auch die Verfassung, denn es muss ja immer verhältnismäßig sein, was wir anordnen. Es gibt Bereiche, da kann man sehr gut differenzieren; da sollte man es auch tun. Und es gibt andere Bereiche, da macht Differenzierung keinen Sinn, weil nur bundeseinheitliches Vorgehen vernünftig ist.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.