![Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charite Berlin, sitzt auf dem Podium bei der Bundespressekonferenz. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie der Charite Berlin, sitzt auf dem Podium bei der Bundespressekonferenz.](https://bilder.deutschlandfunk.de/FI/LE/_2/f3/FILE_2f3607dc29e52530193e6a3ba26609c9/imago97700263h-jpg-100-1280x720.jpg)
Ob Hochkultur oder Kirche, Club oder Kneipe, Bundesliga oder Bordell -für jedes gesellige Freizeitvergnügen gilt nun erst einmal: Schluss, aus, vorbei! Den Menschen, diesen Kuschelwesen, wird jetzt höchst artfremdes Social Distancing abverlangt.
Insofern kein Wunder, dass sich die kasteite Lust am prallen Leben teils in anrüchigen Corona-Partys entlädt: Abfeiern, bis die Polizei kommt! Hätte das Virus Hände, es würde dazu Beifall klatschen. Aber Corona-Partys sind nicht jedermanns Sache, klar. Die meisten Leute wollen ihr Leben lieber retten als riskieren und lassen für trockene Viren-Infos jede feuchtfröhliche Sause sausen. Was Konsequenzen nach sich zieht, die Robert Koch, dem Virus-Jäger aus Kaisers Zeiten, gefallen hätten.
Denn ein Virologe wie Christian Drosten ist heutzutage beileibe kein nerdiger Reagenzglas-No-Name, sondern ein medialer Superstar. Und vielleicht ist sogar noch Luft nach oben. Auf Twitter jedenfalls fragt sich die Fan-Gemeinde: "Kann Christian Drosten Kanzler?" Und das nicht erst, seit Friedrich Merz, der selbst gern Kanzler würde, positiv getestet wurde.
Auch für Corona-Podcasts gelten Regeln der Marktwirtschaft
Zu besseren Zeiten hätte man wohl gesagt: Die Expertise des smarten Drosten verbreitet sich so unwiderstehlich wie ein Virus - nicht zuletzt dank Drostens Corona-Podcast im NDR: Tag für Tag fast 30 Minuten Info-Stoff der Premium-Klasse - wissenschaftlich solide, verständlich für Kreti und Pleti, angenehm im Ton.
Da ist der besorgte Bürger natürlich schnell angefixt. Und umso schneller, wenn er - in seiner Wohnung kaserniert - die Zeit mit Medien totschlagen muss, die vom Virus infizierter sind als er es selbst ist.
Indessen unterliegt auch Corona-Knowhow den Regeln der Marktwirtschaft: Konkurrenz belebt das Geschäft, und andere Koryphäen haben ebenfalls das Zeug zum Viren-Papst. Darunter Alexander Kekulé, der sich seit dieser Woche über den MDR-Podcast "Kekulés Corona-Kompass" verbreitet - übrigens eine verzweifelte Alliteration. Denn ob Norden oder Süden, Osten oder Westen – das Virus ist überall, und die meisten Grenzen sind zu.
Stubenhocker brauchen keinen Kompass, lieber MDR! Schon eher einen Corona-Knigge. Egal. Wer den Kompass-Podcast einschaltet, merkt bald: Kekulé will seinen Kollegen Drosten nicht unbedingt als Regierungsberater ablösen, er gibt sich widerborstig. In der zweiten Podcast-Folge zum Beispiel leistet sich Kekulé ein Sakrileg: Er tritt dem Robert-Koch-Institut, dem Allerheiligsten der hiesigen Virologie, vors Schienenbein.
Das Institut hatte nämlich noch am 22. Januar verlautbart: Corona kommt mutmaßlich aus China nicht raus. Es war genau der Tag, so erläutert Kekulé, an dem die Johns-Hopkins-Uni in den USA ihren weltweiten Infektions-Zähler ins Netz stellte, der bis heute die Menschheit mit Daten füttert.
"Das virologische Quartett": Potenzial für Traumquoten
Und dann wäre da noch Hendrick Streeck, der Nachfolger von Drosten an der Uni Bonn. Vorgestern meinte Streeck im FAZ-Interview, was Sie so weder von Drosten noch von Kekulé gehört haben: dass es nämlich sein könne, "dass wir im Jahr 2020 [in Deutschland] zusammengerechnet nicht mehr Todesfälle haben werden als in jedem anderen Jahr."
Streeck sagte nicht: Nehmt das, Ihr Hysteriker! Aber seine Worte enthielten durchaus ein Quantum Trost. Ab zur nächsten Corona-Party also? Nein! Das wird Ihnen im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk niemand raten. Wir möchten ARD oder ZDF jedoch zu einer Sendung motivieren, in der unsere Top-Virologen ihre Differenzen austragen, nicht zuletzt, was Leben und Tod angeht.
Die Sendung könnte "Das virologische Quartett" heißen oder "Das Viren-Sextett" oder, wenn denn viel viel hilft: "Das Corona-Dekagon". Reine Experten-Diskurse, kein dilettantisches Gequassel - das wäre korrektes Fernsehen in Zeiten der Pandemie!
Sollten irgendwann 70 Prozent von uns infiziert sein, wie Angela Merkel weissagte, dürfte eine solche Virus-Sendung Einschalt-Quoten haben wie einst Fußball-Länderspiele.
Ob es die überhaupt je wieder geben wird, grübeln Sie? Tja, das soll am besten Bundeskanzler Christian Drosten entscheiden, sobald Corona am Impfstoff verreckt ist.