Corona-Impfstoff von Biontech/Pfizer
Noch viele offene Fragen

Das Zwischenergebnis der Impfstoff-Studie von Biontech und Pfizer klinge "fantastisch", sagte der Virologe Herbert Pfister im Dlf. Es gebe aber noch einige offen Fragen. Das gilt auch für mögliche Impfszenarien, wie der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung Andreas Westerfellhaus betonte.

    Symbolbild Corona-Impfstoff - Biontech und Pfizer geben erste Zwischenanalyse ihres COVID-19-Impfstoffkandidaten in laufender Phase-3-Studie bekannt
    Das deutsche Unternehmen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer haben vielversprechende Zwischenergebnisse zur Phase-3-Studie ihres COVID-19-Impfstoffkandidaten vorgestellt (imago/Sven Simon)
    Als erste westliche Hersteller haben das Mainzer Unternehmen Biontech und der US-Pharmakonzern Pfizer am Montag (09.11.20) vielversprechende Ergebnisse einer für die Zulassung entscheidenden Corna-Impfstoffstudie veröffentlicht. Demnach bietet ihr Impfstoff einen mehr als 90-prozentigen Schutz vor einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus. Schwere Nebenwirkungen seien bislang nicht registriert worden, hieß es.
    Interaktive Karte mit COVID-19-Statistiken vom Zentrum für Systemwissenschaft und Systemtechnik der Johns Hopkins University in Baltimore
    Coronavirus - Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
    Wie viele gemeldete Coronavirusfälle gibt es in Deutschland? Verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus, wie entwickeln sich die Fallzahlen international? Wie die Zahlen zu bewerten sind – ein Überblick.
    Der deutsche Virologe Herbert Pfister mahnte im Gespräch mit dem Dlf allerdings zur Vorsicht. Zunächst handele es sich bei dem Ergebnis um eine Information des Impstoffentwicklers und seines Pharmapartners Pfizer, betonte Pfister. 90-prozentiger Impfschutz sei zwar ein "fantastischer Wert", zumal bei Atemwegsviren kein 100-prozentiger Schutz zu erwarten sei.
    Illustration eines Impfstoffs gegen Covid-19, der von Pfizer und dem Mainzer Unternehmen Biontech entwickelt wird.
    Virologe Pfister: Ergebnisse müssen sich noch erhärten Noch hätte niemand die Daten der Studie von Biontech und Pfizer gesehen, sagte der Virologe Herbert Pfister im Dlf. Zudem müsse sich zeigen, ob die Impfung alle Altersgruppen und auch Riskiogruppen schütze.
    "Aber man muss auch klar sagen: Diese Studie ist noch nicht abgeschlossen", so der Virologe. Noch niemand habe die Daten von Biontech und Pfizer gesehen. Zudem müssten sich die Ergebnisse erhärten in den verschiedenen Altersstufen und auch bei Risikogruppen. Letztere würden in entscheidenden Phase-III-Studien normalerweise nicht einbezogen werden. Auch Nebenwirkungen würden sich oft erst über einen längeren Beobachtungszeitraum zeigen.
    Phase-III-Studie von Biontech läuft seit Ende Juli
    Biontech hatte den Impfstoff BNT162b2 im Projekt "Lightspeed" (zu Deutsch "Lichtgeschwindigkeit") seit Mitte Januar entwickelt. Die für eine Zulassung entscheidende Phase-III-Studie begann Ende Juli in verschiedenen Ländern. Bis Montag (09.11.20) haben mehr als 43.500 Menschen mindestens eine der beiden Impfungen bekommen, die im Abstand von drei Wochen verabreicht werden. Ein Impfschutz wird nach Angaben der Hersteller eine Woche nach der zweiten Impfdosis und 28 Tage nach der ersten Injektion erreicht.
    Ein Patient erhält in den USA eine Injektion eines COVID-19- Impfstoffes
    Gesundheit und Gewinne - Das Rennen um den Corona-Impfstoff
    Mehr als 200 Firmen forschen weltweit an einem Impfstoff – und dabei geht es auch um viel Geld. Die Fortschritte bei der Entwicklung einer Impfung haben längst auch eine geopolitische Dimension erreicht.
    In der Studie wurden demnach bislang 94 COVID-19-Fälle bestätigt - die weitaus meisten davon bei der Kontrollgruppe, die das Placebo-Präparat erhalten hatte. Die Ergebnisse werden nach Angaben von Biontech und Pfizer erst dann abschließend ausgewertet, wenn insgesamt 164 Fälle erreicht sind. Zudem werde geprüft, in welchem Maß die Impfung nicht nur vor COVID-19 schützt, sondern auch vor schweren Verläufen der Krankheit. Insgesamt sollen sowohl die Schutzwirkung als auch etwaige Nebenwirkungen über einen Zeitraum von zwei Jahren beobachtet werden.
    Antrag auf US-Notfallzulassung noch im November
    Auch wenn eine finale Auswertung noch aussteht, wollen Biontech und Pfizer voraussichtlich in der kommenden Woche eine Notfallzulassung bei der US-Arzneimittelbehörde FDA beantragen. Dann wäre der letzten 'Sicherheitsmeilenstein' erreicht. Nach den aktuellen Richtlinien der FDA müssen Hersteller in der dritten und letzten Testphase eines neuen Impfstoffs eine Nachbeobachtungszeit von mindestens zwei Monaten nach der zweiten Impfdosis einhalten.
    Eine Mitarbeiterin von Biontech steht im Labor des Unternehmens. 
    Was hinter Biontech steckt
    Das Paul-Ehrlich-Institut hat dem Biontech grünes Licht gegeben, einen Impfstoffkandidaten gegen das neue Coronavirus zu testen. Wer steckt hinter dem Mainzer Unternehmen, wie funktioniert der Impfstofftest?
    Auch in der EU gilt wegen der besonderen Dringlichkeit ein beschleunigter Zulassungsprozess für Covid-19-Impfstoffe. Bei der Europäischen Arzeinmittel-Agentur EMA können Arzneimittelhersteller schon vor dem kompletten Zulassungsantrag einzelne Teile zu Qualität, Unbedenklichkeit und Wirksamkeit eines Präparats einreichen. Ein solches Rolling-Review-Verfahren hat neben Biontech auch das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca für seinen Impfstoff-Kandidaten gestartet. Astrazeneca hat bisher keine Phase-3-Daten veröffentlicht.
    Zulassung in Europa wohl frühestens Anfang 2021
    Eine Zulassung des Impfstoffs von Biontech und Pfizer in Europa sei dennoch frühestens "Anfang kommenden Jahres" realistisch, hieß es aus EU-Kreisen. Die EMA habe bereits zwei Datensätze von Biontech/Pfizer übermittelt bekommen und sei bei deren Analyse, sagte eine EMA-Sprecherin. Die klinischen Daten, auf die sich die Ankündigung der beiden Unternehmen beziehe, habe die EMA aber bisher "weder erhalten noch bewertet und kann daher dazu keine weiteren Kommentare abgeben".
    Neuartiger RNA-Impfstoff

    Das Biontech-Präparat ist ein sogenannter RNA-Impfstoff, der auf einem bislang völlig neuen Mechanismus basiert. Er enthält genetische Informationen des Erregers, aus denen der Körper ein Viruseiweiß herstellt - in diesem Fall das Oberflächenprotein, mit dessen Hilfe das Virus in Zellen eindringt. Ziel der Impfung ist es, den Körper zur Bildung von Antikörpern gegen dieses Protein anzuregen, um die Viren abzufangen, bevor sie in die Zellen eindringen und sich vermehren.

    Ein Vorteil von RNA-Impfstoffen ist, dass sie wesentlich schneller als konventionelle Impfstoffe produziert werden können. Biontech und Pfizer rechnen damit, noch in diesem Jahr weltweit bis zu 50 Millionen Impfstoff-Dosen bereitzustellen, im kommenden Jahr kalkulieren sie mit bis zu 1,3 Milliarden Dosen. Die vorhandenen Dosen sollten "fair" verteilt werden. Es werde nicht "ein Land alles erhalten", hieß es von Biontech.
    COVID-19 - Wettlauf um den Corona-Impfstoff
    Im Wettlauf um die Entwicklung eines Corona-Impfstoffs haben das deutsche Unternehmen Biontech und sein Partner, der US-Pharmakonzern Pfizer, ein vielversprechendes Zwischenergebnis gemeldet. Auch andere Projekte sind schon sehr weit. Ein Überblick über den Stand der Forschung.
    Die Gespräche über die Lieferung eines Corona-Impfstoffs zwischen EU-Kommission und den Pharmafirmen Biontech und Pfizer sind dagegen schon abgeschlossen. Ein fester Vertrag solle "in den kommenden Tagen unterzeichnet" werden, sagte EU-Gesundheitskommissarin Stella Kyriakides (Stand: 10.11.20). In einem Vorvertrag mit den beiden Unternehmen hat sich die EU-Kommission 200 Millionen Dosen gesichert. Für weitere 100 Millionen gibt es eine Option. Er gehe davon aus, dass Deutschland "bis zu 100 Millionen" Dosen erhalten werde, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Er wolle erreichen, dass ein Impfstoff eines deutschen Unternehmens "nicht zuerst in anderen Ländern zur Verfügung steht".
    Positionspapier für Impf-Reihenfolge
    Dennoch wird damit gerechnet, dass in den ersten Wochen und eventuell auch Monaten nach einer Zulassung noch nicht ausreichend Impfstoff zur Verfügung stehen wird. Auf Bitten von Gesundheitsminister Spahn hat daher die Ständige Impfkommission (Stiko) gemeinsam mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Wissenschaftsakademie Leopoldina ein Positionspapier erarbeitet. Die Wissenschaftler raten, vorab Regeln gesetzlich klar zu fixieren. Die Impfdosen müssten in der ersten Phase so eingesetzt werden, dass der "größte Nutzen" für die Gesellschaft insgesamt dabei entstehe, sagte der Vorsitzende der Impfkommission, Thomas Mertens.
    Coronavirus
    Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
    Laut Positionspapier sollten zunächst vorrangig Menschen geimpft werden, die wegen ihres Alters und wegen Vorerkrankungen ein stark erhöhtes Risiko für schwere Krankheitsverläufe haben. An zweiter Stelle kommen Beschäftigte im Gesundheitsbereich, die aus beruflichen Gründen einem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt sind. Außerdem sollen bevorzugt Menschen geimpft werden, die in staatlich und gesellschaftlich wichtigen Bereichen arbeiten wie Polizisten und Rettungskräfte, aber auch Lehrer und Erzieher.
    "Wir können nächstes Jahr nicht ganz Deutschland impfen"
    Zurück zur Normalität? Das sei trotz des Impfstoffs nicht schlagartig möglich. "Es wird eine stufenweise Wiedereingliederung in eine alte Normalität geben, je mehr wir impfen", sagte der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann.
    60 Impfzentren und mobile Impftrupps
    Es müsse wirklich sehr sorgfältig definiert werden, welche Gruppen mit Priorität geimpft werden sollten, betonte Andreas Westerfellhaus (CDU), Pflegebevollmächtigter der Bundesregierung im Dlf. "Und man muss die Menschen dabei mitnehmen." Die Impfungen dann gestreckt über viele Monate durchzuführen sei eine gewaltige Aufgabe, sagte Westerfellhaus, zumal der Impfstoff voraussichtlich bei Minus 80 Grad Celsius transportiert und aufbewahrt werden muss.
    Andreas Westerfellhaus am 15.03.2018 während der Eröffnung des Deutschen Pflegetages in Berlin. 
    Westerfellhaus (CDU): Impfung wird gewaltige Aufgabe
    80 Millionen Menschen zu impfen, werde eine logistische Herausforderung, sagte Pflegebevollmächtigte Andreas Westerfellhaus im Dlf. "Wir stehen ganz am Anfang in der Planungsphase."
    Um die Anforderungen zu bewältigen, plant die Bundesregierung den Aufbau von 60 Impfzentren. Für alte und pflegebedürftige Menschen sollen zudem mobile Impftrupps zum Einsatz kommen.
    Impfzentrum mit Blick aus dem VIP-Bereich in das Fortuna-Stadion und Hinweisschild "Oberarm freimachen" zur Vorbereitung der Patienten zur bevorstehenden Corona-Impfung
    Impfzentren: Wer wie und ab wann geimpft werden kann
    Sobald ein Impfstoff gegen das Coronavirus in Europa zugelassen ist, sollen die ersten zentralen Impfungen in Deutschland beginnen. Dazu werden bundesweit Impfzentren eingerichtet. Ein Überblick.