In mehreren Bundesländern beginnen ab dem 13. Dezember die Impfkampagnen für Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren. Als erstes Bundesland beginnt Nordrhein-Westfalen mit der Verimpfung des speziell für diese Gruppe der Minderjährigen dosierten Corona-Impfstoffs von Biontech/Pfizer. Andere Länder wie Bremen, Bayern und Berlin wollen im Laufe der Woche nachziehen. Die Bundesländer gehen unterschiedliche Wege, was die Organisation der Impfungen angeht.
Wie lautet die Empfehlung der Stiko?
Die Ständige Impfkommission (Stiko) hat am 9. Dezember eine Impfung von Kindern von fünf bis elf Jahren empfohlen, die Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf oder Kontaktpersonen mit hohem Risiko haben. Außerdem können Eltern nach individueller Aufklärung auch ihre gesunden Kinder impfen lassen. Es wird empfohlen, die Impfung mit zwei Impfstoffdosen des mRNA-Impfstoffs Comirnaty von Biontech/Pfizer im Abstand von drei bis sechs Wochen durchzuführen.
Ziel der Impfempfehlung sei es, „unter anderem schwere Covid-19-Verläufe und Todesfälle bei Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren zu verhindern“. Angesichts der derzeitigen Coronalage werde sich ein Großteil der Kinder in dieser Altersgruppe „mittelfristig“ anstecken, erklärte das Gremium.
Weil für Kinder ohne Vorerkrankungen in dieser Altersgruppe nur ein geringes Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung besteht, spricht die Stiko keine generelle Empfehlung für Kinder aus. "Hinzu kommt, dass das Risiko seltener Nebenwirkungen der Impfung auf Grund der eingeschränkten Datenlage derzeit nicht eingeschätzt werden kann", heißt es von der Stiko.
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Individuelles Risiko von Kindern
Bislang gibt es hinsichtlich Impfrisiken keine gravierenden Sicherheitsbedenken. In den USA und in Israel ist es wenige Tage nach der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff in seltenen Fällen bei Jungen zu einer Myokarditis gekommen. Das ist eine Entzündung des Herzmuskels, die sich mit Brustschmerzen, Herzklopfen, Herzrhythmusstörungen und/oder Herzversagen äußern kann. Die Entzündung lässt sich gut behandeln - wichtig ist, dass sie frühzeitig erkannt wird. "Es geht um wenige Hundert Fälle einer Erkrankung mit meist mildem Verlauf bei insgesamt mehr als fünf Millionen Geimpften", sagte der Kardiologe und Pharmakologe Thomas Meinertz der Deutschen Presse-Agentur.
Der Kinder- und Jugendarzt Martin Terhardt, Mitglied der Ständigen Impfkommission, rechnete diese Zahl auf Deutschland hoch: Würde man alle vier Millionen Menschen im entsprechenden Alter impfen, sei bundesweit von 164 Fällen von Myokarditis auszugehen,
sagte er am 21.08.2021 im Dlf
.
Im rbb-Radio riet der Mediziner Jakob Maske, Sprecher des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Eltern gesunder Kinder dennoch, die Stiko-Empfehlung für diese Gruppe abzuwarten. Dazu lägen noch nicht alle Daten vor. Die Anfangsdaten "sehen schon recht gut aus", sodass wenig Risiko zu erwarte sei. "Aber wir wollen nicht spekulieren, sondern wir wollen es wissen und dann den Eltern tatsächlich auch entgegen treten und sagen: 'Das ist eine sichere Impfung auch für eure Kinder'", sagte der Kinderarzt am 13.12.2021. "Wir wollen keine Angst vor der Impfung machen, aber wir wollen ganz genau wissen, dass wir den Kindern und Jugendlichen tatsächlich einen Impfstoff verabreichen, der für sie sicher ist und keinen weiteren Schaden anrichtet."
Die USA hätten kommuniziert, bei fünf Millionen geimpften Kindern sei kein einziger Fall einer Herzmuskelentzündung bis jetzt entdeckt worden, sagte Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, im Dlf. Sie riet dazu, eine Impfung des Kindes - unter Beachtung des Risikoprofils in der Familie - gemeinsam mit Kinderärztinnen und -ärzten zu besprechen. Es gehe ja oft auch darum, Familienangehörige zu schützen.
Dritte Impfung bietet den besten Schutz vor Ansteckung (14.12.2021)
Kinder und Long Covid
Zwar entwickelt die Mehrzahl der Kinder bei Covid-19 nur milde oder gar keine Symptome. Doch es gibt Hinweise aus mehreren Studien, dass auch Kinder lange mit den Spätfolgen zu kämpfen haben. Problematisch ist dabei aber die Bewertung der bislang vorliegenden Ergebnisse. Die Studien lassen sich schlecht vergleichen, wegen des unterschiedlichen Studiendesigns oder der nicht einheitlichen Betrachtung von Long Covid und Post Covid bei den Symptomen.
Differenziertere Erkenntnisse erhofft man sich von einer Studie der Forschungsgruppe des Universitätsklinikums Dresden.
Post-Covid-Studie der TU Dresden
Forscher in Dresden werteten die Krankenkassendaten von Kindern und Jugendlichen aus, die in der ersten Pandemiewelle an Covid-19 erkrankt waren. In einem zweiten Schritt wurden die Datensätze daraufhin untersucht, ob dieselben Kinder mindestens drei Monate später wegen typischer Long-Covid-Symptome in Behandlung waren, wie Müdigkeit oder Konzentrationsschwächen. Um mögliche andere Ursachen für diese Symptome auszublenden, wie etwa die Folgen des Lockdowns, verglich das Team aus Dresden die untersuchte Gruppe von Infizierten mit einer ähnlich zusammengesetzten Gruppe von Kindern und Jugendlichen, bei denen zuvor keine Infektion Covid-19 festgestellt worden war.
Forscher in Dresden werteten die Krankenkassendaten von Kindern und Jugendlichen aus, die in der ersten Pandemiewelle an Covid-19 erkrankt waren. In einem zweiten Schritt wurden die Datensätze daraufhin untersucht, ob dieselben Kinder mindestens drei Monate später wegen typischer Long-Covid-Symptome in Behandlung waren, wie Müdigkeit oder Konzentrationsschwächen. Um mögliche andere Ursachen für diese Symptome auszublenden, wie etwa die Folgen des Lockdowns, verglich das Team aus Dresden die untersuchte Gruppe von Infizierten mit einer ähnlich zusammengesetzten Gruppe von Kindern und Jugendlichen, bei denen zuvor keine Infektion Covid-19 festgestellt worden war.
Dabei zeigte sich, dass die jungen Covid-19-Patienten ein größeres Risiko für typische Long-Covid-Symptome aufwiesen. Bei ihnen traten diese Symptome um 30 Prozent häufiger auf als bei der Vergleichsgruppe. Besonders häufig bei den festgestellten Symptomen waren Unwohlsein und rasche Erschöpfung, Husten, Schmerzen im Hals- und Brustbereich sowie Angststörungen und Depressionen.
Spätfolgen von Covid-19 sind also auch bei Kindern und Jugendlichen zu beobachten, die festgestellten Raten der Betroffenen mit Long Covid sind allerdings deutlich niedriger als bei Erwachsenen.
Welche Vorerkrankungen können Kinder gefährden?
Gleich mehrere Krankheiten erhöhen das Risiko bei Kindern für schwere Verläufe oder sogar für Todesfälle. Die Stiko nennt hier zum Beispiel Lungenleiden, chronische Nierenprobleme, schwere Herzinsuffizienz, ein eingeschränktes Immunsystem, Tumore, Trisomie 21 oder sehr starkes Übergewicht.
Psychosoziale Folgen von Corona
Der Kinderarzt Jakob Maske argumentierte im Deutschlandfunk, dass man auch den Einfluss der Impfung auf soziale Kontakte einbeziehen sollte. Man habe gesehen, dass die Lockdown-Maßnahmen "sehr viel mehr Schäden bei den Kindern und Jugendlichen angerichtet haben als die Erkrankung selbst."
Warum impfen Israel und die USA Kinder über zwölf schon länger?
Verschiedene Länder stufen SARS-CoV-2 für Kinder als unterschiedlich gefährlich ein und wägen individuell ab, ob der Nutzen der Impfung überwiegt oder nicht. US-amerikanische Kinderärzte geben an, dass Kinder zwei Prozent der Krankenhauseinweisungen wegen Covid-19 ausmachen – Tendenz steigend, weil ältere Menschen zunehmend geimpft sind. In den USA leben im Vergleich zu Deutschland jedoch auch mehr Menschen mit afrikanischen oder lateinamerikanischen Wurzeln, deren Kinder häufiger Risikofaktoren aufweisen und entsprechend häufiger schwere Covid-19-Verläufe erleben.
Psychotherapeutin: "Die Kinder haben viel mitgemacht"
Die Centers for Disease Control and Prevention empfehlen deshalb die Impfung für alle Kinder im Alter von über zwölf Jahren mit einer Variante des Impfstoffes von Biontech/Pfizer. Dabei verweisen sie auf einen zweiten Aspekt, der auch in Israel eine Rolle spielt: Nur wenn wirklich breit geimpft werde, lasse sich die Pandemie stoppen. Israel hat eine jüngere Gesellschaft als Deutschland, deshalb spielen Kinder dort eine größere Rolle, wenn es um das Erreichen eines Gruppenschutzes gegen das Coronavirus geht.
Auch Kinderarzt und Stiko-Mitglied Martin Terhardt verweist darauf, dass es in den USA insgesamt eine viel höhere Krankheitslast und schwerere Verläufe bei Jüngeren gegeben habe. Daher sei dort die Risikoabwägung eine ganz andere gewesen als zunächst in Deutschland. Zwar habe sich auch hierzulande im Sommer eine prozentuale Zunahme jüngerer Menschen bei der Krankenhauseinweisung wegen Corona gezeigt. "Aber das Risiko von Jugendlichen, wenn sie sich infizieren, schwer zu erkranken, ist in Deutschland weiterhin gering", betonte Terhardt im Dlf.
Quellen: Volkart Wildermuth, Martin Winkelheide, Martin Mair, Arndt Reuning, Martin Terhardt, Christine Westerhaus