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Corona-Impfung und Schwangerschaft
Mediziner: Risiko einer schweren Erkrankung größer als Impfrisiko

Die Stiko empfiehlt derzeit keine generelle Corona-Impfung in der Schwangerschaft. Doch genau das würde sich der Geburtsmediziner Ekkehard Schleußner wünschen. Die Gefahr für Ungeborene läge nicht in der Impfung, sondern darin, dass deren Mütter schwer erkrankten, sagte der Jenaer Professor im Deutschlandfunk.

Ekkehard Schleußner im Gespräch mit Lennart Pyritz |
Eine Schwangere hält sich den Bauch; im Vordergrund sind zwei Hände zu sehen, die Impfstoff aus einer Dose in eine Spritze ziehen. (Symboldbild)
Geburtsmediziner Ekkehard Schleußner spricht sich für eine Covid-19-Impfung von Schwangeren aus – in erster Linie mit mRNA-Impfstoffen (IMAGO / photothek / Ute Grabowsky)
Anders als die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland, empfiehlt beispielsweise deren britisches Pendant – das Joint Committee on Vaccination and Immunisation –, Schwangeren die Covid-19-Impfung zur gleichen Zeit anzubieten wie Personen der gleichen Alters- und Risikogruppe. Auch die US-Gesundheitsbehörde CDC spricht sich inzwischen für die mRNA-Impfstoffe für Schwangere aus.
Eine Frau wartet im Impfzentrum in der Frankfurter Festhalle bei einem Sondertermin auf die Impfung mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft. In Frankfurt und weiteren Impfzentren in Hessen können sich Personen über 60 Jahre am Wochenende für Sondertermine mit dem Impfstoff von Astrazeneca anmelden.
Impfpriorisierung soll ab Juni aufgehoben werden
Die bisherige Priorisierung bei den Corona-Impfungen in Deutschland soll spätestens im Juni aufgehoben werden. Das ist das Ergebnis des Impfgipfels von Bund und Ländern. Die Meinungen dazu gehen auseinander.
Ekkehard Schleußner bezeichnete die Stiko als eine "sehr vorsichtige Einrichtung" und wünscht sich, dass die Beschränkungen auch hierzulande schneller aufgehoben werden.
In der vergangenen Woche seien insgesamt 1.905 schwangere Menschen an Covid-19 erkrankt, sagte Schleußner: "Und davon brauchte jede 25. eine intensivmedizinische Behandlung, und davon jede Fünfte eine Atemunterstützung."

Entwicklung der Neuinfektionen nach Altersgruppen

Die Mortalität sei wahrscheinlich deshalb deutlich erhöht, weil die hormonelle Umstellung in der Schwangerschaft eine stärkere Reaktion der Entzündungsmechanismen unterstütze, so der Mediziner.
Auf der Internetseite des Robert Koch-Instituts heißt es: Zur Anwendung der Covid-19-Impfstoffe in der Schwangerschaft gebe es aktuell keine Daten. Daher empfehle die Stiko die generelle Impfung in der Schwangerschaft derzeit nicht. Schwangeren mit Vorerkrankungen und einem daraus resultierenden hohen Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung könne jedoch in Einzelfällen nach einer Nutzen-Risiko-Abwägung und nach ausführlicher Aufklärung eine Impfung angeboten werden (Stand: 27.4.).

Möglicherweise Leihimmunität für Neugeborene

Vor allem unter dem Licht der jüngsten Erkenntnisse seien die aktuellen Impfeinschränkungen für Schwangere nicht zu halten. Es mangele auch nicht an Daten zur Thematik. Schleußner spricht von sieben bis acht existierenden Studien mit großen Teilnehmerzahlen.
"Und die zeigen ganz klar: Eine Covid-Impfung von Schwangeren führt nicht zu vermehrten schwangerschaftsspezifischen Komplikationen." Ebenso wenig verursache die Impfung ein erhöhtes Mortalitätsrisiko für Schwangere.
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Zudem sei nachgewiesen worden, so Schleußner, dass Antikörperbildung und die Impf-Immunisierung in gleicher Weise erfolgten wie bei Nicht-Schwangeren. Darüber hinaus gingen Antikörper über den Mutterkuchen auf das Kind über und könnten so für einen Nestschutz sorgen. Ekkehard Schleußner: "Das Neugeborene hat dann also eine Leih-Immunität und ist schon geschützt."
Tägliche Impfquote
Der Mediziner sieht die größere Gefahr für das Kind nicht in der Impfung, sondern "viel mehr darin, dass die Mutter schwer erkrankt, möglicherweise stirbt oder beatmet werden muss, und – wenn es denn überlebt – als Frühgeburt mit ungünstigen Umständen zur Welt kommt."
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