Das Mainzer Unternehmen Biontech und sein Partner, das US-Pharmaunternehmen Pfizer, haben eine erste Notfallzulassung für ihren Corona-Impfstoff erhalten und zwar in Großbritannien. Die Nachricht kommt überraschend, denn Biontech/Pfizer hatten zuvor nur bekannt gegeben, dass sie Anträge auf Marktzulassung ihres Impfstoffes in den USA und in der EU gestellt haben.
Wie lief die Zulassung in Großbritannien ab?
Der Antrag in Großbritannien wurde offenbar schon am 23. November gestellt, lief aber etwas unter dem Radar. Wohl auch, weil Großbritannien was die Medikamentenzulassung betrifft ja eigentlich noch zur EU gehört. Die neue britische Behörde für die Regulation von Medikamenten und medizinischen Produkten sollte erst im neuen Jahr die Arbeit aufnehmen. Mit einer Sonderregelung konnte sie aber schon früher loslegen. Sie hat nun diese Notfallzulassung empfohlen, die die Regierung auch gleich umgesetzt hat.
Ab Kalenderwoche 50 soll es losgehen, dann stünden 800.000 Dosen bereit, erklärte Gesundheitsminister Matt Hancock. Damit sollen voraussichtlich zuerst medizinisches Personal, sehr alte Menschen sowie Risikogruppen geimpft werden. Details werden noch bekanntgegeben.
Haben die Briten Abstriche bei der Sicherheit gemacht?
Wohl nicht. Auf einer Pressekonferenz heute sagten Vertreter von Biontech, dass die britischen Behörden ihnen die gleichen Fragen gestellt haben, wie die Behörden in der EU oder den USA. Die Behörden stehen auch in ständigem Austausch untereinander und vor allem: Die Prüfung der Daten läuft ja längst. Die Zulassungsbehörden waren von Anfang an im Gespräch mit den Unternehmen, haben gesagt: Diese Daten brauchen wir, um über Wirksamkeit und Sicherheit zu entscheiden. Und die Unternehmen haben die Studien dann entsprechend angelegt. Schon seit Oktober haben die Behörden erste Daten erhalten, das heißt, sie kennen den Großteil bereits und konnten schon vor den Zulassungsanträgen Analysen durchführen.
Mit den Anträgen von Biontech/Pfizer und Moderna kamen dann noch die Daten aus Endauswertung der Firmen dazu. Zu diesem Zeitpunkt lief aber der Bewertungsprozess schon und zwar in den USA, in der EU und in Großbritannien. Die Briten haben nun als erste gesagt, das reicht uns, wir erteilen eine Notfallzulassung.
Warum läuft es in der EU nicht genauso schnell?
Unterschiedliche Länder setzen unterschiedliche Prioritäten. In der EU soll alles sehr Transparent vor sich gehen, damit die Menschen der Impfung wirklich vertrauen. Das ist auch den USA wichtig. Dort wird das zuständige Komitee der Food and Drug Administration wohl sogar unter den Augen der Öffentlichkeit tagen, im Livestream am 10. Dezember. Soweit geht die EU nicht. Aber auch hier wird es am 11. Dezember eine öffentliche Anhörung zu den Fragen rund um die Impfung geben. Bei der können Patienten, Mediziner und andere sogenannte "Stakeholder", also Gruppen mit berechtigten Interessen, der European Medicine Agency (EMA / Europäische Arzneimittel Agentur) öffentlich vortragen, welche Aspekte für sie bei der Bewertung der Impfstoffe entscheidend sind. Das wird das zuständige Komitee dann bei seinen Beratungen berücksichtigen.
Ursprünglich, so berichtet die "Financial Times", wollte die EMA am 22. Dezember über den Biontech/Pfizer-Impfstoff entscheiden. Inzwischen heißt es in den Dokumenten, das dies spätestens am 29. Dezember geschehen wird. Der Impfstoff von Moderna steht dann spätestens am 12. Januar auf der Tagesordnung. Es wird dann voraussichtlich eine bedingte Zulassung erteilt, mit der die Impfungen beginnen können. Aber die Unternehmen müssen noch Daten zum Beispiel über die Langzeitwirkung oder zu bestimmten Gruppen nachliefern. Außerdem wird die Sicherheit der Impfungen aktiv überwacht, auch dazu wird es Studien geben.
Wenn die EMA den Biontech/Pfizer-Impfstoff für sicher und wirksam erklärt, wann starten dann die Impfungen?
Das ist erst einmal eine Empfehlung, die Zulassung selbst wird von der EU-Kommission ausgesprochen. Formal hat sie dafür 90 Tage Zeit. Aber es ist davon auszugehen, dass die Kommission dies sehr schnell, innerhalb von einem oder zwei Tage tun wird. Dann darf der Impfstoff in der EU verwendet werden. Biontech hat versprochen, dann direkt mit der Auslieferung zu beginnen. Die Produktion läuft längst, die hat das Unternehmen quasi auf Verdacht begonnen. Es gibt aber eine weitere Hürde: Bei Impfstoffen wird jede Charge, also jede große Produktionseinheit mit tausenden von Dosen, noch einmal separat freigegeben und zwar in Deutschland vom Paul-Ehrlich-Institut in Langen. Das dürfte auch ein oder zweit Tage dauern.
Parallel wird die Ständige Impfkommission entscheiden, wer zuerst geimpft wird. Die allgemeinen Kriterien sind ja schon mit dem Deutschen Ethikrat und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina vereinbart. Aber Details müssen noch geklärt werden. Das geht erst, wenn die Zulassungsdaten vorliegen. Wahrscheinlich werden zunächst Hochbetagte und Medizinisches Personal in COVID-19 Stationen und Rettungsstellen geimpft werden. Erst wenn hier Klarheit herrscht, können die Einladungen zur Impfung losgeschickt werden und die Impfzentren überall im Land und die mobilen Impfteams ihre Arbeit aufnehmen.
Ist dann überhaupt noch Impfstoff da?
Der Impfstoff ist ein knappes Gut. Biontech/Pfizer wollen in diesem Jahr 50 Millionen Dosen herstellen, auch in Deutschland. Auf der Pressekonferenz der Unternehmen wurde mehrfach betont, dass es ein faires Verteilungsfahren geben wird. Also Großbritannien erhält nicht sofort die bestellten 40 Millionen Dosen, weil es bereits eine Zulassung erteilt hat. Sondern die produzierten Dosen werden auch an die USA und die EU verteilt und im Übrigen auch an Japan, Kanada, Singapur und andre Länder. Wie viele Dosen für die EU reserviert sind, wollte das Unternehmen nicht sagen, bestellt sind 200 Millionen Dosen.
In 2021 will Biontech dann 1,3 Milliarden Impfdosen herstellen. Auch das wird nicht reichen. Allein Italien will mehr als 200 Millionen Dosen verimpfen. Das bedeutet, dass auf weitere Impfstoffe zurückgegriffen werden muss, auf den von Moderna oder denjenigen der Universität Oxford und AstraZeneca sowie auf weitere Produkte. Anders ist die weltweite Nachfrage nicht zu bewältigen. Denn wenn nicht wirklich global möglichst breit geimpft wird, könnte sich SARS-CoV-2 dauerhaft etablieren.