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Corona in Großbritannien
Massenimpfungen als Hoffnungsträger

Die neue Corona-Mutation grassiert in Großbritannien besonders heftig, die Zahl der Neuinfektionen ist horrend, die Krankenhäuser arbeiten am Anschlag. In weniger als drei Wochen könnte das britische Gesundheitssystem kollabieren. Massenimpfungen sollen die Pandemie auf der Insel jetzt besiegen.

Von Burkhard Birke |
In London hat ein Corona-Impfzentrum den Betrieb aufgenommen. (Photo by WIktor Szymanowicz/NurPhoto)
Seit Dienstag gibt es sieben Massenimpfzentren in Großbritannien (dpa / picture alliance / Wiktor Szymanowicz)
Dieser Appell war eindringlich: Jeder möge sich so benehmen, als habe er das Virus. Schon fast gebetsmühlenartig wiederholte Gesundheitsminister Matt Hancock die Botschaft: "Halten Sie sich an die Regeln!"
Sonst droht dem Nationalen Gesundheitsdienst NHS der Kollaps. Die Zahl der Coronapatienten in den Krankenhäusern ist mit mehr als 32.000 seit Weihnachten dramatisch in die Höhe geschnellt. Allein letzten Sonntag wurden über 46.000 Neuinfektionen und 563 Tote registriert. Im Durchschnitt starben an jedem Tag der letzten Woche 926 Menschen an Covid-19, mehr als 81.000 seit Beginn der Pandemie.

In London ist bereits jeder 30. infiziert

Die neue Variante des Virus ist 70 Prozent ansteckender: In London ist bereits jeder 30., in einigen Stadtteilen sogar jeder 20. infiziert. Die Zeitung "The Guardian" berichtet von Modellrechnungen, wonach sogar schon jeder Fünfte in England Corona hatte oder hat. Erst seit einer Woche ist wieder ein harter Lockdown in Kraft.

Von einem Wettlauf mit der Zeit sprach Premierminister Boris Johnson in Bristol gestern beim Besuch eines der neu eröffneten sieben Massenimpfzentren. "Wir sehen welcher Bedrohung der NHS ausgesetzt ist. Die Nachfrage nach Intensivbetten, nach Beatmungsgeräten ist enorm, in manchen Krankenhäusern fehlt es sogar an Sauerstoff."
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)

Bis Mitte Februar soll die erste Risikogruppe geimpft sein

Die Krankenhäuser sind gezwungen, noch mehr als sonst, Herz- oder Krebspatienten zu vertrösten; sie drohen zum Kollateralschaden einer Pandemie zu werden, die die Regierung jetzt mit Massenimpfungen zu besiegen hofft. 2,3 Millionen Bürger haben bereits die erste Dosis eines der drei zugelassenen Impfpräparate, 300.000 sogar schon die zweite erhalten. Über 80-Jährige, Pfegeheimbewohner und -personal, medizinisches Personal und über 70-Jährige und Menschen mit schweren Vorerkrankungen kommen zuerst dran: Bis Mitte Februar soll dieser Personenkreis, aus dem bisher 88 Prozent aller Corona-Todesfälle stammten, geimpft sein: 14 Millionen Briten.

Gesundheitsminister Matt Hancock gibt sich zuversichtlich: "Seit wir letzten Donnerstag begonnen haben, den Oxford-Astra Zeneca Impfstoff einzusetzen, ist die Zahl der Geimpften auf 212.000 pro Tag im Schnitt gestiegen. Und mit den Massenimpfzentren wird die Zahl weiter steigen."
Ein Virus leuchtet im Dunkeln.
Was über die neuen Corona-Mutationen bekannt ist
Bei Viren gibt es stetig zufällige Veränderungen im Erbgut, so auch bei SARS-CoV-2. Diese Mutationen verschaffen dem Erreger Vorteile – etwa, indem sie ihn leichter übertragbar machen.
Geimpft wird zum Teil auch in Apotheken dank der Hilfe auch von 80.000 frisch rekrutierten Helfern. Bis April sämtliche Risikogruppen und bis Herbst das Gros der Bevölkerung zu impfen ist das Ziel.
"Das Impfprogramm gibt zwar Hoffnung, aber um das Virus jetzt zu bekämpfen, müssen wir uns an die Regeln halten", mahnte der Medizinische Direktor des NHS, Stephen Powis. "Nur wenn das gelingt, kommen wir durch die nächsten Wochen und werden wir sehen, dass die Infektions- und Todeszahlen sinken."

Unklarheit über die Regeln

Längst ist eine Debatte über eine Verschärfung der Maßnahmen entbrannt, zumal nicht gesichert ist, ob nicht auch Geimpfte das Virus bei einer Ansteckung weiterverbreiten. Die vielen, auch regional unterschiedlichen Maßnahmen hätten die Briten verwirrt, kritisiert Oppositionsführer Keir Starmer von Labour:
"Die Mehrheit der Briten hat sich in den letzten neun Monaten an die Regeln gehalten, aber sie brauchen Klarheit, was man genau von ihnen verlangt, denn einmal hieß es bleibt zu Hause, dann wieder nicht, essen Sie auswärts, dann esst zu Hause, geht zur Arbeit, bleibt zu Hause."
Die bislang nur für Supermärkte und den öffentlichen Verkehr geltende Maskenpflicht auszuweiten, Kontakte zu Personen eines fremden Haushalts ganz zu verbieten, eine nächtliche Ausgangssperre, Gotteshäuser und Kindergärten zu schließen fordern einige Wissenschaftler und Politiker.
"Wenn es sein müsste, würden die Regeln überdacht", sagte Premierminister Johnson.

Offenbar muss es noch nicht sein. Die nächsten Tagen werden es zeigen.