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Corona-Krise in Spanien
Polizeieinsatz gegen kritische Presse?

Spanische Medien kritisieren immer wieder das Krisenmanagement von Regierungschef Sanchez in der Corona-Krise - unabhängig und ohne Zensur. Doch jetzt wächst bei manchen die Sorge, dass kritische Äußerungen bald verfolgt werden könnten. Grund dafür ist eine Äußerung des Polizeichefs.

Oliver Neuroth im Gespräch mit Benedikt Schulz |
Ein spanischer Polizist mit Mundschutz
Ein spanischer Polizist mit Mundschutz (imago/ Europa Press/Oscar Barroso)
Benedikt Schulz: Ein Blick nach Spanien. Das Corona-Krisenmanagement der Regierung dort unter dem sozialistischen Regierungschef Pedro Sanchez ist schon etwas länger in der Kritik – und formuliert wird diese Kritik nicht nur von der Opposition, sondern auch von den Medien im Land. Und wie die Regierung mit der Kritik umgeht, darüber wird jetzt gerade heftig gestritten im Land, denn ein führendes Mitglied der spanischen Guardia Civil – entfernt vergleichbar mit der Bundespolizei in Deutschland – ein führendes Mitglied dieser Polizei hat öffentlich gemacht, dass seine Polizeitruppe auch eingesetzt werde, um das – Zitat – "gegen die Regierung gerichtete die Klima zu minimalisieren". Ist das schon Zensur? Darüber spreche ich jetzt mit Spanien-Korrespondent Oliver Neuroth. Herr Neuroth, also die Frage gebe ich an Sie weiter: Ist das Zensur was da passiert?
Oliver Neuroth: Wenn es tatsächlich stimmt, was da einige Zeitungen und Sender in den vergangenen Tagen berichtet haben, dann könnte man von Zensur sprechen, finde ich. Wenn es wirklich so ist, dass die Guardia Civil auf Anweisung der Regierung ihre Computer und Internetexperten dazu einsetzen soll, um Kritik am Handeln der Regierung in dieser Virus-Krise aufzuspüren und einzudämmen. Es soll darum gehen, entsprechende Nachrichten, entsprechende Artikel im Netz zu löschen. Von diesem Plan wollen eben einige spanische Journalisten erfahren haben. Und angeheizt wird eben diese Debatte durch den Auftritt von José Manuel Santiago, dem Chef des Generalstabs der Guardia Civil, in einer Pressekonferenz, die live übertragen wurde im Fernsehen. Dieser Herr tritt täglich vor Medienvertretern auf und erklärt – etwas hölzern in Amtssprache – die aktuellen Entwicklungen in der Krise. Und er ist kein Medienprofi; dieser kritische Satz, an dem es so viel Kritik gibt, der scheint ihm raus gerutscht zu sein.
"Innenminister soll hinter der Anordnung stehen"
Schulz: Also, wenn man so will: ist das eher ein Patzer gewesen, weniger eine politische Strategie?
Neuroth: Das ist schwer zu sagen. Dieser Satz wäre wohl nicht rausgerutscht, wenn an diesen Anweisung der Regierung überhaupt nichts dran wäre. Der Polizei-General hat dann gleich auch noch mal gesagt: naja, hier geht's ja nur um Fake News, also dass man Falschmeldungen im Netz findet und entfernen möchte, nicht um kritische Meinungen zur Regierungslinie. Das klingt auch plausibel, finde ich. Ich halte auch die Kritik an dem spanischen Innenminister Fernando Grande-Marlaska für überzogen. Er soll hinter der Anordnung stehen, die Polizei, die Guardia Civil entsprechend zu beauftragen. Der Minister gilt zwar eher als politischer Hardliner, hat das beim Thema Flüchtlinge schon oft gezeigt, betont immer wieder die innere Sicherheit. Aber ich habe ihn schon mal länger interviewt. Dass er wirklich gezielte Zensur betreiben will, unliebsame Meinungen in Sachen Corona löschen lassen möchte – ich kann es mir nur schwer vorstellen.
Kritik an Pressekonferenzen zur Coronavirus-Lage
Schulz: Jetzt ist diese Äußerung ja nicht der einzige Kritikpunkt von Medienvertretern am Krisenmanagement der spanischen Regierung. Worum geht es da noch?
Neuroth: Kritik gab es in den vergangenen Wochen zum Beispiel am technischen Modus der täglichen Pressekonferenzen zur Coronavirus-Lage. Da konnten Journalisten ihre Fragen vorab per E-Mail zum zuständigen Ministerium schicken. Doch tatsächlich dran genommen wurden vor allem die wenig kritischen Fragen. Deshalb der Vorwurf einiger Redaktionen unbequeme Fragen würden gleich vorher aussortiert. Inzwischen dürfen Journalisten ihre Fragen live per Video stellen; also hier hat man entsprechend reagiert auf die Kritik und den Modus geändert. Dann steht noch ein Vorwurf im Raum – und zwar, dass das spanische Gesundheitsministerium sich "Likes" für seinen Facebook-Account kaufen würde. Auffällig war da nämlich, dass die Posts des Ministeriums erstaunlich viel Unterstützung bekamen und zwar vor allem von ausländischen Facebook-Nutzern, die ihre Profile erst kurz vorher erstellt hatten und nur dem spanischen Gesundheitsministerium gefolgt waren und dort eben die "Likes" vergeben haben. Das war auffällig. Was dahinter steckt, ist bisher noch nicht bekannt.