Wenn die Intensivbetten-Ampel auf Rot schaltet, wächst die Sorge: Werden bald COVID-19-Kranke auf den Gängen der Krankenhäuser liegen? Müssen Ärzte entscheiden, welche Patienten sie noch behandeln können und welche nicht?
Doch von diesem Szenario sei Berlin weit entfernt, erklärt Dilek Kalayci, Berlins Gesundheitssenatorin: "Insgesamt haben wir zur Zeit 210 Intensivbetten noch frei. Die Krankenhäuser sind in der Lage, innerhalb von 24 Stunden noch 270 weitere Betten zu aktivieren. Und ja, für den ganz, ganz schlimmen Ernstfall haben die Krankenhäuser noch weitere Kapazitäten, und wir haben ja in Berlin auch noch ein Reservekrankenhaus für den Fall, wenn alle Betten überlaufen."
Das Notfall-Behandlungszentrum auf dem Berliner Messegelände wird noch lange nicht benötigt, erklärt auch Eberhard Thombansen. Er leitet die Pandemie-"Taskforce" des größten Berliner Krankenhaus-Betreibers, des staatseigenen Vivantes-Konzerns: "Die Teams und die Intensivkapazitäten sind angespannt, aber noch nicht am Limit."
Auf Kosten anderer Patienten
"Also von daher heißt rote Ampel nicht, wir sind am Ende der Möglichkeiten, sondern rote Ampel heißt: Wir müssen uns noch mal intensiver anstrengen, mehr Intensivkapazitäten im gegebenen Rahmen zu schaffen."
Dabei sind in den acht Krankenhäusern des Vivantes-Konzerns in Berlin schon jetzt 40 Prozent der Intensivbetten mit COVID-19-Patienten belegt. Der Anteil liegt hier also weit über der 25-Prozent-Marke. Der Grund: Vivantes verfügt über mehr Intensivkapazitäten als andere Berliner Krankenhäuser. Gut zwei Drittel der Corona-Intensivpatienten in Berlin werden bei Vivantes und im Universitätsklinikum Charité behandelt.
Die Ampel sprang bei 25 Prozent zwischenzeitlich auf Rot, aber das Konzept des Senats und der Berliner Krankenhäuser sieht vor, dass 35 Prozent der Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeiten für COVID-Patienten reserviert bleiben. Wenn die Ampel auf Rot springt, ist also immer noch ein Puffer an freien Betten vorhanden.
Allein Vivantes könnte in seinen Krankenhäusern innerhalb von 24 Stunden 40 bis 60 zusätzliche Corona-Intensivplätze zur Verfügung stellen – allerdings nur auf Kosten anderer Patienten.
Thombansen: "Wer jetzt eine unkomplizierte Leistenhernie hat oder wer jetzt ohne ganz dramatische Schmerzsituation für seine Hüftoperation geplant war, der muss damit rechnen, dass wir ihm absagen, dass wir diese Operation absagen, um eben Intensivkapazitäten für die Intensivbereiche und die Covid-Bereiche freizumachen."
Zudem, so der Kardiologe Eberhard Thombansen, hat Vivantes in den vergangenen Wochen einige Stationen schließen müssen, zum Beispiel Stationen für Unfallchirurgie und Orthopädie. Nicht alle betroffenen Patientinnen und Patienten reagieren mit Verständnis.
"Naja, das ist wie im wirklichen Leben. Es gibt die, die Verständnis zeigen und es gibt natürlich auch die, die sich ärgern. Und das ist eine schwere Aufgabe für die verantwortlichen Ärzte, dann eben diese Kommunikation zu führen oder eben auch diese Absagen durchzuführen."
70 Prozent bereit zur Impfung
Nicht nur Betten müssen für Corona-Patienten freigehalten werden. Es mangelt vor allem an intensivmedizinisch geschulten Pflegekräften: "Spezialisiertes Intensivpersonal ist extrem knapp und vermehrt sich auch nicht automatisch dadurch, dass eine Pandemie eintritt. Das, was gemacht wird – ich denke, das ist nicht nur bei uns so, sondern auch in anderen Krankenhäusern – dass wir seit dem Frühjahr Gesundheits- und Krankenpflegekräfte in Richtung Intensivmedizin schulen. Also dass wir erneut – wer schon mal da war – dass wir die Beatmungsgeräte erklären, die Spritzenpumpen, die Perfusoren, die Vorgehensweisen dabei."
Die Pflegekräfte auf den Intensivstationen arbeiten in diesen Wochen besonders hart. Deshalb ist der Krankenstand in diesem Bereich in den Vivantes-Häusern mit 15 bis 20 Prozent doppelt so hoch wie sonst im Winter. Gut zehn Prozent des Personals ist wegen der Pandemie in Quarantäne. Aber ein Ende ist absehbar, sagt Thombansen.
Thombansen: "Wir selbst, gemeinsam mit dem betriebsärztlichen Dienst und auch den Krankenhausleitungen vor Ort, bereiten uns darauf vor, ab Mitte, Ende – vielleicht vor Weihnachten noch, das weiß niemand so genau – aber spätestens in der Zeit nach Weihnachten unsere Mitarbeiter zu impfen, die natürlich das wollen." Der Gesundheitskonzern Vivantes hat seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter befragt: 70 Prozent von ihnen sind bereit, sich impfen zu lassen.