Der Nordrhein-Westfalen-Plan. Was Ministerpräsident Armin Laschet am 6. Mai vorstellt, soll einen groben Fahrplan für weitere Lockerungen aufzeigen. Auch im Sport. NRW geht zu dem Zeitpunkt weiter als alle anderen Bundesländer. Insbesondere dieser Satz des Christdemokraten bleibt hängen: "Ab dem 30. Mai ist Ausübung von Sportarten auch mit unvermeidbarem Körperkontakt und in geschlossenen Räumen wieder möglich und auch sportliche Wettbewerbe im Kinder- und Jugendsport sind dann wieder zulässig – Immer unter dem Blick: Halten wir die Infektionsraten niedrig".
Sogar die Hallen für Kontaktsport zu öffnen – angesichts der Debatte über die mögliche hohe Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen ein gewagter Vorstoß. Kinder, die noch nicht regelmäßig in die Schule können, nachmittags in der Halle in direkten Duellen? Für viele nur schwer vermittelbar.
Die Infektionsraten bleiben im Mai niedrig. Doch als jetzt am Mittwoch, den 27. Mai, die neue Corona-Schutzverordnung kommt, ist einiges anders als im ursprünglichen Plan. Von Kontaktsport in Hallen ist keine Rede mehr. Im Freien ist der Sport mit Körperkontakt seit dem 30. Mai aber wieder erlaubt – mit der Begrenzung von zehn Teilnehmern, bei maximal 100 Zuschauern.
Staatssekretärin Milz verteidigt Schritt
Das sei keine Rolle rückwärts, meint NRW-Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt Andrea Milz. Im Wesentlichen sei es bei dem Datum um allgemeine Möglichkeiten für Kontaktsportarten gegangen. Dazu beobachte man neue Infektionsgeschehen und in welchem Rahmen sie vorkommen. Milz: "Womit Menschen rechnen, das ist immer das eine. Was wir natürlich erfahren haben, durch die Vorfälle in Frankfurt und Leer, dass da wo sich Menschen in geschlossenen Räumen treffen tatsächlich immer noch Vorsicht zu walten hat."
Zumindest freuen sich einige Vereine, dass es nun doch nicht so schnell geht mit den Lockerungen. Wie Frank Fligge vom Handballverein ASC 09 Dortmund. Er hatte Anfang Mai einen offenen Brief an Laschet geschrieben und dessen Ankündigung als "Irrsinn" bezeichnet. "Also was passiert ist Anfang Mai war kommunikativ aus unserer Sicht ein ziemliches Fiasko".
Dabei ging es um die Öffnung der Hallen für kontaktloses Training, die mit nur wenigen Tagen Vorlauf angekündigt worden war. Zwar nicht verbindlich, aber dennoch führte die Nachricht zu Erwartungen bei Vereinsmitgliedern. Viele Ehrenamtliche empfanden Druck, sofort ein Hygienekonzept zu erstellen. "Das hat natürlich sowohl die Vereine, was die Erwartungshaltung der Mitglieder angeht, als auch die Gemeinden und Städte, die es umsetzen müssen, vor gewaltige Probleme gestellt. Die gesamte Kommunikation im Bereich Sport in den letzten Wochen war aus unserer Sicht sehr optimierungsbedürftig."
Andrea Milz wirbt um Verständnis. In der Corona-Pandemie-Zeit sei eine langfristige Planung mit Erklärungen nicht möglich: "Ich kann in diesen Zeiten im politischen Handeln mir keine Wochen- und Monate-Entscheidungen erlauben und so ist es jetzt natürlich in jedem privaten Bereich auch. Jeder Gastronom steht vor dem gleichen Problem entscheiden zu müssen, nutz ich das Angebot, was man mir gemacht hat, oder sag ich, es lohnt sich wirtschaftlich nicht, oder ich kann es noch gar nicht. Diese Entscheidung muss im Moment in dieser Situation in der Bevölkerung jeder treffen und da sind Vereine nicht anders als alle anderen auch."
Dazu könne schließlich jeder selbst entscheiden, ob er die Möglichkeiten zur Öffnung sofort annehme oder noch abwarte - keiner sei unter Druck gesetzt. Für Fligge kein Argument: "Das finde ich schon ein bisschen frech, ehrlich gesagt, weil natürlich produziert eine Landesregierung mit einer solchen Lockerung eine Erwartungshaltung bei den Bürgerinnen und Bürgern und damit auch bei unseren Mitgliedern."
Kritik nicht von allen Vereinen
Doch nicht alle Vereine sehen das kritisch. Nach dem öffentlichen Brief von Fligge gab es über einen kleinen Verteiler in der Dortmunder Sportszene eine Antwort eines anderen Dortmunder Vereins. Der Tenor: Es sei jetzt an der Zeit, dass die Sportvereine mehr Eigenverantwortung tragen. Das bedeute, dass die Vereine selbst entscheiden sollen, wann sie öffnen.
Dass es keine allgemeingültige Vorgabe geben kann, sieht auch der Landessportbund NRW so. Der Vorstandsvorsitzende Christoph Niesen: "Ich glaube nicht, dass das, was jetzt passiert, sich zentral steuern lässt. Sondern das kann nur individuell vor Ort geschehen, weil eben auch die Bedingungen völlig unterschiedlich sind."
Gerade größer aufgestellten Breitensport-Vereinen werde so die Möglichkeit gegeben, zumindest Teile ihres Sportangebots wieder zu öffnen. Andreas Edelstein hat die Entscheidung für seinen Fußballverein schon getroffen: "Bei uns im Verein haben wir auch gesagt, nein, bis 30.6. wird natürlich nicht mit Kontakt trainiert, sondern wir trainieren das so runter. Das ist für mich verantwortbar."
Er ist der Vorsitzende des SC Husen-Kurl und im Kreisjugendausschuss. Generell freue man sich, wieder auf dem Platz stehen zu können. Doch Edelstein betont: In vielen Amateursportarten und Jugendwettbewerben steht man vor der Sommerpause. Dort hätte man viel Zeit gehabt, erst einmal den weiteren Verlauf der Pandemie zu verfolgen. "Der Amateursport soll eigentlich zu der gleichen Zeit, wo wir in eigentlich allen europäischen Profiligen noch nicht über Profifußball reden, da kann der Amateursport in irgendeiner Art und Weise wieder Fußball spielen oder trainieren. Da fehlt mir persönlich schon ein wenig die Vorstellungskraft."
Die Profiligen gehen zwar nun auch in England und Italien bald weiter. Doch unter extremen Einschränkungen. Viele Amateurvereine haben in den letzten Wochen gerade erst mühsam ein eigenes Konzept auf die Beine gestellt. Im Jugendbereich wurden Gespräche mit vielen Eltern geführt, Kindern die Situation erklärt. Dass dann doch so schnell weitere Lockerungen angekündigt wurden, hat viele Vereinsvertreter verunsichert. Auch wenn inzwischen klar ist: In den Sporthallen wird auch im Nordrhein-Westfalen-Plan bis auf Weiteres noch auf Abstand gegangen.