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Corona-Lockerungen
Holetschek (CSU): "Mit dem konsequenten Kurs fahren wir besser"

Vor den Bund-Länder-Beratungen über die weitere Vorgehensweise sprach sich Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) dafür aus, die aktuellen Maßnahmen lieber länger zu erhalten. Im Dlf plädierte er deshalb für einen "konsequenten und entschlossenen" Kurs, "aber dafür mit Perspektive".

Klaus Holetschek im Gespräch mit Dirk Müller |
Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister von Bayern, spricht auf der Pressekonferenz zum Homeoffice-Gipfel der bayerischen Staatsregierung im Prinz-Carl-Palais. Der runde Tisch mit Vertretern von Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden wurde als Video-Schalte abgehalten.
"Die Inzidenzen sind auf dem richtigen Weg", sagte Klaus Holetschek (CSU), Gesundheitsminister von Bayern, im Dlf (picture alliance / dpa / Matthias Balk)
Am Mittwoch (10.02.2021) treffen sich die Chefs von Bund und Länder, um über den weiteren Kurs in der Pandemie zu beraten. Der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) sagte im Dlf, dass man derzeit in einem Bereich der "gemischten Gefühle" sei. Auf der einen Seite sinken die Izidenzwerte, auf der anderen Seite seien da die Mutationen und deren Auswirkungen
Er plädiert für einen Kurs der "Umsicht und der Vorsicht". Man habe gemerkt, dass der erste Lockdown light nicht zu dem Ergebnis geführt habe, den man wollte. "Mit dem konsequenten Kurs fahren wir besser." Auf die gesunkenen Inzidenzwerte nun mit schnellen Lockerungen zu reagieren, könnte das Erreichte "verspielen". Das wäre "fatal" und würde auch in der Bevölkerung zu weniger Akzeptanz führen. Deshalb sei es gut, "konsequent und entschlossen zu bleiben, aber dafür dann mit Perspektive", so Holetschek.
KMK-Präsidentin "Wir wünschen uns Lockerungen für den Schulbetrieb"
Die Präsidentin der Kultusministerkonferenz (KMK), Britta Ernst, hat sich für Lockerungen für den Schulbetrieb ausgesprochen. Ein harter Lockdown sei mit manchen Lernangeboten nicht vereinbar, sagte die SPD-Politikerin im Dlf.
Es brauche eine genauere Analyse der Mutationen. Bisher sei das regional unterschiedlich. Man habe die Sequenzierung hochgefahren, um eine bessere Datenlage zu bekommen. Alle Maßnahmen müssten auf ihre Verhältnismäßigkeit prüfen. Dabei ginge die Gesundheit vor. Das sei die Maxime in Bayern. "Deshalb sind wir auch immer ein Stück weit entschlossener und vielleicht auch vorher an bestimmte Dinge herangegangen", sagt Holetschek und verweist auf die frühe Einführung der Maskenpflicht. Die teilweise hohen Inzidenzwerte in Bayern hätten auch mit der schwierigen Lage an der Grenze zu tun. Diese zu schließen, sei aber eine ″Ultima Ratio″.
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2

Das Interview in ganze Länge
!Dirk Müller:!! Der Druck nimmt zu. Kommen die ersten Öffnungen? Am Mittwoch soll über dieses weitere Vorgehen unter Leitung der Kanzlerin entschieden werden. Herr Holetschek, haben Sie an diesem Montagmorgen für uns einen Lockerungsvorschlag?
Klaus Holetschek: Ich glaube, es ist in dem Beitrag sehr deutlich zum Ausdruck gekommen, dass wir uns noch in einem Bereich der gemischten Gefühle etwas bewegen. Auf der einen Seite sinken die Inzidenzwerte, was gut ist und positiv ist. Auf der anderen Seite gibt es die große Unbekannte der Mutation und deren Auswirkungen. Ich denke, in diesem Spannungsfeld wird man am Mittwoch auch abwägen müssen, welche Schritte möglich und welche Schritte notwendig sind.

″Kurs der Umsicht und der Vorsicht″

Müller: Wofür plädiert Bayern?
Holetschek: Wir plädieren nach wie vor für den Kurs der Umsicht und der Vorsicht, weil wir auch gemerkt haben, dass zum Beispiel der erste Lockdown Light nicht zu dem Ergebnis geführt hat, was wir wollten, und dass wir jetzt mit dem konsequenten und entschlossenen Handeln besser fahren. Das zu verspielen, wäre aus meiner Sicht fatal und würde auch in der Bevölkerung noch zu weniger Akzeptanz führen. Auch die Vertreter der Wirtschaft sagen, wenn jetzt etwas kommt, dann sollte kein Drehtür-Effekt eintreten, also heute auf, morgen zu, sondern wir brauchen dann nachhaltige Perspektiven.
Dietmar Bartsch zum Lockdown - "Es fehlt eine mittelfristige Strategie"
Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch begrüßt einige der Bund-Länder-Beschlüsse zum Lockdown, insbesondere zu mehr Homeoffice. Dennoch sieht er auch massive Versäumnisse und vermisst "Professionalität, Koordination und Nachvollziehbarkeit".
Müller: Umsicht heißt für Sie, wenn ich das richtig verstanden habe, der Lockdown bleibt wie er ist?
Holetschek: Umsicht heißt für mich, die Lage zu bewerten und abzuwägen. Die Inzidenzen sind auf dem richtigen Weg. Wir brauchen nach wie vor eine genauere Analyse auch des Themas Mutation. Dazu sind wir in ständigen Gesprächen über die Frage, was geht für eine Gefahr aus. Vor dem Hintergrund gilt es, dann Entscheidungen zu fällen.

Grenzschließung als ″Ultima Ratio″

Müller: Die Zahlen steigen ja bei den Mutationen. Das ist, glaube ich, unstrittig. Inzwischen werden schon Zahlen genannt, 15 bis 20 Prozent in bestimmten Regionen, die sich da durchgesetzt haben – Tendenz nach oben. In dem Bereich gibt es keine Entspannung. Deshalb bleibt alles so wie es ist?
Holetschek: Ich denke, es ist regional unterschiedlich. Wir sehen gerade ja bei uns an der Grenze zu Tschechien, dass dort im Moment Inzidenzen nach wie vor sind um die 300. Das muss man sich genau anschauen. Wir sehen, dass die Nachbarn in Österreich, gerade in Tirol überlegen, wie sie mit dem Thema umgehen. Deswegen, glaube ich, kann man das noch nicht abschließend bewerten. Wir haben zurzeit auch die Sequenzierungen, die Überprüfungen hochgefahren, um einfach eine bessere Datenlage zu kriegten und die Auswirkungen der Mutation auf die Inzidenzwerte noch mal genau abschätzen zu können.
Müller: Markus Söder hat das ja auch seit vielen Wochen und Monaten immer wieder argumentiert. Wir haben ein Problem, sagt er, und meint damit die Bayern, durch die Grenzlage, Österreich und Tschechien. Immer wieder gibt es da Auseinandersetzungen, Wortgefechte. Warum haben Sie die Grenzen nach wie vor geöffnet?
Holetschek: Die Grenzen zu schließen, ist sicherlich eine Ultima Ratio. Ich denke, wir haben viele Bezüge, auch Pendlerverkehre, Wirtschaftsbezüge. Das muss man alles mit betrachten. Wir haben die Testungen sehr stark nach oben gefahren, weil Testen sicher auch ein Stück weit Sicherheit und ein Stück weit der Strategie ist. Wir haben auch das Thema Pendlerquarantäne immer wieder mit einbezogen. Von daher, glaube ich, muss man diese Maßnahmen wie immer auf ihre Verhältnismäßigkeit prüfen und auch immer wieder abwägen vom Nutzen und vom Zweck.

Schwierige Situation an der Grenze

Müller: Den Menschenleben geht die Gesundheit nicht vor?
Holetschek: Absolut geht die Gesundheit vor. Das ist ja auch die Maxime, die wir in Bayern immer gefahren haben. Deswegen sind wir, glaube ich, auch immer ein Stück weit entschlossener und vielleicht auch vorher schon an bestimmte Dinge herangegangen. Wenn Sie zum Beispiel die Maskenpflicht bedenken, die wir vorher schon eingeführt haben, bevor die Ministerpräsidentenkonferenz darüber entschieden hat.
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Müller: Das haben Sie getan, aber die Inzidenzwerte insgesamt in Bayern in vielen Regionen – Sie haben gerade das Beispiel genannt; Hof ist ein anderes Beispiel, Neustadt an der Aisch, wenn ich das richtig gelesen haben, gestern auch noch relativ hoch. Das hat ja auch nicht so viel gebracht, wie Sie sich erhofft haben.
Holetschek: Man muss einfach die schwierige Situation an der Grenze sehen. Wenn Sie sehen, dass in Tschechien teilweise Inzidenzwerte gegenüber von nahezu tausend sind, dann ist die Lage dort etwas schwieriger als in andere Teilen des Landes und auch in anderen Teilen Deutschlands. Das muss man mit einbeziehen und das muss man auch in die Maßnahmen immer wieder mit einbeziehen, die getroffen werden.

″Gesundheitsschutz hat oberste Priorität″

Müller: Aber die reichen ja bislang nicht aus, Herr Holetschek, wenn ich Sie richtig verstanden habe. Tausend Inzidenzwert und dennoch dürfen Tschechen aus dieser Region nach Bayern. Warum?
Holetschek: Deswegen haben wir auch noch mal nachgeschärft und haben jetzt auch noch mal ein Maßnahmenpaket mit stärkeren Testungen, Thema Pendlerquarantäne und anderen Dingen an der Grenze diskutiert und auch mit den Landräten dort vorgeschlagen, und das wird auch umgesetzt. Von daher, glaube ich, muss man einfach sehen, dass wir wirtschaftliche Bezüge haben, auch im Gesundheitswesen Bezüge haben. Die Grenzschließung ist sicherlich das Ultima Ratio, aber da ist der Bund natürlich dann mit im Boot und auch gefordert.
Müller: Sie plädieren dafür?
Holetschek: Ich plädiere dafür, dass wir die Maßnahmen genau anschauen und dass wir auch mit unseren Nachbarländern im Dialog bleiben und dass der Gesundheitsschutz die oberste Priorität hat.
Müller: Das heißt, Sie sind noch nicht entschieden in dieser Frage?
Holetschek: Wir haben jetzt noch mal ein Maßnahmenbündel gerade diskutiert, auch mit den Grenzlandkreisen. Das wird umgesetzt. Es wird noch mal mehr getestet, es wird noch mal mehr kontrolliert, und wir werden genau hinschauen, ob dann noch weitere Maßnahmen notwendig sind. Ausschließen will ich nichts.

Weiterer Schulgipfel in Bayern

Müller: Schulen und Kitas, Herr Holetschek, das wird immer wieder genannt. Olaf Scholz – das haben wir eben auch noch mal in einem Statement gehört – sagt, das hat Priorität. Das sehen viele Länderchefs auch so. Wir hören vielleicht mal die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), was sie dazu hier im Interview der Woche im Deutschlandfunk gesagt hat.
O-Ton Britta Ernst: "Wir wünschen uns Lockerungen für den Schulbetrieb. Ob das der 14. Februar, eine oder zwei Wochen später sein wird, ist im Moment ja noch nicht zu sagen."
Müller: Wie sehen Sie das?
Holetschek: Ich denke, das ist durchaus eine Meinung, die viele teilen, dass das Thema Schule und Kita eine Priorität hat. Wir werden heute in Bayern noch mal auf einem Schulgipfel auch mit den Verbänden, mit den Vertretern beraten. Auch da gilt das, was ich vorher gesagt habe, das Prinzip der Umsicht und Vorsicht ist die Maxime. Das muss man abwägen mit dem Wunsch, auch Kindern wieder die Möglichkeit des Schulunterrichts, des Präsenzunterrichts, des Wechselunterrichts zu geben. Diese Entscheidungen werden jetzt, denke ich, diskutiert und dann auch getroffen.
Müller: Viele fragen sich, warum so viel diskutiert wird. Warum sind nicht längst Entscheidungen dort und Richtungsentscheidungen dort vorhanden?
Holetschek: Ich denke, es ist sehr wichtig abzuwägen. Es gibt ja auch die verschiedenen Interessen der Lehrerverbände, der Eltern, der Betroffenen, der Schüler. Und ich denke, dieser Prozess muss immer wieder auch gemeinsam gegangen werden. Deswegen halte ich das schon für richtig, dass man diese Dinge immer wieder überprüft. Es sind ja Entscheidungen da gewesen jetzt für die Abschlussklassen zum Beispiel, aber dass man natürlich auch immer wieder auf die Lage schaut. Es ist extrem schwierig, weil der Virus nicht genau pünktlich um acht Uhr folgende Meldung abgibt und einen Tag später möglicherweise die Mutation uns etwas anderes sagt. Vor dem Hintergrund sind Entscheidungen immer wieder zu treffen, zu überprüfen und abzuwägen.
Mediziner Schneider über Lockdown - "Die Einschränkungen für Kinder sind wirklich massiv"
Ein Lockdown sei besonders für Kinder "körperlich wie auch psychisch eine extreme Belastung", sagte Dominik Schneider, Direktor der Westfälischen Kinderklinik Dortmund, im Dlf.
Müller: In Bayern, wie sieht die Situation dort aus? Halten Sie es für ausgeschlossen, dass Sie mit Schulen und Kitas in den nächsten Tagen, in den nächsten Wochen vorangehen oder das ermöglichen?
Holetschek: Ich habe ja gerade beschrieben, dass wir heute noch mal mit der Schulfamilie diskutieren. Der Kultusminister ist da ja federführend mit dabei. Und dann wird sicherlich auch das Thema besprochen und ich gehe davon aus, dass die Ministerpräsidenten am Mittwoch mit der Kanzlerin auch darüber noch mal reden und versuchen, vielleicht einheitliche Lösungen zu bringen. Das wird man sehen. Dazu kann ich im Moment noch nichts sagen.

Aufgrund von Fakten entscheiden

Müller: Heute am Montag, 8. Februar, ist alles noch unklar, wenn wir Sie richtig verstehen?
Holetschek: Ich weiß nicht, ob das Wort "unklar" der richtige Ton ist. Ich denke, wir haben viele Entscheidungen gefällt im Lichte dessen, was der Virus uns auch an Vorgaben gibt. Der Gesundheitsschutz steht über allem und wir haben jeden Tag eine Bewertung auch, die wir vorzunehmen haben, gerade unter den großen Ungewissheiten, was die Mutation genau bringt und wie wir uns darauf einstellen müssen. Ich denke, das ist verantwortungsvolle Politik, das auch zu tun, zu entscheiden aufgrund von Fakten, und das tun wir.
Müller: Wie damals der Lockdown Light, das haben Sie angesprochen. Da haben Sie in Bayern ja schon gesagt, das ist uns viel zu wenig. Trotzdem haben Sie das mitgetragen. Gebracht hat das gar nichts, nur Milliarden-Summen in der Wirtschaft, die ausgefallen sind, Schulunterricht, der ausgefallen ist. Soll das noch einmal kommen, dieser Lockdown Light?
Holetschek: Ich denke, es ist gut, jetzt konsequent und entschlossen zu bleiben. Lieber noch etwas länger, aber dafür dann mit mehr Perspektive.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.