Unternehmen in Deutschland stellen sich zunehmend die Frage, ob die Politik sie und ihre Beschäftigten ausreichend vor Corona im Herbst und Winter schützt. Industriepräsident Siegfried Russwurm warnte gegenüber der Deutschen Presse-Agentur, dass die Politik vor zentral wirksamen und konsequenten Maßnahmen zurückzuschrecken drohe. Eine Option könnte etwa eine 3G-Regel für die Betriebe sein, für die Bund und Länder eine Grundlage schaffen müssten, sodass die Unternehmen sie auch in den kommenden Wochen umsetzen können. So würden in Zukunft nur noch Genesene, Geimpfte oder Getestete Zugang zum Arbeitsplatz erhalten.
Der FDP-Gesundheitspolitiker Andrew Ullmann reagierte auf diese Forderung skeptisch. "Ich halte es für viel besser, wenn man sagt, dass die Betriebsmedizinerinnen und -mediziner dazu Sorge tragen, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend geimpft werden. Und die Leute, die sich aus medizinischen Gründen nicht impfen lassen können, denn die müssen wir natürlich auch berücksichtigen, dass die regelmäßige Testungen durchgeführt bekommen, dass sie auch vor Infektionen geschützt werden. Und die Frage ist natürlich, was bringt der Test am Ende des Tages? Ich würde jetzt nicht sagen, am Arbeitsplatz ist 3G immer zwingend notwendig. Aber in der einen oder anderen Situation, wie zum Beispiel auch im Krankenhaus, halte ich das für sehr sinnvoll", so der FDP-Bundestagsabgeordnete im Deutschlandfunk.
Einschränkungen im medizinischen Bereich überlegenswert
Andreas Gassen, Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, betonte, dass er zwar eine Impfpflicht skeptisch sehe, jedoch Einschränkungen für Beschäftigte im medizinischen Bereich überlegenswert wären. "Es ist allerdings in diesen Bereichen dann problematisch, wenn wir Impfquoten haben, die vielleicht nur bei 60, 70 Prozent liegen. Da muss man sich die Frage wirklich stellen. Das muss man auch diskutieren. Zumindest würde ich das anregen. Das pflegerische Personal, was dann nicht geimpft ist, das kann eigentlich keinen Patientenkontakt haben."
Das mögliche Ampel-Bündnis sucht noch nach Antworten auf diese Fragen. In anderen Ländern hat man sich bereits entschlossen. Nach Frankreich und Italien müssen auch in Österreich Beschäftigte vorweisen, dass sie geimpft, genesen oder getestet sind. Parallel ergreifen manche deutsche Unternehmen offenbar eigene Maßnahmen. Wie mehrere Medien berichten, gibt es bei Bayer, Eon und Alltours Überlegungen, eine 2G-Regelung in den Kantinen greifen zu lassen. Das heißt, Beschäftigte, die genesen und geimpft sind, würden getrennt von den Ungeimpften essen. Wer keine Impfung hat, müsse sich an Hygieneregeln halten, also an Maske und Abstände. Trennwände würden die Personengruppen separieren. Eine Maßnahme, die allerdings die Kooperation der Beschäftigten voraussetzt. Die Unternehmen müssten darauf bauen, dass die Beschäftigten selbst ihren Impfstatus preisgeben.
Mehr Handhabe beim Impfstatus gefordert
In der Regel sind Unternehmen nicht befugt, das abzufragen. Aber es gibt eine aktuelle Ausnahme, die Lohnfortzahlung. "Der größte Teil der Betriebe hat kein Fragerecht, aber das BMG hat klargestellt, das im Zusammenhang mit dem Erstattungsanspruch, mit 56 Infektionsschutzgesetz, der Arbeitgeber ein Fragerecht hat. Das heißt, in diesem Zusammenhang darf der Arbeitgeber nach der Impfung fragen und muss es auch", sagte Carolin Vesper von den Unternehmensverbänden Berlin-Brandenburg dem RBB.
Wer etwa an Corona erkrankt, bekommt zwar weiter Lohnfortzahlung. Leer ausgeht seit gestern allerdings, wer als Ungeimpfter wegen einer Reise oder wegen eines Corona-Kontaktes in Quarantäne kommt, vorausgesetzt er oder sie konnte sich auch impfen lassen beziehungsweise die Impfung wurde empfohlen. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft fordert mehr Handhabe dabei, das Unternehmen den Impfstatus ihrer Beschäftigten erfragen dürfen. Bundesgeschäftsführer Markus Jäger betonte, in vielen Firmen sei die 3G-Regel bereits Realität. Ein gesetzlich geregelter Abfrageanspruch der Arbeitgeber würde Rechtssicherheit schaffen.