Der Teil-Lockdown in Deutschland soll nach einer Beschlussvorlage der Bundesländer bis zum 20. Dezember verlängert und zudem verschärft werden. Darüber hinaus ist eine weitere Verlängerung möglich. Für das Weihnachtsfest gelten aber Ausnahmen bei den Kontaktbeschränkungen. Das Feuerwerk an Silvester soll verboten werden.
Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sagte dazu im Dlf, dass zwar erst am Mittwoch endgültig über die Maßnahmen entschieden werde, wichtig sei aber, dass der Shutdown insbesondere in den Risikogebieten fortgeführt werde.
Maßnahmen an Infektionsgeschehen anpassen
Zwei zusätzliche Wege muss es laut Schwesig dabei geben: 1. Länder, die kein Risikogebiet sind, sollen Maßnahmen lockern können, wenn sie deutlich und dauerhaft unter die Inzidenzzahl von 50 Infektionen (pro 100.000 Einwohnern in den vergangenen sieben Tagen) kommen. 2. Zusätzliche strenge Maßnahmen für Hotspots mit Inzidenzen zum Teil über 250.
Man wolle den Menschen eine Perspektive für Dezember und Januar geben. Diese Monate würden schwierig, man setze deshalb weiter auf strenge Kontaktbeschränkungen. Über die Weihnachtsfeiertage und den Jahreswechsel wolle man die Kontaktbeschränkungen jedoch lockern.
Es brauche weiter bundeseinheitliche Regelungen, "aber es muss auch nach der Inzidenz gehen". Es müsse möglich sein, die Regeln der jeweiligen Infektionslage in den Regionen anzupassen - das gelte auch mit Blick auf die Öffnung der Schulen.
Das Interview im Wortlaut:
Dirk-Oliver Heckmann: Frau Schwesig, die Beschlussvorlage der SPD-Länder ist jetzt bekannt geworden. Können Sie uns bestätigen, die ist mit Ihnen abgestimmt, und was sind Ihre wichtigsten Punkte darin?
Manuela Schwesig: Die Ministerpräsidenten treffen sich ja mit der Kanzlerin am Mittwoch und natürlich gibt es vorbereitende Gespräche. Aber klar ist, dass erst am Mittwoch gemeinsam mit der Kanzlerin endgültig festgelegt wird, wie es im Dezember und Januar weitergeht. Michael Müller hat sich da im Vorfeld um eine breite Abstimmung bemüht. Das ist eine gute Sache, denn wir haben ja bei den letzten Malen gesehen, dass es nicht immer ganz so glatt gelaufen ist.
Wichtig ist dabei, dass wir sehen müssen, der November-Shutdown hat was gebracht, die Zahlen sind gedämpft, aber sie bleiben weiter hoch. Deshalb muss nach Auffassung vieler Länder der November-Shutdown fortgeführt werden, insbesondere in den Risikogebieten. Es muss aber zwei wichtige zusätzliche Dinge geben. Länder, die kein Risikogebiet sind, müssen die Möglichkeit haben, wenn sie sichtbar unter 50 kommen und auch stabil und möglichst dauerhaft, dass sie dann schon Lockerungen machen können. Und wir brauchen zusätzliche Maßnahmen für Hotspots, denn wir haben ja schon Regionen, alleine 24 Kreise, die eine Inzidenz von mehr als 250 haben.
"Für ganz Deutschland muss es weiter strenge Regeln geben"
Heckmann: Welche Verschärfungen stellen Sie sich denn von der SPD-Seite vor?
Schwesig: Die ganze Diskussion, muss man wissen, geht gar nicht so querbeet, ist gar nicht so einseitig, SPD dies, CDU das, sondern wir schauen auf ganz Deutschland und für ganz Deutschland muss es weiter strenge Regeln geben, insbesondere bei den Kontaktbeschränkungen. Unser Ziel ist ja, den Menschen eine Perspektive zu geben, wie geht es im Dezember und Januar weiter, und klar ist, die Wintermonate bleiben weiter schwierig. Deswegen setzen wir weiter auf strenge Kontaktbeschränkungen, wollen aber über die Weihnachtszeit und nach meinen Vorstellungen auch über den Jahreswechsel die Kontakte lockern, weil es muss möglich sein, dass sich die Familien in dieser Ferienzeit auch treffen und besuchen können.
Heckmann: Aber Sie können bestätigen, von SPD-Seite jedenfalls liegt jetzt der Vorschlag auf dem Tisch, die Kontakte auf fünf Personen zu begrenzen?
Schwesig: Das insbesondere in den Bereichen wie gesagt, die noch Risikogebiete sind. Wir müssen die Kontakte im Dezember und im Januar verschärfen, damit wir sie über die Weihnachtszeit und möglichst auch über den Jahreswechsel, wenn ja auch Familien zusammenkommen wollen und sich besuchen wollen, dann auch wieder lockern können.
"Man muss schon darauf schauen, wie stark sind die Infektionszahlen"
Heckmann: Ich höre da heraus, Frau Schwesig, dass Sie als Regierungschefin von Mecklenburg-Vorpommern da aus einer gemeinsamen Linie aussteigen wollen und einen anderen Kurs fahren wollen als der Rest der Republik?
Schwesig: Nein, überhaupt nicht. Es geht um bundesweite einheitliche Regeln. Die müssen aber an der sogenannten Inzidenz, an den Werten von Fällen pro 100.000 Einwohner geknüpft werden. Das sieht ja auch das Bevölkerungsschutzgesetz vor, was durch Bundestag und Bundesrat beschlossen ist, dass man nach Stufen vorgeht, hat man eine 35er-Inzidenz, hat man eine 50er-Inzidenz, und was wir dringend brauchen sind strengere Maßnahmen für sogenannte Hotspots. Das haben ja auch die Ministerpräsidenten bei der letzten Konferenz vorgelegt. Es ist klar, dass wir bundesweit weitere Schutzmaßnahmen für Dezember und Januar brauchen, aber man muss schon darauf schauen, wie stark sind die Infektionszahlen, weil die Menschen müssen ja auch sehen, dass es sich lohnt, wenn sich alle anstrengen, wenn die Zahlen niedrig sind, dass dann hier und da auch schon eine Lockerung möglich ist.
Heckmann: Mecklenburg-Vorpommern weist im Moment eine Infektions-Inzidenz von 46 aus pro 100.000 Einwohner, bezogen auf die letzten sieben Tage. Das ist die aktuelle Zahl von gestern jedenfalls. Rechnen Sie damit, dass ein Großteil der Maßnahmen für ihr Bundesland gar nicht mehr gilt?
Schwesig: Nein, damit rechne ich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht, weil 46 ist noch nicht deutlich genug und dauerhaft unter 50. Aber wenn man zum Beispiel die 35er-Inzidenz erreicht – und das ist ja auch eine, die im Gesetz gilt -, dann müssen Lockerungen schon vorzeitig möglich sein. Ich sage noch mal ganz klar: Wir brauchen bundeseinheitliche Regelungen, aber es muss auch nach der Inzidenz gehen. Es ist gut, dass Mecklenburg-Vorpommern, obwohl wir noch nicht Risikogebiet waren, den November-Shutdown mitgemacht hat, weil nur dadurch haben wir erreicht, dass wir weiter nicht Risikogebiet sind.
"Das Problem ist, dass wir in Deutschland viele Regionen haben, die weit über 50 sind"
Heckmann: Sie legen ja immer wieder Wert, Frau Schwesig, in Ihren letzten Äußerungen in den letzten Wochen und Monaten, dass regional differenziert wird. Aber ist das nicht mit auch das Problem, dass wir bundesweit diese unterschiedlichen Regeln haben und die Menschen diese Regeln deshalb gar nicht für sinnvoll erachten, weil sie mal so sind und mal so?
Schwesig: Nein, überhaupt nicht. Die Regeln müssen gleich sein, aber sie müssen schon danach gehen, wie hoch ist die Infektionslage. Das Problem ist nicht, dass wir wenige Regionen haben, die zum Glück geringe Infektionszahlen haben, sondern das Problem ist, dass wir in Deutschland viele Regionen haben, die weit über 50 sind. Noch mal: 24 Kreise mit einer Inzidenz über 250. Das zeigt ja, dass es Regionen gibt, wo längst die Zahlen durch die Decke gegangen sind. Wenn man in diesen Regionen nicht strenger wird, dann wird es auch deutschlandweit keine besseren Zahlen geben. Deswegen muss man sich auf die Hotspots konzentrieren und nicht auf die Gebiete, wo die Zahlen in Ordnung sind. Natürlich haben wir diese Zahlen auch, weil wir von Anfang an streng und konsequent waren.
Heckmann: Kanzlerin Merkel wollte aber schon vor einer Woche die Kontakte weiter einschränken, eine Maskenpflicht im Unterricht, auch einen Übergang zum Wechselunterricht an den Schulen. Sie, Frau Schwesig, Sie gehörten ja zu denen, die das am letzten Montag strikt abgelehnt haben. Jetzt kommen diese Schritte doch. Müssen Sie der Kanzlerin recht geben, die bisherigen Maßnahmen reichten nicht aus und in der Zwischenzeit ist kostbare Zeit verstrichen?
Schwesig: Nein. Was die Länder vorschlagen ist eine andere Strategie. Wir diskutieren eine Gesamtstrategie. Wir machen Vorschläge, wie geht es für den Dezember und Januar weiter, denn natürlich wollen auch die Branchen wissen, was ist mit uns, bleiben weiter Bereiche dicht, ab wann könnte gelockert werden. All das war letzte Woche gar nicht im Gespräch. Was Frau Merkel vor allem vorgeschlagen hat ist, massive Einschränkungen bei den Schulen. Alles was sich irgendwie gut anhört, wie Wechselmodell, wie Halbierung der Klassen, führt dazu, dass weniger Unterricht in den Schulen stattfindet, und das mag in Hotspots jetzt notwendig sein. Das führt aber dazu, dass es weniger Unterricht in den Schulen gibt, und wir haben versprochen, die Schulen offenzulassen. Ich glaube, dass die Strategie, wie sie Herr Spahn vorschlägt, eigentlich die richtige ist. Wir müssen dort, wo Infektionen auftauchen in den Schulen, möglichst Quarantäne machen, aber sofort testen mit Schnelltests, Antigentests, damit dann wieder Schüler und Lehrer schnell zurück in die Schule können. Das ist der sichere Weg für den Präsenzunterricht. Und ich sage das ganz deutlich: Wir haben in Mecklenburg-Vorpommern nur wenige Schulen, die betroffen sind. Warum sollen alle Kinder dafür eingeschränkt werden? Man muss sich darauf konzentrieren, wo die Infektionen sind, und das ist die bessere Strategie. Wichtig ist aber, dass der Bund überhaupt diese Tests zur Verfügung stellt, und da hätte er schon längst liefern müssen. Da kommt zu wenig.
"Der Staat will nicht vorschreiben, wer mit wem Weihnachten feiert"
Heckmann: Kurz noch zum Schluss, Frau Schwesig. Viele fragen sich, die uns zuhören: Wie wird wohl Weihnachten werden? – Gesundheitsminister Jens Spahn hat gesagt, er könne sich Weihnachten mit mehr als zehn Personen nicht vorstellen, und Friedrich Merz lässt sich zitieren mit dem Satz, den Staat gehe es nichts an, wie er Weihnachten mit seiner Familie verbringe. Hat er recht?
Schwesig: Der Staat will ja nicht vorschreiben, wer mit wem Weihnachten feiert. Es geht nur darum, deutlich zu machen, wir können jetzt schon in dem Bereich, der uns wichtig ist, die Familie, die Freunde, nicht mit vielen Menschen zusammenkommen, weil dort liegen die Infektionen. Das haben wir uns nicht ausgesucht, das ist das Miese und fiese am Corona-Virus, dass das Virus genau da zuschlägt, wo wir mit der Familie, mit den Freunden zusammenkommen, weil da sind wir auch näher zusammen. Deswegen ist klar, dass Kontakte beschränkt bleiben müssen, aber wir wollen sie ja zu Weihnachten lockern, und ich finde es richtig, dass man zu Weihnachten ermöglicht, dass wenigstens zehn Personen zusammenkommen können. Das ist das ausgewogene Mittel, das wir suchen zwischen Schutz der Gesundheit, aber auch Stärkung und Sicherung der Familien und Freundeszusammenhänge.
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