Fünf Jahre Corona
Wie effektiv waren Impfungen und 3G-Regeln?

Um die „Pandemie der Ungeimpften“ zu bekämpfen, verordnete die Politik 2021 die 3G-Regeln. Ungeimpfte benötigten im ÖPNV, auf Veranstaltungen und am Arbeitsplatz einen negativen Coronatest. Was hat das gebracht?

Von Volkart Wildermuth |
    Tafel mit der Aufschrift "Hier gilt 3G+: genesen, geimpft, (PCR) getestet" vor einem Café als Schutzmaßnahme gegen die weitere Verbreitung des Coronavirus
    Geimpft, genesen, getestet: Im Kampf gegen die Corona-Pandemie verordnete die Politik die 3G-Regeln (picture alliance / CHROMORANGE / Michael Bihlmayer)
    Im Herbst 2021 mussten die Intensivstationen in Deutschland mehr als 4.000 Patienten mit einer Coronainfektion versorgen. Bayern, Thüringen und Sachsen verlegten sogar Patienten in andere Bundesländer, weil es einfach keine Kapazitäten mehr gab. Die Delta-Variante von SARS-CoV-2 löste besonders häufig schwere Verläufe aus. Nicht nur bei den Älteren, sondern auch bei jüngeren Patienten.
    Zu diesem Zeitpunkt waren etwa zwei Drittel der deutschen Bevölkerung vollständig geimpft. Aber während die Infektionszahlen steil anstiegen, blieben die Impfzentren vergleichsweise leer. Die Situation wurde als so dramatisch angesehen, dass ein weiterer Lockdown im Raum stand.

    Inhalt

    War Corona eine "Pandemie der Ungeimpften"?

    Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn war klar, wer vor allem für die Überlastung der Intensivstationen verantwortlich ist: Er sprach immer wieder von einer „Pandemie der Ungeimpften“. Die Formulierung ist inzwischen berühmt-berüchtigt. Auch weil in einem Kurzprotokoll einer Sitzung des Robert-Koch-Institutes (RKI) zu lesen ist: "aus fachlicher Sicht nicht korrekt, Gesamtbevölkerung trägt bei".
    Tatsächlich gibt es Argumente für beide Sichtweisen. Wer geimpft war, hatte einen guten Schutz vor schweren Verläufen. Deshalb kämpften die Ärztinnen und Ärzte auf den Intensivstationen vor allem um das Leben von ungeimpften Patienten. Andererseits konnte die Impfung nur für wenige Wochen wirksam vor einer Ansteckung schützen. Und das heißt, am Anstieg der Infektionszahlen waren auch geimpfte Personen beteiligt.

    Wie wirksam waren die 3G-Regeln?

    Trotz der zum Teil drastischen Wortwahl bewirkten die Appelle der Politik wenig. Bei einer der regelmäßigen Videoschaltkonferenzen eröffneten deshalb die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten im August 2021 den Ländern die Möglichkeit, 3G-Regeln zu erlassen. Nur Geimpfte, Genesene oder frisch Getestete hatten Zugang zu Restaurant oder Kino, Friseur oder Altenheim. Im November verabschiedeten Bundestag und Bundesrat Neuregelungen für das Infektionsschutzgesetz, die 3G auch am Arbeitsplatz vorsahen.
    Die 3G-Regeln zeigten tatsächlich Wirkung. Die Zahl der täglichen Impfungen stieg kurzfristig auf neue Höchstwerte an. Das kann man auf dem Impfdashboard deutlich sehen. Trotzdem bleibt die Impfquote mit 76 Prozent unter den für notwendig erachteten Werten.

    Welche Reaktionen gab es auf die Maßnahmen?

    Bis heute sind die 3G-Regeln umstritten. Zumal der Druck auf die Ungeimpften zusätzlich erhöht wurde. So lief die Regelung zu den Bürgertests aus, sie mussten die Tests also selbst bezahlen. In einigen Bundesländern waren zudem 2G-Regeln in Kraft, bei denen auch ein negativer Test nicht länger zum Beispiel zum Besuch eines Warenhauses berechtigte. Ungeimpfte wurden so noch mehr vom öffentlichen Leben ausgeschlossen.
    In Teilen der Bevölkerung verstärkte das den Unmut über die Coronapolitik, es kam verstärkt zu Demonstrationen. Zum Teil waren auf Plakaten Galgen mit der Bundeskanzlerin oder dem Bundesgesundheitsminister zu sehen.
    Der Berliner Politologe Wolfgang Merkel kritisiert, dass im Herbst 2021 selbst große Teile der Opposition alle Einschränkungen mittrugen. Kritische Stimmen wurden so auf die Straße gedrängt und fanden nur bei rechten Parteien Gehör. Die Folgen seien bis heute spürbar. Es gibt aber auch eine andere Sichtweise auf die 3G-Regeln.
    Der Deutsche Ethikrat hat sich in mehreren Stellungnahmen mit dem Thema Impfpflicht beschäftigt. Er betont, dass der Blick nur auf die Einschränkungen für die Ungeimpften zu kurz greift. Denn die 3G-Regeln eröffneten gleichzeitig vielen anderen neue Freiräume. Sie konnten sich in der Öffentlichkeit bewegen und sicher sein, dass alle um sie herum entweder geimpft, genesen oder getestet waren. Auch die vielen verschobenen Operationen und Behandlungen aufgrund der Überlastung der Klinken stellten für die Betroffenen eine Freiheitseinschränkung dar, die mit 3G gemildert werden sollte.

    Was führte zum Wendepunkt in der Pandemie?

    Im Rückblick gibt es für beide Bewertungen der 3G-Regeln Argumente. Letztlich lässt sich ihre Bedeutung aber kaum beurteilen. Denn am Ende haben nicht die Maßnahmen der Politik die entscheidende Wende herbeigeführt, sondern die Evolution des Coronavirus selbst. Anfang 2022 lag die 7-Tage-Inzidenz bei über 1.000 Fällen pro 100.000 Personen und damit so hoch wie nie zuvor. Gleichzeitig begannen sich die Intensivstationen langsam wieder zu leeren.
    Die mildere Omikron-Variante und die steigende Immunität der Bevölkerung durch Impfungen und Infektionen entkoppelte die Infektionen von den schweren Verläufen. SARS-CoV-2 war immer noch ein gefährliches Virus, die Coronapandemie noch nicht vorbei, aber ihr Höhepunkt war in Deutschland überschritten.