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Corona-Pandemie
Schuldenerleichterung für Afrika? Nein, danke!

Die wirtschaftlichen Belastungen der Corona-Pandemie bringen viele afrikanische Länder an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Die von der G20 angebotenen Kredithilfen lehnen Staaten wie Kenia bislang ab. Sie wollen eine andere Form der Unterstützung.

Von Bettina Rühl |
Straßenszene am 8. April 2020 in Nairobi, Kenia, inmitten der weltweiten Covid-19-Pandemie
Land im Krisenmodus - Kenia leidet massiv unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise (picture alliance / SOPA Images / ZUMA Wire / Boniface Muthoni)
Er ist viel besser als befürchtet, der bisherige Verlauf der Corona-Pandemie auf dem afrikanischen Kontinent. Die bekannten Fallzahlen haben erst vor einigen Tagen die Millionen-Marke überschritten. Und nach allem was man weiß, sind allein in New York bereits deutlich mehr Menschen an Covid-19 gestorben, als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Trotzdem ist die wirtschaftliche Lage dramatisch. David Beasley, der Exekutivdirektor des Welternährungsprogramms, warnte Ende April vor dem UN-Sicherheitsrat:
"Es besteht die reale Gefahr, dass vielleicht mehr Menschen an den wirtschaftlichen Auswirkungen von COVID-19 sterben könnten als am Virus selbst. Deshalb spreche ich von einer Hungerpandemie."
Angst vor dem Urteil der Märkte
Der Grund: der Absturz der Wirtschaft infolge der Pandemie. Die Weltbank warnte davor, dass der Kontinent in seine erste Rezession seit 25 Jahren rutschen könnte - und forderte Erleichterungen bei der Rückzahlung von Krediten. Noch deutlicher wurde die Afrikanische Union. Sie verlangte, dass Auslandsschulden afrikanischer Staaten gestrichen würden, um Geld für den Kampf gegen Covid-19 freizusetzen. Auslandsschulden, weil Inlandsschulden kommerzielle Darlehen sind. Darüber können andere Staaten nicht entscheiden. Und die Geldgeber reagierten: Der Internationale Währungsfonds gewährt den ärmsten Ländern Erleichterungen, viele davon liegen auf dem afrikanischen Kontinent. Die G20, also die 20 reichsten Länder der Welt, wollten bis zum Ende des Jahres Zinszahlungen in Milliardenhöhe aussetzen. Aber: Bis Anfang August haben nur 28 Länder das Angebot angenommen. Auch das hoch verschuldete Kenia nicht. Den Grund dafür erklärte Finanzminister Ukur Yatani im Interview mit Reuters:
"Hätten wir die Initiative der G20 angenommen, würde das als erheblicher Verstoß gegen unsere Zahlungsverpflichtungen gewertet. Das würde uns den Zugang zu anderen Gebern auf dem Kreditmarkt versperren."
Denn Ratingagenturen könnten die Kreditwürdigkeit dieser Länder weiter herabsetzen. Vielen geben die Agenturen jetzt schon ein "mangelhaft", bis zum Ramsch ist es nicht weit. Hinzu kommt: die Initiative der G20 deckt nur bilaterale Schulden ab. Private Kredite, die auf dem kommerziellen Markt aufgenommen wurden, fallen also sowieso nicht darunter. In Kenias Fall machen sie ein Drittel aller Verbindlichkeiten aus. Die Regierung muss also jede Menge Löcher stopfen.
Im Juni wandte sich Präsident Uhuru Kenyatta an China, die Ansprache wurde im kenianischen Fernsehen übertragen. Kenyatta will Schuldenerleichterungen, aber ohne ein downgrading seines Landes zu riskieren.
"Ich danke Ihnen, Präsident Xi, dass sie sich der G20 - Initiative angeschlossen haben, um die ärmsten Ländern im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu unterstützen. Aber angesichts des Ausmaßes, in dem das Virus unsre Wirtschaft getroffen hat, möchte ich China bitten, noch mehr Schuldenerleichterungen anzubieten, und auch Handelsvorteile für afrikanische Länder zu erwägen. Das alles, damit die afrikanischen Staaten für ihre wirtschaftliche Erholung genug Luft zum Atmen haben.
"Auch mit den anderen Gläubigern - darunter der EU, Deutschland und Japan - möchte Kenia bilateral den Aufschub von Zahlungen vereinbaren. Der kenianische Finanzberater Aly-Khan Satchu hört diese Appelle allerdings mit größter Skepsis.
"Ich finde, die G20 haben ein faires Angebot gemacht: Schuldenerleichterungen gegen eine genauere Prüfung, wo die Gelder eingesetzt werden. In unsrer gegenwärtigen Situation ist das absolut angemessen. Die Länder, die die G20-Initiative nicht angenommen haben, wollen diese zusätzlichen Finanzprüfungen vermeiden. Sie wollen so weitermachen wie bisher. Aber das hat uns in die Lage gebracht, in der wir sind. Und täuschen wir uns nicht: Unsere Situation ist apokalyptisch."
Droht das gleiche Schicksal wie im Libanon?
Kenia und andere afrikanische Staaten waren schon vor dem Beginn der Corona-Pandemie überschuldet. Laut Aly-Khan haben viele Länder ihre Auslandsschulden innerhalb von nur vier Jahren verdoppelt. Kenia muss fast 70 Prozent seines Bruttoinlandsproduktes für Zinsen und die Abzahlung von Schulden aufbringen - wirtschaftlich eine katastrophale Situation, die sich mit einer leichten, weiteren Abwertung des Shillings über Nacht noch deutlich verschärfen könnte.
Aly-Khan hat keinerlei Verständnis für den hohen Schuldenstand. Den größten Einzelposten, bis zu fünf Milliarden Dollar, gab Kenia für eine neue Eisenbahn aus, die monatlich ein Minus einfährt und deren Schienen buchstäblich im Nichts enden. Deshalb meint er: Auch ohne Corona wäre die Wirtschaft bald kollabiert. Die Pandemie habe das Unausweichliche nur beschleunigt. Entsprechend düster sind seine Erwartungen für die Zukunft - für Kenia und andere hoch verschuldete Staaten, in denen die Elite das Geld hemmungslos verschleudert.
"Hier wird dasselbe passieren, wie im Libanon - ich habe die Ereignisse dort verfolgt. Es gibt eine Regierung, die den Ernst der Lage nicht versteht. Und aufgrund der Wirtschaftslage verlieren die Ersparnisse der Bürger ihren Wert, weil die Währung verfällt. Libanon ist für mich ein Vorbote."