Das schönste Impfzentrum der Welt – es steht momentan in Dortmund. So heißt es zumindest auf der Website des Dortmunder Fußball-Bundesligisten Borussia. Zehn Tage lang konnten sich Fans in den vergangenen Wochen nämlich im Stadion impfen lassen – der BVB ist damit einer von insgesamt 107 Klubs aus den vier größten deutschen Profi-Ligen im Handball, Basketball, Eishockey und Fußball, der eine solche Impfaktion startet.
"Die Fans die sich für eine Impfung angemeldet haben, kommen zum Stadion und werden dort vom Ordnungsteam reingelassen", erklärt Björn Hegemann, Fan-Koordinator beim BVB und Hauptorganisator der Kampagne. "Und dann ist es wie in jedem anderen Impfzentrum auch, die Menschen werden geimpft, gehen dann in einen anderen Wartebereich, um dann das Impfzentrum in dem Sinne wieder zu verlassen, und haben dann das Angebot, direkt einen Stadionspaziergang zu machen, kostenlos für alle, die sich impfen haben lassen."
2200 Impfungen in zehn Tagen
Es sind diese speziellen Anreize, die der Impfmüdigkeit von Fußballfans entgegenwirken sollen. Anreize, die durchaus funktionieren, sagt Hegemann. Allein in den zehn Tagen hätten sich über 2.200 Menschen im Dortmunder Stadion impfen lassen.
"Viele Menschen, die sich hier im Stadion impfen lassen, sind relativ selten in Dortmund oder auch relativ selten im Stadion. Das heißt, diese Menschen haben auch dann mal bewusst die Gelegenheit genutzt, mal einen kostenlosen Stadionbesuch mitnehmen zu können oder ein Foto mit dem DFB-Pokal machen zu können." In Kooperation mit der Stadt Dortmund und der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe will man auch in Zukunft weitere Impfaktionen starten.
Impftrucks vor dem Stadion
Vorbilder dafür gibt es momentan unter anderem in der 2. Bundesliga: Bei Heimspielen des FC Schalke 04 oder Werder Bremen stehen Impftrucks vor den Stadien - für Dr. Frank Renken, den Leiter des Gesundheitsamtes in Dortmund, ist das genau der richtige Weg. "Wir erreichen dort vor den Fußballstadien die Gruppe jüngerer Menschen. Bei jüngeren Menschen scheint es so zu sein, dass der Gedanke 'Ich bin ja nicht besonders gefährdet', der in der Theorie ja auch richtig ist, also allgemein ist es ja so, dass jüngere Menschen nicht so schwer erkranken, dass das dazu führt, dass wir in dieser Gruppe gerade eine sehr schlechte Impfquote haben."
In Thüringen ist die Impfquote nicht nur in der jüngeren Altersgruppe niedrig. Gerade mal etwas mehr als die Hälfte aller Impfberechtigten haben sich bisher für eine Impfung entschieden, ein großer Teil der Bevölkerung steht einer Impfung bisher noch skeptisch gegenüber.
"Nichtsdestotrotz sind auch bei uns Fans, die sich nicht impfen lassen möchten, und die werden wir auch nicht erreichen", sagt Chris Förster. Er ist Geschäftsführer von Regionalligist Carl Zeiss Jena, die in der Hinrunde mit der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen als Hauptsponsor auf den Trikots aufläuft und ebenfalls bei Heimspielen Impfungen anbietet. "Das ist auch nicht unbedingt die Zielgruppe. Die Zielgruppe sind die Unentschlossenen, denen ein niedrigschwelliges Angebot zu machen und vielleicht als Vorbild voranzugehen und den ein oder anderen zu bewegen, sich doch impfen zu lassen."
"Nur durch hohe Impfquote möglich, Stadien dauerhaft zu öffnen"
Beim ersten Saison-Heimspiel des Viertligisten Ende Juli hätten rund 20 Menschen das Impfangebot im Stadion angenommen. Eine Zahl, die im Laufe der Hinrunde wohl noch steigen wird. "Für uns ist es sehr wichtig, weil wir glauben, dass es nur durch eine hohe Impfquote schlussendlich dauerhaft möglich sein wird, die Stadien zu öffnen und dann vielleicht auch mehr Zuschauer wie jetzt aktuell wieder ins Stadion lassen zu können. Und je besser das verstanden wird und je mehr Leute sich dafür entscheiden, desto besser wird es."
Der Sport müsse gerade in diesen Zeiten mit gutem Vorbild vorangehen, auch die Spieler und Betreunden in Jena hätten sich deshalb bereitwillig geimpft, sagt Förster. Ähnlich sieht man das beim Bundesligisten in Dortmund: In Pandemie-Zeiten genießt der Profi-Fußball in Deutschland eine Sonderstellung, der Spielbetrieb in den obersten Ligen durfte auch während der dritten Welle fortgesetzt werden.
"Fußball hat eine gewisse Verantwortung übernommen"
"Das ist der Benefit, den der bezahlte Fußball in dieser Pandemie gehabt hat", sagt Frank Reuken vom Dortmunder Gesundheitsamt. "Wenn man das ins Auge nimmt und berücksichtigt, dann sage ich, ist es auch nicht verkehrt zu sagen, dass der Fußball damit auch eine gewisse Verantwortung übernommen hat. Er profitiert, weil man ihn etwas machen lässt. Und wenn man jetzt sagt: 'Was kriegen wir als Gegenleistung?' Da finde ich es vorbildlich, dass einige Vereine jetzt vorgegangen sind und gesagt haben: Wir sehen es auch in unserer Verantwortung, für Impfungen einzustehen."
Dass einzelne ungeimpfte Spieler in der 1. Und 2. Bundesliga auch jetzt noch positiv auf Corona getestet werden, sieht Renken als problematisch an. "In dem Zusammenhang, über den wir gerade sprechen, nutzen wir natürlich die Popularität von Fußballspielern oder Vereinen dafür, die Entscheidung in eine Richtung zu befördern. Da muss es einen nicht wundern, dass wenn im Einzelfall dort ein Verhalten anders ist, man damit auch das genaue Gegenteil erreichen kann."
90 Prozent Impfquote beim BVB
Die Impfbereitschaft im Profi-Fußball sei aber generell größer als in der Bevölkerung. Bei Borussia Dortmund haben beispielsweise schon über 90 Prozent aller Spieler und Betreuenden mindestens eine Impfung erhalten. "Wenn sich in der Bevölkerung so viele hätten impfen lassen, wie es zum Beispiel beim BVB der Fall ist, dann hätten wir gar kein Problem mehr. Wir würden gar nicht mehr über Einschränkungen reden und das Gute daran wäre: Ende September oder Anfang Oktober wären wir bei der benötigten Impfquote von über 80 Prozent. Die werden wir allerdings niemals schaffen, nicht einmal mit all den Aktivitäten, die wir jetzt ins Leben rufen."
Und trotzdem: Von Impfaktionen wie in Dortmund oder Jena profitieren schlussendlich alle Parteien, meint Björn Hegemann vom BVB. "Die Stadt Dortmund profitiert davon, die KVWL profitiert davon, wir profitieren natürlich auch davon, aber am Ende sind diejenigen, die davon profitieren natürlich vor allem die Menschen, die weitere Möglichkeiten haben, sich impfen zu lassen und dementsprechend hoffentlich alle dazu beitragen, dass wir dann in ein paar Monaten vielleicht auch wieder ein Stück weit Normalität in unserem alltäglichen Leben sehen werden."