Der Regensburger Psychologie-Professor Christof Kuhbandner sieht sich als Opfer studentischer "Cancel Culture". "Nur weil man praktisch wissenschaftliche Corona-Studien methodenkritisch hinterfragt, wird man hier… oder läuft Gefahr, öffentlich für seine Lehre diskreditiert zu werden."
Kuhbandner gibt derzeit an der Universität Regensburg ein Online-Seminar zu experimenteller Kognitions-Psychologie. Darin geht es auch um das Milgram-Experiment, bei dem in den 60er-Jahren Versuchsleiter ihre Test-Teilnehmer mit Stromstößen quälten, wenn es ihnen befohlen wurde. Kuhbandner verglich das mit der aktuellen Corona-Situation. Mindestens zwei Studentinnen hielten diese Analogie für grob unpassend. Eine davon wandte sich an den Deutschlandfunk.
"Professor Kuhbandner hat in seinem Seminar einen Zusammenhang hergestellt zwischen dem Milgram-Experiment einerseits und der Durchsetzung der Corona-Maßnahmen in Schulen durch Lehrerinnen und Lehrer andererseits. Die ausführenden Personen wären hier die indoktrinierten Lehrerinnen und Lehrer, die auf Anweisung von oben die Maskenpflicht und das Abstandhalten bei den Schülerinnen und Schülern durchsetzen, obwohl diese erheblich darunter leiden."
Verweis auf unwissenschaftliche Quellen
Die Psychologie-Studentin, deren Aussagen der Deutschlandfunk auf ihre Bitte hin nachvertont hat, wirft ihrem Professor vor, Corona zu verharmlosen. Er habe unwissenschaftliche Quellen wie den umstrittenen Querdenker Boris Reitschuster und dubiose Telegram-Kanäle zitiert. Außerdem habe er den Seminar-Teilnehmern die Hausaufgabe gestellt, methodische Fehler in einer Corona-Studie des Virologen Christian Drosten zu finden.
"Natürlich dürfen Dozierende Forschungsergebnisse kritisieren. Allerdings war Prof. Kuhbandners Kritik zum einen eher emotional als sachlich formuliert. Zum anderen hat er Gegenpositionen nicht ausreichend in seinen Unterricht miteinbezogen. Er hat seine privat-persönliche Meinung nicht als solche gekennzeichnet, sondern als erwiesen dargestellt."
Kuhbandner weist das im Interview mit dem Deutschlandfunk zurück. Aus seiner Ablehnung der Maskenpflicht und des Abstandsgebotes macht er kein Hehl. Er hält die Covid-Gefahr für überschätzt und fragt mehr oder weniger rhetorisch, ob Corona tatsächlich gefährlicher sei als Grippe. Er kritisiert auch das Robert-Koch-Institut (RKI), das in der Wissenschaftsszene weltweit einen guten Ruf genießt. Der Regensburger Psychologie-Professor aber behauptet, ″dass die vom RKI erhobenen Zahlen so diagnostisch unzuverlässig sind, dass man diese Frage gar nicht valide beantworten kann."
Kuhbandner zweifelt auch daran, dass Corona in Deutschland eine Übersterblichkeit verursacht habe. Er beruft sich dabei auf eine Münchner Studie, die zeige, ″dass hier, wenn man Bevölkerungswachstum und die Verschiebung der Alterspyramide einrechnet – wie man es machen muss -, dass dann tatsächlich keine Übersterblichkeit im Jahr 2020 zu beobachten war."
"Ihm muss klar gewesen sein, wie manipulativ seine Aussagen waren.″
Dass eine überwältigende Mehrzahl von Wissenschaftlern das anders sieht, ficht den Psychologen nicht an. Kuhbandner sagt, er sei eingeladen worden, seine Thesen auf Anti-Corona-Demonstrationen vorzutragen. Zwar habe er das bisher abgelehnt, ″aber zum einen finde ich es tatsächlich ein bisschen schade, weil ich dann wirklich glaubwürdige Anfragen aus der Querdenker-Ecke kriege, zum Beispiel: ‚Wollen Sie auf einer Veranstaltung in Regensburg sprechen? Ich versichere Ihnen, wir sind nicht so, wie es hier oft rüberkommt!‘ Wenn das stimmen sollte, wäre es natürlich schade."
Die Regensburger Psychologie-Studentin, die sich an den Deutschlandfunk gewandt hat, hält solche Aussagen für alarmierend. "Ihm muss klar gewesen sein, wie manipulativ seine Aussagen waren. Das hat mich erschüttert."
Der Präsident der Uni Regensburg, Prof. Udo Hebel, äußert sich nicht zum Fall Kuhbandner. Für ein Interview mit dem Deutschlandfunk, so Hebel, habe er in den nächsten Wochen leider keine Zeit. Die Bitte um eine schriftliche Stellungnahme zu den Fragen des Deutschlandfunks blieb unbeantwortet. Auf der Homepage der Universität findet sich lediglich ein zwei Monate altes, allgemein gehaltenes Statement. Dort schreibt Hebel, ″dass Äußerungen aus der Mitgliedschaft der Universität Regensburg heraus der Verantwortlichkeit und Wissenschaftlichkeit stets gerecht werden müssen."
Wissenschaftlicher Mitarbeiter wirft Bundesregierung ″Totalitarismus″ vor
Die Universitätsleitung, so Hebel weiter, setze sich für die Einhaltung der gültigen Infektionsschutzmaßnahmen ein. Den Namen Kuhbandner erwähnt der Präsident nicht. Auch nicht den von Dr. Martin Heuser, einem wissenschaftlichen Mitarbeiter der juristischen Fakultät der Universität Regensburg. Heuser lässt auf der Internetseite "Achse des Guten" in einem wortreich ausufernden Gastbeitrag vom 4.11.2020 seiner Anti-Corona-Wut auf Politik und Regierung freien Lauf. Er wirft der Bundesregierung beispielsweise "Totalitarismus" vor und schwadroniert, die Politik greife zu "asozialen massenhygienischen Mittel[n] zur Aufhebung des bürgerlichen Lebens".
Auch Heuser lehnt eine Interviewanfrage des Deutschlandfunks ab. Als Beleg für seine Verschwörungsthese, dass die Corona-Maßnahmen "bar jeder belastbaren Tatsachengrundlage" stattfänden, verlinkt Heuser auf einen Internetbeitrag von Prof.Kuhbandner. Der sagt, er habe die Kritik an seiner Seminarführung mit den Teilnehmern besprochen und versichert, ″dass ich niemals Studierenden meine persönliche Sichtweise aufdrücken würde."