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Corona-Projekt in Niedersachsen
Studierende helfen beim Onlineunterricht

Die COVID-19-Pandemie zwingt auch Lehramtsstudierende ins Homeoffice. Eine Initiative aus Niedersachsen setzt sie nun gezielt dazu ein, an Schulen den Onlineunterricht zu unterstützen. Das Lernen via Internet soll mehr als nur eine Notlösung sein.

Von Alexander Budde |
Eine Schülerin sitzt mit Lernmaterialien vor einem Computer, auf dem Lernsoftware läuft.
Studierende unterstützen beim Onlineunterricht (imago/epd-bild/Anke Bingel)
Pernilla Rösch studiert an der Leibniz-Universität Hannover im Master Lehramt Gymnasium. An diesem Abend widmet sie ihre Videokonferenz den sprachlichen Finessen in einem Gedicht von Bertolt Brecht.
Auf der Plattform Zoom lässt sich der Bildschirm teilen: Da ist ein Fenster mit dem Text, um den sich allerhand knifflige Fragen ranken. Und da sind Dona und Dena, die gebannt in ihre Kameras blinzeln. Wegen der Coronapandemie werden die Zehntklässlerinnen frühestens Ende des Monats wieder Präsenzunterricht erleben. Die beiden stammen ursprünglich aus dem Iran - an ihrer Gesamtschule Pattensen besuchen sie den Kurs Deutsch als Fremdsprache. "Da waren sie auch schon ganz begeistert, wie man in 45 Minuten ein Gedicht schreiben kann."
27.04.2020, Bayern, Unterhaching: Schüler und Schülerinnen einer 12. Klasse des Lise-Meitner-Gymnasiums nehmen am Unterricht teil und tragen Mundschutze.
Probleme mit Homeschooling - "Schule ist ein Lebensraum"
Homeschooling ersetze nicht den Lebensraum Schule, sagte Johanna Börgermann, Schülerin im Vorstand der Landesschülervertretung NRW, im Dlf. Gerade für leistungsschwache Schüler fehlten die Lehrkräfte, die vor Ort helfen könnten. Viele Schüler fühlten sich überdies von der Politik nicht gehört.
Pernilla Rösch, selbst ins Homeoffice verbannt, hält per E-Mail Kontakt mit der Klassenlehrerin. Sie kann die Ressourcen der Schule nutzen. Das Online-Lernen ist weit mehr als nur eine Notlösung für den erzwungenen Stillstand des Regelbetriebs, betont sie. Ihre Schülerinnen, berichtet Rösch, bereiten sich intensiv auf die regelmäßigen Sitzungen vor, stellen zielgerichtet Fragen:
"Es sollte viel mehr Online-Unterricht auch angeboten werden oder darauf zurückgegriffen werden. Gerade bei Schülern, die es nicht so einfach haben, die vielleicht auch Lernschwierigkeiten haben, die etwas länger brauchen, da noch mal für Fragen zur Verfügung zu stehen."
Etwa 100 Studierende haben sich der Initiative angeschlossen
Momentan haben sich rund 100 Studierende der Leibniz-Universität der Initiative angeschlossen. 36 Lehrkräfte an 24 Schulen machen – Stand heute – mit. Wo sich der Bedarf mit der Expertise der Freiwilligen deckt, entstehen Teams auf Augenhöhe.
"Ausschlaggebende Idee war eigentlich, OK, wie können wir das auffangen, dass unsere Studierenden jetzt eben nicht ihre Praxiserfahrung machen können. Wir wollen natürlich nicht, dass das bis ans Ende des Studiums die Praxiserfahrung rückt, sondern man sich eben inmitten des Studiums auch eben ausprobieren kann", erläutert Alexandra Krüger, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Leibniz School of Education, hier wird die Lehrerbildung koordiniert.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
"Die unterstützen dann zum Beispiel in der Aufbereitung von Unterrichtsmaterialien, die sonst in Präsenz einfach vielleicht zu erklären sind. Aber wenn die Schüler das alleine zu Hause bearbeiten, dann eben doch anders aufbereitet sein müssen. Dann gibt es auch Schüler, die besonderen Unterstützungsbedarf haben, weil sie vielleicht ihr eigenes Lernen zu Hause nicht gut strukturieren können."
Informatikstudierende der Leibniz-Uni bieten technische Beratung, wo sich Schulen von gleich auf jetzt umstellen, zusätzliche Computer, Server und E-Mail-Konten einrichten.
"Ich finde diese Initiative großartig" Rudolph Kleine-Huster unterrichtet Mathematik in den Sprachlernklassen der IGS Kronsberg. An der Schule gibt es schon länger Erfahrung mit Online-Unterricht.
Die Sache mit den "Abgetauchten"
Fortbildungen sind das Gebot der Stunde - doch da sind noch andere Sorgen, deutet Kleine-Huster an: "Ein großes Thema ist bei uns, wir nennen es abgetauchte Schülerinnen und Schüler, diejenigen, die wir durch Homeschooling nicht erreichen, die sich in der Videokonferenz nicht melden, die wir auch bei Hausbesuchen hier und da nicht erreichen. Und da haben wir so eine Arbeitsgruppe gegründet, die bewusst dem halt nachgeht, dass kein Kind durch die Maschen fällt."
Interaktive Karte mit COVID-19-Statistiken vom Zentrum für Systemwissenschaft und Systemtechnik der Johns Hopkins University in Baltimore
Coronavirus - Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
Im Coronavirus-Zeitalter sind wir alle zahlensüchtig: Wie viele gemeldete Coronavirusfälle gibt es in Deutschland? Verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus, wie entwickeln sich die Fallzahlen international? Wie die Zahlen zu bewerten sind – ein Überblick.
Beschleunigte Digitalisierung auch an der Uni selbst: Alexandra Krüger weiß von überforderten Dozenten und technisch limitierten Online-Seminaren zu berichten – doch die Projektleiterin sieht auch viel Solidarität und Vernetzung in der Krise.
"In Hannover haben wir ein sehr breites Angebot durch den E-Learning-Service. Oder auch durch bestimmte Institute, die da ganz viele Angebote haben. Da geht es ganz viel darum, dass die Studierenden Seminare besuchen können, wie sie zum Beispiel Smartboards benutzen oder wie sie ein Tablet gut in den Unterricht einbeziehen. Bis das in der Schule ankommt, was die Studierenden jetzt lernen, dauert es natürlich seine Zeit, aber ich denke, die Studierenden sind da echt gut aufgestellt, wenn sie die Angebote an der Uni auch nutzen."