Corona-Tracing-App
So funktioniert die deutsche Corona-Warn-App

Die offizielle Corona-Warn-App der Bundesregierung ist auf dem Markt. Sie soll Nutzer frühzeitig über einen Kontakt zu einem Infizierten informieren und helfen, Infektionsketten zurückzuverfolgen. Experten bewerten die App überwiegend positiv - aber es gibt auch Kritikpunkte. Ein Überblick.

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    Nach monatelanger Entwicklung ist nun die deutsche Corona-Warn-App auf dem Markt (picture alliance/Stefan Jaitner/dpa)

    Wie funktioniert die deutsche Corona-Warn-App?
    Die App registriert andere Smartphones, auf denen die App ebenfalls installiert ist, wenn sich diese zu nahe kommen. Dabei tauschen die Geräte anonymisierte Kontakt-IDs aus. Diese werden dezentral auf den jeweiligen Handys gespeichert. Zentral abgelegt wird nur eine Liste mit den anonymisierten Kontakt-IDs - auf diese greift die App in regelmäßigen Abständen zu, um mögliche problematische Kontakte zu identifizieren. Um das Erstellen von Bewegungsprofilen weitestgehend auszuschließen, werden die Kontakt-IDs regelmäßig geändert.
    Einem Nutzer, der positiv auf COVID-19 getest wird, bleibt es selbst überlassen, ob er das Testergebnis über die App teilt. Tut er das, sendet die App eine Liste mit den eigenen gesendeten Kontakt-IDs inklusive der Zeitangabe, in der diese gültig waren, sowie ein Bestätigungs-Code an den zentralen Server. Identifiziert die App eines anderen Nutzers beim regelmäßigen Abgleich der gespeicherten Fremd-IDs mit dem zentralen Server, dass eine dieser IDs einen Positiv-Test meldet, schlägt sie Alarm.
    Eine junge Frau mit Mund-Nasen-Behelfs-Schutz schaut in einer Fußgängerzone auf ihr Handy.
    Warum die Entwicklung der Corona-App so lange gedauert hat
    Deutschland bekommt eine Corona-Warn-App, mit der unwissentliche Kontakte zu Infizierten nachverfolgt werden können. Doch es gab viele Hindernisse.
    Wie sollen Falschmeldungen vermieden werden?
    Ein App-Nutzer kann immer selbst entscheiden, ob er eine Infektion über die App meldet. Um einen positiven Test zu melden, ist ein von einem Testlabor generierter QR-Code oder eine Authentifizierungs-TAN notwendig. So soll verhindert werden, dass jemand - unbewusst oder absichtlich - ein falsch-positives Testergebnis verbreitet.
    Wie sollte man sich nach einer Warnmeldung verhalten?
    Wer eine Warnmeldung erhält, sollte erst einmal Kontakte vermeiden und sich bei seinem Hausarzt, der Hotline 116 117 oder dem Gesundheitsamt melden. Im Gespräch muss dann geklärt werden, ob eine realistische Übertragungsmöglichkeit bestanden hat. Allerdings dürfte das in den meisten Fällen schwierig werden, weil die App aus Datenschutzgründen nicht verrät, wo der Kontakt stattgefunden hat. Letztlich muss in jedem Einzellfall entschieden werden, ob es sinnvoll ist, einen COVID-19-Test durchzuführen.
    Aktuell sind in Deutschland weniger als ein Prozent der COVID-19-Tests positiv. Wenn die App funktioniert und tatsächlich relevante Kontakte meldet, könnte diese Rate steigen. Aber auch dann werden die meisten Tests negativ bleiben. Für Panik besteht also bei einer Warnmeldung kein Anlass.
    Was sagen Experten zu der App?
    Unterm Strich gibt es bereits vor dem Start positive Rückmeldungen. Zum Beispiel vom TÜV-IT, der die App auf Schwachstellen geprüft hat. Geschäftsführer Dirk Kretzschmar sagte:"Wir haben jeden Tag eine neue Version dieser Applikation bekommen. Es sind alle von uns gefundenen Schwachstellen gelöst worden. Und somit können wir eigentlich guten Gewissens auch ein gutes Urteil über diese App sagen."
    Auch der Chaos Computer Club (CCC) sieht wesentliche Forderungen wie Datensparsamkeit, Anonymität und Offenlegung des Quellcodes erfüllt. CCC-Sprecher Linus Neumann sagte: "Hier wurde den Risiken von vorneherein so gut wie möglich begegnet, dank unserer Empfehlungen, so dass das Schadenspotenzial so gering ist, dass ich vorsichtig schätzen würde, dass Nutzerinnen und Nutzer, die vielleicht WhatsApp, Facebook und Google nutzen, diese App als ihre sekundäre Sorge einsortieren können."
    Coronavirus
    Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)
    Welche Kritik gibt es noch an der App?
    Die Oppositionsparteien Linke und Grüne halten ein Begleitgesetz für notwendig, in dem Zweck und Löschung der Daten nach einer bestimmten Zeit sowie das Prinzip der Freiwilligkeit bei der Nutzung der App eindeutig festgeschrieben sind. Sie haben unter anderem Bedenken, dass beispielsweise Restaurants, Fluggesellschaften oder Veranstalter ihren Kunden die Installation der App vorschreiben. Auch Firmen könnten Mitarbeiter zur Nutzung verpflichten, so eine weitere Befürchtung. Die Bundesregierung sieht keinen Grund für ein neues Gesetz. Sie argumentiert damit, dass geltendes Recht und die Datenschutzgrundverordnung ausreichen.
    Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass jedes europäische Land seine eigene App entwickelt hat, statt eine gemeinsame für die Europäische Union. Gerade bei der Frage der grenzübergreifenden Kompatibilität der Systeme müssen Entwickler jetzt erst eine Art "Roaming-System" entwickeln, damit die Systeme, beispielsweise bei Auslandsreisen, Daten miteinander austauschen können.
    Über den Löschprozess der hochgeladenen Kontakt-IDs ist bisher zu wenig bekannt, um diesen abschließend beurteilen zu können. Hier besteht möglicherweise die Gefahr, dass doch ein Bewegungsprofil eines positiv Getesteten erstellt werden könnte.
    Ein thermisches Selbstporträt mit Maske auf einem Mobiltelefon.
    "Akzeptanz der App wird vom Vertrauen der Menschen abhängen"
    Bei der Entwicklung der Corona-App ginges nicht nur um Datenschutz, sagte Medienforscherin Petra Grimm im Dlf. Es müssten auch ethische Fragen geklärt werden, etwa die Unterstützung Betroffener im Falle eines positiven Alarms.
    Welche Rolle spielt die App im Vergleich zu anderen Corona-Schutzmaßnahmen?
    Während des Lockdowns betonte auch die Bundesregierung, wie wichtig eine Corona-Warn-App für die "Rückkehr in die Normalität" sei. Inzwischen bezeichnet man die Software als weiteres Werkzeug zur Kontaktverfolgung. Die App kann dazu beitragen, Infektionswege zu identifizieren und schneller einzugrenzen. Das hilft dem individuellen Nutzer und der Gesellschaft allgmein. Die Arbeit der Gesundheitsämter ersetzt sie nicht, im Gegenteil sie könnte zusätzliche Arbeit verursachen, wenn mehr Infektionen entdeckt werden.
    Welche Bedeutung die App letztlich haben wird, hängt von verschienden Faktoren ab. Zum einen von den Nutzungszahlen: Je mehr Bürgerinnen und Bürger die App einsetzen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, relevante Kontakte auch tatsächlich zu identifizieren. Modellrechnungen der Universität Oxford zeigen, dass sich die Ausbreitung des Coronavirus allein mit einer App stoppen ließe, wenn rund 60 Prozent der Bevölkerung sie nutzten und sich nach einer Warnmeldung selbst isolieren würden. Aber auch bei niedrigeren Nutzungszahlen könne die App die Ausbreitung des Virus erheblich bremsen.
    Entscheidend wird aber auch sein, ob Nutzer einen eigenen positiven Test auch tatsächlich melden und wie sie auf Warnmeldungen reagieren. Zunächst dürften die meisten nach einer Warnung die eigenen Kontakte einschränken und ärztlichen Rat suchen. Falschmeldungen sind aber wie bei jedem Testverfahren unvermeidlich. Sollte es zu häufig Warnungen geben, die sich dann vielleicht sogar noch als falsch herausstellen, werden sie mit der Zeit möglicherweise weniger Beachtung
    Funktioniert die App auch in anderen Ländern?
    Derzeit nicht, allerdings entwickeln gerade mehrere europäische Staaten eine Art Roaming-System, damit die verschiedenen nationalen Corona-Apps gegenseitig Nahkontakte registrieren können. Für Frankreich und Großbritannien wird es jedoch womöglich gar keine Lösung geben: Diese Länder haben mit der zentralen Datenverarbeitung ein grundlegend anderes System gewählt. Entsprechend müssten Reisende dort die landeseigene App herunterladen.
    Warum hat es so lange gedauert bis zur Einführung der deutschen App?
    Probleme mit dem Projektmanagement, ein zögerliches Umschwenken zu mehr Datenschutz, dazu auch noch fehlende Schnittstellen von Google und Apple - das sind die Gründe, die für die deutliche Verspätung angeführt werden. Vor allem jedoch die Frage, ob die Daten zentral oder dezentral gespeichert werden sollen, führte zu langwierigen Diskussionen.
    Redaktion: (Johannes Kuhn, Peter Welchering, Marius Gerads)