Die Prüfungssituation ist natürlich auch an den Hochschulen ein Thema. Schließlich sollen sich die Teilnehmenden auch beim Prüfen nicht zu nahe kommen – Social Distancing – also das Abstandhalten voneinander – ist eine Riesenherausforderung. Professor Ulrich Radtke, Rektor der Universität Duisburg-Essen, koordiniert als Vizepräsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) alle Fragen rund um das Hochschulmanagement.
Stephanie Gebert: Bislang heißt es: Auf Basis der Prüfungsordnung würden faire Lösungen für alle gefunden. Wie können die denn ganz praktisch aussehen?
Ulrich Radtke: Also ich denke, alle Kollegen, ich hatte auch noch mal eine Telefonkonferenz mit verschiedenen Präsidenten und Rektorinnen werden wir so auslegen im Interesse der Studierenden. Und wir werden auch versuchen, auf politischer Ebene, auf Bundesebene, das Sommersemester als ein Nicht-Semester zu zählen, weil, es geht ja nun gerade auch für die Bafög-Empfänger, da gibt es ja komplizierte Regelungen. Und da werden wir auch eine bundeseinheitliche Regelung finden müssen, die sie nicht in den Nachteil setzt. Das, denke ich, ist etwas, das kann nicht auf Länderebene entschieden werden, sondern da brauchen wir bundeseinheitliche Vorgaben.
Ausnahmeregelung für Prüfungen
Gebert: Trotzdem geht es auch darum, den jungen Leuten, die dann vielleicht nach einer Prüfung in den Beruf einsteigen wollen, nicht noch zusätzlich Steine in den Weg zu legen. Die brauchen die Prüfung ja, um weiterzumachen in ihrem Leben, mit ihrer Karriere. Und auch das Thema Höchststudiendauer - das betrifft auch so ein bisschen die Bafög-Frage - ist ja ein Thema bei vielen der Studierenden.
Radtke: Genau, also deswegen brauchen wir in dieser Sondersituation eine Ausnahmeregelung, die zu einer generellen Verlängerung führt. Rein praktisch gesehen machen es viele Universitäten, auch meine Universität, die Universität Duisburg-Essen so, dass wir Prüfungen zulassen. Und es müssen dann eben bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein, zum Beispiel, Prüfer wie Prüfling müssen zugestimmt haben, schriftlich, dass Sie diese wollen. Dann muss auch, das machen manche etwas enger, ein vollständiger Studienabschluss jetzt gerade angestrebt sein, dass diese Prüfung gemacht wird. Andere Universitäten handhaben das etwas weiter, diese Prüfungsregelung. Aber auch die Größe des Prüfungsraums muss geregelt sein. Oder auch, wenn mehrere Prüfungen hintereinander stattfinden, dass er dann eben desinfiziert wird. Und wir werden sogar so weit gehen, dass wir auch eine Videotelefonie erlauben, wo dann eben mit Zeigen eines amtlichen Ausweises und Unterschrift, dass man sich dazu bereit erklärt, aber auch, dass man keine fremden Hilfsmittel nutzt und auch keine weiteren Personen im Raum sind - solche Sachen werden denkbar sein.
"Das wird einen Digitalisierungsschub geben"
Gebert: Das heißt, wenn ich Sie richtig verstehe, es wird tatsächlich im Moment, was bislang ausgeschlossen war, auch geprüft, ob juristisch zum Beispiel digitale Alternativen zur Prüfung zugelassen werden.
Radtke: Genau, das muss jetzt geprüft werden, und da muss Deutschland mehr tun. Ich habe mit Kollegen im Ausland gesprochen, da sind solche Sachen schon zulässig. Und es wird auch sicherlich möglich sein, das in Deutschland zu ermöglichen. Das wird einen Digitalisierungsschub geben: Wir werden auf der Seite der Kapazitäten auf Hardwareseite uns einen Schub geben müssen und aber auch auf der Softwareseite, dass man über verschiedene Programme, wo man dann zusammen sich eben trifft, wo nicht denn das Rechenzentrum oder das universitätsinterne Netz dann auf einmal überlastet ist und das nicht mehr geht. Also da wird Deutschland, denke ich, mit diesem Schub sich neu aufstellen müssen. Wir machen zurzeit das Beste daraus.
Verständigung zwischen Universitäten
Gebert: Gibt es dann eigentlich ein einheitliches Vorgehen oder zumindest eine einheitliche Stimme der Hochschulen in Deutschland oder kocht da jeder auch so ein bisschen seine eigene Suppe?
Radtke: Ja, Sie haben das ja gesehen mit unserem föderalen System - die Minister haben sich alle getroffen und danach wurden trotzdem leicht unterschiedliche Regelungen beschlossen, aber im Großen und Ganzen waren sie ähnlich. Und wir zum Beispiel sind ein großer Landesverband – in Nordrhein-Westfalen 15 Universitäten - wir haben uns in einer Telefonkonferenz verständigt auf ein gemeinsames Vorgehen in den Bereichen, wo es uns dienlich erscheint. Und da war eine große Schnittmenge. Und die HRK bündelt die Stimmen der einzelnen Landesrektorenkonferenzen, gibt auch Übersichten, was in den einzelnen Ländern gerade aktuell passiert. Also da wird auch tagesaktuell das immer upgedatet, sodass eben auch zwischen den Bundesländern man Best Practice sehen kann. Das werden wir anscheinend nicht komplett vereinheitlichen, weil die Ministerien unterschiedliche Erlasse herausgeben, aber die Universitäten sind da ja auch zu aufgerufen, intelligent damit umzugehen und sich aber auch untereinander zu verständigen, was eben gute Lösungen sind.
"Überlegen, wie man Lehrinhalte internetbasiert im Netz platziert"
Gebert: Wir wissen ja nun alle nicht, wie lange wir Social Distancing betreiben müssen, wie lange wir Abstand zueinander halten müssen. Vielleicht geht es auch noch über den April hinaus. Ich will nichts beschreien, aber es könnte passieren. Dann müssten vielleicht auch Digitalangebote, was das Lehren angeht und auch die Betreuung der Studierenden, nicht nur der Prüfungen, möglich sein. Wie sind wir da aufgestellt an den Hochschulen?
Radtke: Also wir haben zum Beispiel unsere Dozierenden schon darauf hingewiesen, auf diese Möglichkeit, dass es nach dem 20. durchaus noch eine Verlängerung dieses Social Distancing gibt und dass sie sich alles schon mal Gedanken machen, wie sie internetbasiert, ihre Lehrinhalte auch in das Netz platzieren können oder an ihre Studierenden bringen. Und das wird je nach Fachkultur natürlich sehr unterschiedlich aussehen. Natürlich sind da Qualitätsverluste, aber das muss man dann eben abwägen. Gar nichts zu tun, das ist überhaupt gar keine Option. Und ich denke, dass wir einem Großteil der Studierenden dann auch im Sommersemester ein Angebot geben können, mit dem sie etwas anfangen können und das dann nicht einfach jetzt ein Loch in ihrer hochschulischen Entwicklung irgendwie darstellt.
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