Eine Kinderarzt-Praxis in Düsseldorf. Die Sprechstunde ist beendet, Kinderarzt Johannes Pigulla wartet aber noch auf einen letzten Patienten zur Corona-Impfung: "Ja, also wir haben heute zehn Jugendliche geimpft." Bald könnten zu den Corona-Impfungen der 12- bis 17-Jährigen auch die für die Fünf- bis Elfjährigen hinzukommen. Die Europäische Arzneimittelagentur EMA prüft derzeit einen entsprechenden Zulassungsantrag für den mRNA-Impfstoff der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer.
"Wir bekommen jeden zweiten, dritten Tag eine E-Mail mit Fragen, ob wir nicht jetzt schon impfen können, ob es eine Möglichkeit gibt." Bei aktuell steigenden Corona-Fallzahlen sorgen sich Eltern offenbar zunehmend um die Gesundheit ihrer Kinder. Hinzu kommt, dass in vielen Bundesländern wie Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen die Maskenpflicht in der Schule weitestgehend aufgehoben ist.
Meist milder Verlauf bei Kindern
Zugleich zeigen die Zahlen aber auch: Es gibt nur selten größere Corona-Ausbrüche an Schulen. Außerdem verläuft die Krankheit Covid-19 bei Kindern meist milde. Kinderarzt Pigulla berichtet: "Wir haben einige Eltern, die zu Protokoll geben wollten, dass sie ihr Kind gar nicht impfen lassen wollten. Es wird ja keiner gezwungen. Also das haben wir auch. Also es ist ein hoch polarisierendes Thema."
Schon bei den Erwachsenen und später noch mehr bei den Jugendlichen stellt sich hinsichtlich der Corona-Impfung die Frage nach Nutzen und Risiko. Während Erwachsene diese Abwägung – bestenfalls auf Grundlage eines ärztlichen Rats – für sich selbst treffen können und auch Jugendliche häufig schon eine eigene Meinung zum Thema entwickeln, müssen bei den jüngeren Kindern Eltern diese Entscheidung treffen.
Das falle vielen schwer, sagt Kinderarzt Johannes Pigulla: "Man scheut sich immer etwas, wenn man sich aktiv zu was entscheidet. In der subjektiven Wahrnehmung ist man dann selber schuld, wenn man was gemacht hat. Ja, wir Menschen sind so gestrickt und unsere Psychologie, dass wir auf keinen Fall was falsch machen wollen. Und ich rate immer dazu, dass man etwas mehr Entschlossenheit hat, nicht nur etwas nicht falsch zu machen, sondern auch das Richtige zu tun."
Sich also zum Beispiel für die Corona-Impfung der eigenen Kinder zu entscheiden: "Man kann eben auch durch Unterlassen schaden, indem man einfach sich nicht entscheiden kann und eine Impfung unterlässt und dann dadurch das Risiko einer Corona-Infektion in Kauf nimmt. Mit den Folgen, die das mit sich bringt."
Bei Erwachsenen ist das Risiko für einen schweren Covid-19-Krankheitsverlauf mittlerweile relativ gut bekannt: Ab 50 Jahren steigt es, außerdem können bestimmte Grunderkrankungen schwere Krankheitsverläufe auslösen. Kinder haben dagegen ein weitaus geringeres Risiko, schwer an Covid-19 zu erkranken. Nur selten müssen sie auf Intensivstationen behandelt werden.
Zurückhaltende Impfkommission
Der Chef der Ständigen Impfkommission, Thomas Mertens, äußert sich daher noch zurückhaltend zu einer möglichen Impf-Empfehlung für Fünf-bis Elfjährige: "Das zentrale Problem ist ja, dass man eine Abwägung zwischen der zu erwartenden Wirkung nach der Impfung und möglichen Restrisiken dieser Impfung hat."
Nur wenn die Wirkung deutlich größer ist als die Wahrscheinlichkeit möglicher Restrisiken, wird die Stiko eine Impfung empfehlen. Bei chronisch kranken Kindern, zum Beispiel mit Atemproblemen, dürfte das zwar der Fall sein, bei gesunden, nicht vorerkrankten Kindern, fällt diese Abwägung schon schwerer. "Die Wirksamkeit auf Vermeidung von schwerer Erkrankung ist deshalb nicht so leicht in dieser Altersgruppe, weil in der Kontrollgruppe auch selten schwere Erkrankungen auftreten werden. Wenn man eine geringe Krankheitslast hat, muss man sehr sicher sein, dass die Impfung entsprechend sicher ist."
Für ihn gebe es hier noch Fragezeichen, sagt der Arzt und Stiko-Chef Thomas Mertens: "Wie ist es bei diesen kleinen Kindern unter Umständen mit den bekannten, von älteren Kindern und Jugendlichen und jungen Erwachsenen bekannten Myokarditiden?" Also Herzmuskelentzündungen. Sie treten sehr selten auf, aber wenn dann eher nach der zweiten Impfung mit einem mRNA-Impfstoff wie dem von Biontech/Pfizer und hier insbesondere bei jungen Männern ab 16 Jahren. Eine solche Myokarditis kann gut behandelt werden, die Patienten werden in der Regel wieder vollkommen gesund.
Kinder befinden sich allerdings noch im Wachstum, auch hier ergäben sich Fragen, sagt Virologe Mertens: "Wir haben ja jetzt Kinder deren Organsysteme natürlich alle fertig angelegt sind. Aber die wachsen ja natürlich. Und ob es da Dinge gibt, die man besonders noch berücksichtigen muss, also in der Kombination von noch wachsendem Organismus und möglichen Nebenwirkungen der Impfung, das wird zu prüfen sein."
Grünes Licht in den USA
In den USA hat die Arzneimittelbehörde FDA dennoch bereits Ende Oktober grünes Licht für die Corona-Impfung von Kindern mit dem Mittel von Biontech/Pfizer gegeben. Zusätzlich zu den Jugendlichen können damit 28 Millionen weitere Kinder geimpft werden. Die US-Regierung hat sich vorsorglich bereits auf große Impfaktionen vorbereitet.
Von den Erfahrungen und Daten wird auch Europa profitieren, sagt Mertens: "Man wird sehr darauf achten, ob es im Rahmen dieser geplanten Impfaktion zu Signalen kommt, zur Häufung von bestimmten Nebenwirkungen." Letztlich wird es aber wohl nicht nur eine medizinische, sondern auch eine gesellschaftliche Frage sein, wie Deutschland und Europa mit der Corona-Impfung für Kinder umgehen. "Insgesamt ist es ganz klar: Impfung ist der einzige Weg aus der Pandemie."
Ob sich deshalb auch die Jüngsten impfen lassen sollten, da bleibt Mertens zurückhaltend. Auch der Leiter der Kinder- und Jugendklinik am Universitätsklinikum Köln und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin, Jörg Dötsch, sagt: "Wir widersprechen strikt einer Auffassung, dass Kinder sich impfen lassen sollen oder müssen, um die Gesellschaft zu schützen. Das ist nicht akzeptabel. Kinder sind Schutzbefohlene. Wir haben die Aufgabe, darauf zu achten, dass den Kindern dieser Schutz zuteil kommt. Das heißt, wenn wir Impfungen empfehlen, an die Kinder, dann nur, weil das Kind höchstwahrscheinlich dadurch einen höheren Nutzen als eine Gefahr hat."
Aber was, wenn Kinder nicht mehr anders geschützt werden können, als durch eine Impfung? Weil Masken fallen, Familienfeiern, Kindergeburtstage und andere Aktivitäten wieder möglich und auch wünschenswert sind und gleichzeitig Inzidenzen stark steigen? Sollte dann das Risiko einer Infektion hingenommen werden, weil sie höchstwahrscheinlich milde verläuft?
Die zweifache Mutter Tina König aus Baden-Württemberg schüttelt den Kopf: "Ich finde es einfach schade, dass wir als Gesellschaft es nicht geschafft haben, für unsere Kinder ein Umfeld oder eine Situation zu schaffen, in der sie vor dieser Infektion geschützt sind und gleichzeitig die Möglichkeit haben für gesellschaftliche Teilhabe, für Schule, für Kindergarten, für Sozialleben, während wir alle uns das jetzt rausnehmen oder sehr viele Erwachsene sich das jetzt rausnehmen, nicht mehr warten wollen, keine Geduld mehr haben. Letztlich baden unsere Kinder das jetzt aus. "
Tina König sorgt sich vor allem um das Risiko von Long-Covid und Pims, einem neuartigen Entzündungssyndrom, das bei Kindern Wochen nach einer Corona-Infektion auftreten kann. Deshalb hat sie mit ihrem Mann einen Arzt gesucht, der ihre fünf und neun Jahre alten Kinder off-Label impft, also auch ohne die Zulassung des Impfstoffs für diese Altersgruppe. "Wir haben eigentlich lange gedacht, wir können es schaffen, die Kinder vor dieser Infektion zu beschützen. Und sind auch ehrlich gesagt gar nicht so glücklich darüber, dass wir diese Entscheidung jetzt treffen mussten. Also in gewisser Weise fühlt sich das ein bisschen an wie Notwehr."
Tina König, die eigentlich anders heißt, aber ihren richtigen Namen hier lieber nicht öffentlich machen möchte, erzählt, wie sie Ärzte ansprach und anschrieb, und dann auf einen Mediziner stieß, der ja sagte. "Also es ist so, dass wir einen sogenannten Haftungsausschluss unterschreiben mussten und unter anderem auch eine Verschwiegenheitsklausel. Also dass wir seinen Namen nicht nennen werden. Aber natürlich: Sollte es in irgendeiner Form zu Nebenwirkungen oder Komplikationen kommen, dann dürfen wir natürlich sagen, dass unsere Kinder geimpft sind. Es steht auch im Impfpass drin."
Die sogenannte Off-Label-Anwendung
Die Off-Label-Anwendung von Arzneien ist nicht verboten und in Teilen der Kindermedizin sogar üblich. Manche Medikamente sind nur für Erwachsene zugelassen, helfen aber zum Beispiel auch chronisch kranken Kindern. Ärzte und Ärztinnen haben beim Off-Label-Einsatz von Medikamenten und Impfstoffen allerdings eine erhöhte Aufklärungspflicht und höhere Haftungsrisiken.
Warum gehen sie diese ein? Ein Arzt, der bereits seit Monaten Fünf- bis Elfjährige impft, ist bereit, anonym im Deutschlandfunk darüber zu sprechen: "Mein Hauptargument ist dabei, dass die Long-Covid-Erkrankung etwas ist, was mich tatsächlich im Moment auch ein bisschen ratlos macht. Und davor habe ich richtig Respekt, muss ich sagen."
Sechs Kinder mit Long-Covid-Symptomen behandelt er aktuell. Kinder, die bisher gesund waren. "Das ist schon erschreckend, wenn man sieht, dass ein Kind, das an Corona erkrankt war, zwei davon auch völlig asymptomatisch erkrankt waren, dann plötzlich Wochen danach völlig in sich zusammensacken, nicht mehr aufstehen wollen, nicht mehr spielen wollen, kein Lachen mehr möglich ist, unter Kopfschmerzen und Gleichgewichtsstörungen leiden, das ist schon erschreckend."
Es gebe für sie momentan kaum Behandlungs- und erst recht keine Reha-Möglichkeiten. "Das sind alles, denke ich, Argumente, die dafürsprechen, dass wir unsere Kinder auch mit einer Impfprävention besser schützen sollten." Der Arzt, der im Nordosten Deutschlands seine Praxis hat, ist Teil eines Netzwerks von mittlerweile rund 30 Medizinern und Medizinerinnen, die Kinder off-Label impfen. "Da spielt Vertrauen zu den Kolleginnen und Kollegen schon eine große Rolle, es gibt auch hin- und wieder Kommunikation darüber, wie bestimmte technische Dinge gemacht werden."
Die Dosis der Biontech/Pfizer-Impfung für Fünf- bis Elfjährige ist aus den Zulassungsstudien anderer Länder längst bekannt: Die Kinder bekommen ein Drittel der Erwachsenen-, bzw. Jugend-Menge gespritzt. Ähnlich wie die zweifache Mutter aus Baden-Württemberg fühlt sich auch der Arzt in der Pandemie allein gelassen. "Im Bereich Prävention war ich mir eigentlich immer sicher, dass für Kinder, unser wichtigstes Gut, das wir haben, immer alles gemacht wird."
Schon beim Blick auf den Gesundheitsschutz in Schulen und Kitas, die jetzt fallende Maskenpflicht und die rasant steigenden Inzidenzen in den jüngeren Altersgruppen, sei er sich da aber nicht mehr so sicher. Wird er erleichtert sein, wenn der Biontech-Pfizer-Impfstoff für Fünf- bis Elfährige auch in Deutschland zugelassen wird? "Ja, ich fiebere diesem Moment tatsächlich entgegen, weil erstens kann ich das dann auch den Eltern gegenüber viel einfacher vermitteln. Es fällt die ganze Problematik des Haftungsausschlusses weg, also der administrative Aufwand dieser Impfung wird deutlich geringer. Und vor allen Dingen hoffe ich und ich weiß es eigentlich auch, dass dann viel mehr Kollegen diese Arbeit mit übernehmen werden, sodass die Anfragen bei mir zum Beispiel deutlich geringer werden."
Er hofft, dass bis dahin die Long-Covid-Fallzahlen nicht noch weiter steigen. "Also wir haben in der Altersgruppe null bis 12 Jahre neun bis elf Millionen Kinder und wenn nur ein Prozent ein Long-Covid-Syndrom bekommt, dann sind das immerhin 12.000 erkrankte Kinder. Wo sollen wir die denn alle behandeln?"
Risikofaktor Adipositas
An der Kinder- und Jugendklinik des Universitätsklinikums in Köln befasst sich Klinikleiter Jörg Dötsch seit Ausbruch der Pandemie ebenfalls mit den Folgen von Covid-19. Auch er sagt: Eine Coronainfektion verläuft bei den meisten Kindern komplikationslos. "Der häufigste Risikofaktor ist eine Adipositas, also ein sehr starkes Übergewicht. Und damit haben wir in der Tat auch die kranksten Kinder bei uns gehabt. Ein erhöhtes Risiko wären sehr ausgeprägte chronische Erkrankungen mit Beteiligung verschiedener Organsysteme. Und auch damit hatten wir Kinder bei uns in der Klinik gehabt."
Hinzu kamen die Kinder, die erst Wochen nach einer akuten Coronainfektion mit Symptomen zu ihm kamen, zum Beispiel mit Pims, der neuartigen Krankheit, die mit dem seltenen Kawasaki-Syndrom vergleichbar ist.
"PIMS, das sind die jungen Jugendlichen, die davon betroffen sind. Da sind wieder die ganz jungen Kinder ausgenommen und die Adoleszenten quasi auch. Und dann haben wir Long Covid. Und bei dem Long Covid scheint es wiederum so zu sein, dass am ehesten die adoleszenten, also diejenigen, die sich auf dem Weg zum Erwachsenenalter befinden, Long Covid auch bekommen können. Im Kindesalter ist das für uns noch nicht klar erkennbar, dass es da wirklich eine Vermehrung von Long Covid gibt, was natürlich auch daran liegt, dass Long Covid eine so diffuse Symptomatik hat, die auch schwer gegenüber anderen Erkrankungen, wie zum Beispiel Depressionen abzugrenzen ist."
Darüber hinaus sieht Dötsch, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin ist, aber auch die Folgen der monatelangen Schulschließungen in seiner medizinischen Praxis: "Wir wissen, dass es deutlich mehr Essstörungen gibt, sowohl im Hinblick auf Untergewicht als auch auf Übergewicht. Wir wissen, dass es eben deutlich mehr Angststörungen, Depressionen gibt. Im internationalen Rahmen geht man davon aus, dass Angststörungen, Depressionen sich verdoppelt haben. All das hängt mit Schulschließungen, mit fehlender sozialer Teilhabe von Kindern und Jugendlichen zusammen. Und deswegen darf das auf keinen Fall mehr passieren."
Andere Maßnahmen müssten ergriffen werden, um Kinder und Jugendliche zu schützen. Impfungen können hier ein Baustein sein, aber nicht unbedingt die Impfung der Kinder, findet Dötsch: "Wir alle Erwachsenen müssen uns impfen. Das ist ganz wichtig. Wir haben jetzt auch so viele Monate Erfahrungen mit der Impfung, dass wir auch wissen, dass da keine langfristigen Nebenwirkungen zu sehen sind. Die kurzfristigen kennen wir mittlerweile."
Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, hat jüngst allerdings einen anderen Gedanken ins Spiel gebracht: Die fehlende Impf-Quote bei Erwachsenen könnte durch die Kinderimpfung ausgeglichen werden, sagte er in einem Zeitungsinterview. Sobald ein Impfstoff für Kinder unter zwölf Jahren zugelassen sei, sollten die Kinder-Impfungen mit großer Kraft vorangetrieben werden, so Sager.
Familienvater Christian Reiss aus Düsseldorf machen solche Aussagen fassungslos. "Kinder werden dann einfach nur zum Objekt einer angestrebten Impfquote gemacht, ohne dass es auf die spezifisch kindlichen Bedürfnisse und auf das spezifisch kindliche Risiko ankäme", ärgert sich der Jurist. "Wir haben tatsächlich uns über das Thema Impfung unserer drei Kinder zwischen drei und sieben Jahren schon viele Gedanken gemacht. Und wir sehen im Moment eben keine wirklich tragfähige Begründung für eine Impfentscheidung", sagt Familienvater Reiss. Seine Kinder seien gegen alles geimpft, was die Stiko empfiehlt. Sie aber nun für das Wohl der Gesellschaft oder damit sie endlich wieder ohne Einschränkungen am Leben teilnehmen können, auch gegen Corona impfen zu lassen – das geht ihm zu weit.
"Es kann ja nicht sein, dass die Kinder den strengsten Pandemie-Schutzmaßnahmen von allen Altersgruppen unterworfen werden. Und dann man sagt: Diese Schutzmaßnahmen, diese Beeinträchtigung, die Schulausfälle, der Verlust sozialer Kontakte – das gibt dann schließlich den Ausschlag für eine Impfempfehlung zugunsten der Kinder, um sie von den Belastungen zu befreien, denen sie sowieso von Anfang an niemals hätten unterworfen werden dürfen."
Er und seine Frau würden sich wünschen, dass der Infektions- und Gesundheitsschutz von Kindern endlich ernst genommen würde. Luftfilter, Maskenpflicht, vielleicht halbierte Klassen – es gebe so viele Möglichkeiten, je nach Inzidenz zu reagieren, auch ohne Kinderimpfung.
NRW lockert Maßnahmen
Im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen werden allerdings aktuell die Maßnahmen weiter gelockert. Seit dieser Woche müssen Schulkinder keine Maske mehr am Schultisch tragen. Der aktuelle Infektionsschutz sei trotzdem besser, als je zuvor während der Pandemie, sagt der Staatssekretär im Schulministerium, Matthias Richter: "Wichtig sind Verhaltensregeln und auch ganz wichtig natürlich auch unser Testsystem in Nordrhein-Westfalen, die sehr enge Taktung der Testungen bei den Antigen-Schnell-Selbsttests, die wir erhöht haben auf drei Tests die Woche, dann das PCR-Lolli-Testverfahren, was sehr frühzeitig auch Infektionen erkennt und die fortschreitende Impfung."
Von der Opposition kommt dennoch Kritik: Längst nicht alle Schulen sind auf die aktuell steigenden Corona-Fallzahlen gut genug vorbereitet, sagt SPD-Schulpolitiker Jochen Ott. Er hofft – auch persönlich – dass Impfungen, auch der jüngeren, bald die fehlende Sicherheit bringen: "Meine Kinder sind elf, die wollen geimpft werden, die warten da drauf. Und ich glaube, so geht es vielen Eltern, weil wichtig ist, dass Schule sicher stattfinden kann. Und deshalb wäre es schon ein Befreiungsschlag, wenn möglichst bald der Kinder-Impfstoff jetzt freigegeben wird."
Kinder- und Jugendärzte in Deutschland, wie Johannes Pigulla aus Düsseldorf, sind auf die kommenden Kinderimpfungen vorbereitet: "Also wir arbeiten seit Monaten am Limit, sind aber hochmotiviert, das auch zu machen. Und wir hoffen das auch noch zu schaffen. Und das ist ja auch die Klientel, für die wir gerne antreten." Sobald der Impfstoff für Fünf- bis Elfjährige zugelassen ist, könnte er loslegen, auch ohne die Empfehlung der Stiko, so Pigulla.
Stiko-Chef Thomas Mertens sagt, die Kommission wolle sich zeitnah nach der Zulassung zur Kinderimpfung äußern. Allen sollte aber klar sein, dass auch dieser Schritt das Coronavirus nicht vollständig besiegen werde: "Das Virus wird weiter kursieren und wird immer wieder Infektionen machen. Oder wollen Sie annehmen, dass man jetzt alle sechs, acht Monate die ganze Bevölkerung impft? Immer wieder. Das glaube ich nicht, dass man das sinnvollerweise machen könnte, sondern man wird sich dann darauf beschränken, die zu impfen, die ein hohes Risiko für schwere Erkrankung haben." Und das werden aller Voraussicht nach weiterhin nicht die Kinder sein.