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Corona und Südafrika
Harte Ausgangssperre, erbarmungslose Polizeigewalt

Noch wachsen die Corona-Fallzahlen in Südafrika langsam. Dennoch gilt im Land bereits eine strikte Ausgangssperre, die allerdings in den Armenvierteln kaum kontrollierbar ist. Die Polizei setzt sie zum Teil mit Gewalt durch.

Von Adrian Kriesch |
Südafrikanische Sicherheitskräfte stellen in Johannesburg eine Straßenblockade auf.
Südafrikanische Sicherheitskräfte stellen in Johannesburg eine Straßenblockade auf. (AFP / Michele Spatari)
Es ist ein harmloses Foto, das Kommunikationsministerin Stella Ndabeni-Abrahams die Karriere kosten könnte: Ein gemeinsames Mittagessen mit der Familie eines hochrangigen Parteifreundes. Das Problem: Das Foto wurde während der Ausgangssperre gemacht, eine der strengsten weltweit. Spazieren gehen: verboten. Joggen: verboten. Gassi gehen: verboten. Ebenso der Verkauf von Alkohol und Zigaretten. Und auch der Besuch von Freunden. Das Bild machte schnell in den sozialen Medien die Runde – und das Netz tobte. Vor allem in den Townships, den Armenvierteln des Landes, war die Empörung groß.
Denn hier versucht die Polizei die Ausgangssperre rigoros durchzusetzen. Sechs Streifenwagen rollen hintereinander durch das Townships Delft in Kapstadt. Menschen auf der Straße ergreifen beim Anblick schlagartig die Flucht: Weil sie wissen, dass sie während der Ausgangssperre nicht auf der Straße sein sollten. Und aus Angst. Vereinzelt stoppt ein Auto plötzlich, Polizisten springen raus und jagen Passanten.
"Geht nach Hause", schreit ein Polizist die Passanten an. Die Beamten wirken selbst verunsichert, geben zu, dass sie die riesigen Townships kaum kontrollieren können. Die Patrouille wirkt ziellos und willkürlich. Ein Mann ist nicht schnell genug weggerannt, wird von den Polizisten verhaftet und zur Rede gestellt: "Denkst du das ist ein Witz? Wurde nicht klar gesagt, dass du niemanden besuchen darfst?" 1500 Rand soll der Mann zahlen, fast 100 Euro.
Der Reporter fragt den Mann: "Hast du soviel Geld?" Seine Antwort: "Nein, ich bin arbeitslos. Darum bin ich zu meinem Bruder gegangen, um etwas zu essen."
Polizeigewalt in den Townships
Ein paar Straßen weiter erzählt eine junge Frau, wie mehrere Polizisten ihr Haus stürmten, weil sie vorher auf der Straße war. Sie hat noch immer Angst, will ihren Namen nicht nennen. Die Männer schlugen sie mit Stöcken und Peitschen. Vor den Augen ihrer Tochter. Ihre Beine sind voller Striemen und Wunden. "Das ist so traumatisierend, so wurde ich noch nie verprügelt. Ich hatte drei Tage so starke Schmerzen, dass ich nicht mal zur Apotheke gehen konnte. Wenn uns nicht mal die Polizei helfen kann – wem können wir dann noch trauen?"
Noch immer sind viele Menschen in den Townships auf den Straßen unterwegs - trotz Ausgangssperre und Warnungen per Lautsprecherwagen. Viele Tagelöhner können es sich nicht leisten, zu Hause zu bleiben. Und wer zu acht in einer kleinen, heißen Wellblech-Hütte lebt, kann das nicht mehrere Wochen aushalten.
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Trotzdem verteidigt Mandy Lawrence von der Kapstädter Polizei das harte Vorgehen in den Townships. "Wenn sie nicht hören, dann passieren solche Sachen leider. Ich sage nicht, dass das richtig ist. Aber in einigen Gebieten verstehen die Bewohner nur diese Sprache. Sie müssen so etwas leider erstmal sehen, bevor sie sich an die Anweisungen halten. Sie müssen sehen, dass wir es ernst meinen, dass sie in ihre Häuser müssen. Das ist nicht irgendeine Lari-Fari-Anweisung."
Südafrika steht im Kampf gegen den Virus noch immer vor großen Problemen: mangelnde Schutzkleidung und Testkits. Die meisten Tests werden bisher von privaten Laboren durchgeführt. Doch 80 Prozent der mehrheitlich armen Bevölkerung sind auf das ohnehin überforderte staatliche Gesundheitssystem angewiesen.
Corona-Fallzahlen wachsen langsam
Trotzdem: Präsident Cyril Ramaphosa bekommt viel Lob für sein entschlossenes Vorgehen. Er reagiert schnell: Testkapazitäten werden erhöht. Zehntausend Gesundheitsarbeiter gehen mittlerweile von Haus zu Haus, suchen Menschen mit Symptomen.
Noch wachsen die Fallzahlen langsam, nicht exponentiell. Doch reichen die Maßnahmen, um die befürchtete rasante Ausbreitung des Virus in den Armenvierteln zu verhindern? Es sei noch zu früh, das zu beurteilen, sagt Wolfgang Preiser, ein deutscher Virologe an der Universität Stellenbosch. Aber: Das Land sei erfahren im Management von Pandemien.
"Im Moment ist Südafrika ganz gut aufgestellt. Alles was man machen kann, wird gemacht. Wir sind hinter den Kulissen heftig beschäftigt, alles zu optimieren. Das ist eine enorme Mühe, darum bin ich auch nicht rasiert und nicht richtig angezogen. Stattdessen kommt ein Zoom-Call abends um acht und der nächste am Morgen, da fallen ein paar andere Sachen unter den Tisch. Das geht sieben Tage die Woche so. Und das machen viele, sehr kompetente Leute im Moment und geben wirklich ihr bestes."
Zurück zu Stella Ndabeni-Abrahams und ihrem Foto beim Mittagessen. Die Kommunikationsministerin hat schnell versucht, das Bild mit einem Arbeitsbesuch zu rechtfertigen – vergebens. Der Präsident beurlaubte sie für zwei Monate. Niemand stehe über dem Gesetz.