Archiv

Coronakrise
EU kämpft mit Desinformation

In der Coronakrise bereitet gezielte Desinformation aus Ländern wie China oder Russland der EU Sorge. In einem Brief fordern deshalb einige Abgeordnete die Kommission zum Handeln auf. Versuche ausländischer Regierungen, die Krise zum Schaden der EU auszunutzen, sollen entschärft werden.

Von Bettina Klein |
Mikrofone auf dem Tisch des Parlamentspräsidenten im Plenum des Europa Parlaments in Straßburg. Im Hintergrund die Europa Flagge
Konstituierende Sitzung des Europa-Parlaments in Straßburg (picture alliance/dpa/Ulrich Baumgarten)
Man muss vielleicht die russische Sprache beherrschen, überlegt Sergey Lagodinsky. Geboren in der damaligen Sowjetunion, Anfang der neunziger Jahre mit seiner Familien nach Deutschland ausgewandert. Heute ist er Europa-Abgeordneter der Grünen. Seit Beginn der Coronakrise konnten wir nicht mithalten mit dem internationalen Wettlauf der Narrative, sagt er.
"Wir waren konfrontiert – und ich als Russischsprachiger habe das besonders schnell empfunden – mit Gegennarrativen, wo eben aus China aber auch aus Russland die EU als gescheitert dargestellt wurde, während nationale Wege, autoritäre Wege aus der Krise als vielversprechend porträtiert wurden."
Das, so der Grünen-Politiker, geschieht nicht einfach nur im Zuge der ohnehin beklagten Desinformation, sondern als ganz offene Kommunikationsstrategie.
"Nach dem Motto: ‚I told you so‘! Ja, wir haben immer schon gesagt, dass die EU unfähig ist, dass die EU nicht solidarisch ist."
Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln.
Hüther: "Ein Lackmustest für europäische Solidarität"
In der Coronakrise brauche es nun eine finanzpolitische Solidarität in Europa, sagte Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, im Dlf. Wenn es am Ende nur die Chinesen oder Russen seien, die Italien und Spanien helfen, dann werde der Zerfall der Europäischen Union unaufhaltsam sein.
In dem Brief rufen 39 Parlamentarier mehrerer Fraktionen nun zur vereinten Aktion auf angesichts der, so wörtlich, Instrumentalisierung der gegenwärtigen Krise durch Länder mit gegnerischen geopolitischen Ambitionen. "Wir sind ernsthaft besorgt über die Desinformation und Propaganda, insbesondere aus Russland und China", heißt es weiter. Den meisten sei klar, dass es darum gehe, Misstrauen in den Bevölkerungen und bei den Nachbarstaaten gegenüber der EU und ihren demokratischen Werten und Institutionen zu säen. Man fürchte angesichts dessen um die Einheit und Stabilität Europas.
Solidarität in Europa hervorheben
"Unsere Besorgnis ist ein Stück weit, dass Länder wie Russland und China, wo es keine freie öffentliche Meinung gibt, hier eine schiefe Darstellung der Wirklichkeit durch propagandistisches Auftreten liefern."
Sagte Michael Gahler, CDU-Europaabgeordneter aus der EVP-Fraktion, er hat den Brief mit unterschrieben. Doch leider hatte und hat die EU selbst ein Problem, das erkennen die Parlamentarier sehr wohl an. Unglücklicherweise zog man nämlich Nutzen aus den anfänglich national orientierten Antworten auf die Krise. Deshalb fordert Gahler, es muss klar werden, dass es Solidarität in Europa gibt.


"Zum Gesamtbild gehört, dass Mitgliedstaaten einander helfen, durch Lieferungen von dringend benötigten Materialien, durch Übernahme von Schwerkranken dorthin, wo noch Kapazitäten frei sind."
Für die Abgeordneten ergibt sich daraus kurz gesagt dreierlei. Erstens – die EU muss tatsächlich mehr Hilfe füreinander untereinander leisten, gemeinsam und solidarisch. Sie muss aber zweitens ihre eigenen Leistungen dabei viel klarer in der Öffentlichkeit kommunizieren. Und sie braucht drittens eine Strategie für die, wie es heißt, geopolitischen Realitäten in den Zeiten dieser Coronakrise: Sie muss, so heißt in dem Brief, die Versuche ausländischer Regierungen entschärfen, die Krise zum Schaden der EU auszunutzen.
Coronavirus
Alle Beiträge zum Thema Coronavirus (imago / Science Photo Library)
Kampf gegen Desinformation ist zentrale Herausforderung
"Und da muss die Kommission sowohl in die Mitgliedstaaten als auch z. B. in den westlichen Balkan, wo wir unterstützend tätig sind, klar kommunizieren, dass wir da sind und dass wir verlässlich sind."
Die Kommission und der Außenbeauftragte wurden in der vergangenen Woche von den Staats- und Regierungschefs beauftragt, die Arbeit diesbezüglich zu intensivieren, heißt es in einer ersten Stellungnahme von einem Sprecher Josep Borrells. Dieser habe bereits deutlich gemacht, dass der Kampf gegen Desinformation insbesondere während der Coronakrise eine zentrale Herausforderung darstellt. Neben der seit Jahren existierenden Internet-Seite "EUvsDisinfo" hat die Kommission inzwischen eine spezielle Webseite mit Reaktionen auf das Coronavirus eingerichtet. Die EU ist dabei auch in dieser Auseinandersetzung aufzuholen.