Montagmittag, die Sonne scheint auf das Trottoir vor der Tafel im Washingtoner Norden. Talulah, Mitte 50, holt in ihrer Mittagspause eine Tüte voller Lebensmittel für eine kranke Nachbarin. Sie hat es schon gehört: Die Verlängerung der Corona-Hilfen im Kongress, sagt die Finanzberaterin, das sei eine wirklich gute Nachricht: Amen, Gott ist groß! Höchste Zeit, sagt Talulah noch, das hätten sie längst machen müssen.
Neun Monate sind vergangen, seit das erste Konjunkturpaket beschlossen wurde im Kongress. Am 26. Dezember laufen die letzten Hilfen aus, 12 Millionen Arbeitslose hätten danach ohne jede finanzielle Hilfe dagestanden, noch mehr Menschen drohte die Zwangsräumung wegen Mietrückstand.
"Problemlöser" legten Kompromissvorschlag vor
Dies ist mit dem neuen Hilfspaket abgewendet. Es war eine Gruppe wenig bekannter Abgeordneter aus beiden Parteien, die sich Problemlöser nennen, und die mit gleichgesinnten Senatoren im Dezember den entscheidenden Kompromissvorschlag vorlegte. Auf dieser Basis kam die Einigung zustande, nachdem zuvor alle Verhandlungen zwischen der demokratischen und der republikanischen Führung ergebnislos verlaufen waren.
Abigail Spanberger, Demokratin aus Virginia, gehört der überparteilichen Gruppe an: "Wir haben uns darauf konzentriert, zusammenzuarbeiten. Wir sind Republikaner, wir sind Demokraten, aber uns vereint, dass wir etwas für das amerikanische Volk erreichen wollen."
Arbeitslosengeld und Nothilfe für Mietzahlungen
Das 900 Milliarden-Dollar Hilfspaket ist ein klassischer Kompromiss: Bis Mitte März gibt es wöchentlich 300 Dollar Arbeitslosengeld, viele Republikaner wollten dies nicht, die Demokraten wollten deutlich mehr. Bis Ende Januar darf kein Mieter aus der Wohnung gesetzt werden, 25 Milliarden Dollar sind als Nothilfe für Mietzahlungen eingestellt. Über 280 Milliarden Dollar sind vorgesehen für kleine Unternehmen: Restaurants und Läden, Lokalzeitungen, Radios, gemeinnützige Organisationen. Es gibt Geld für Schulen, Kinderbetreuung, Lebensmittelhilfe, Impfstoffverteilung, Internetausbau, aber auch für Fluglinien, den Nahverkehr und die Eisenbahngesellschaft Amtrak.
Präsident Trump und die Republikaner haben durchgesetzt, dass künftig wieder Geschäftsessen zu 100 Prozent von der Steuer abgesetzt werden können. Die Demokraten haben im Gegenzug zu dem sogenannten 3-Martini-Lunch Geld für kulturelle Einrichtungen und Kinos herausgehandelt.
Einmalzahlung in Höhe von 600 Dollar
Erst nicht vorgesehen, jetzt drin im Paket: eine Einmalzahlung für die meisten US-Bürger über 600 Dollar.
Deborah, pensionierte Gemeindemitarbeiterin, konnte zuletzt ihre Strom- und Gasrechnung nicht mehr zahlen, ihre Lebensmittel holt sie bei der Tafel. Die Einmalzahlung sei eine willkommene Hilfe:
"Aber es sollte mehr sein. Die geben den Unternehmen so viel Geld, aber wir haben kein Geld, das wir in den Geschäften ausgeben können. Die müssten vorne anfangen, bei den Menschen, die müssen sie zuerst retten."
US-Senator Mitch McConnell musste einlenken
Wäre es nach dem ursprünglichen Plan von US-Senator Mitch McConnell gegangen, dann hätte es Hilfen für Unternehmen und deren Schutz vor Klagen von Angestellten und Gästen in der Pandemie gegeben, aber kein Geld für Arbeitslose und keine Einmalzahlung. Am Ende lenkte McConnell ein: Die Chancen der republikanischen Kandidaten bei der entscheidenden Senatsstichwahl in Georgia Anfang Januar sollten nicht durch ein Ausbleiben neuer Hilfen beschädigt werden. Der republikanische Mehrheitsführer wollte auch nicht von einer Koalition moderater Abgeordneter und Senatoren vor vollendete Tatsachen gestellt werden.
Bei den Demokraten soll Joe Biden hinter den Kulissen dazu beigetragen haben, dass diese abrückten von ihrer Forderung nach einem großen Hilfspaket, das auch Unterstützung für Städte und Bundesstaaten in der Pandemie eingeschlossen hätte. Anders wäre kein Kompromiss zustande gekommen.
Die erfolgreiche Zusammenarbeit der überparteilichen "Problemlöser" sei beispielhaft für eine neue Arbeitsweise in Washington, glaubt der republikanische Abgeordnete Tom Reed:
Er verstehe die Aufgaben der Fraktionsführungen im Kongress, so Reed, aber als Abgeordnete gebe es für sie eine Rangfolge der Prioritäten, und dort stehe das amerikanische Volk an erster Stelle.
Ob das Corona-Hilfspaket als Blaupause für künftige Kompromisse taugt, zeigt sich schon bald, wenn der neue Präsident Biden die Zustimmung der Republikaner für ein weiteres Konjunkturpaket braucht. Denn einige der in dieser Nacht verabschiedeten Hilfen laufen bereits im Januar aus.