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Coronapandemie
Das Virus im Abwasser von Schultoiletten

Das Coronavirus lässt sich früher im Abwasser bestimmen, als es in den offiziellen Statistiken auftaucht. Eine Forscherin in England hat herausgefunden: Selbst das Abwasser von Schulen gibt frühzeitig Auskunft darüber, ob dort eine Person infiziert ist. Auch ein Pilotversuch aus Schwaben bestätigt das.

Von Hellmuth Nordwig |
Eine Sanierungsbedürftige Toilette in der Berufsschule für Bäcker und Konditoren in München.
Im Abwasser von Schultoiletten suchen Forschende nach Coronaviren (imago)
Im vergangenen Sommer wurden Schüler in England noch nicht auf das Coronavirus getestet. Damals kam Mariachiara di Cesare auf die Idee, in einer Pilotstudie stattdessen das Abwasser von Schulen zu untersuchen. Gemeinsam mit weiteren Spezialisten ihrer Hochschule installierte die Epidemiologin von der Middlesex University in London Probenahmegeräte, die regelmäßig das Abwasser von 16 ausgewählten Schulen abzweigten.
Gereinigtes Wasser strömt in das Filtrationsbecken eines Klärwerks
Messungen sind den Infektionszahlen um Tage voraus
Das Coronavirus taucht zuverlässig auch im Abwasser auf. Messungen in Kläranlagen sind den offiziellen Corona-Testergebnissen um mehrere Tage voraus. So lässt sich abschätzen, wie sich die Infektionszahlen weiterentwickeln.
"Wir haben die Proben zunächst an zwei, später an vier Tagen in der Woche genommen. So haben wir zwölf Proben pro Stunde in der Schulzeit gesammelt. Zusätzlich haben wir in der Hälfte der Schulen einen zweiten Probennehmer für die Mittagspause installiert, denn in dieser Zeit wird die Toilette vermutlich häufiger genutzt."
Untersuchung des Abwassers könnte ein Frühwarnsystem sein
Die Proben ließ die Forscherin dann mit der PCR-Technik analysieren. Die Ergebnisse waren eindrucksvoll. Im November, während der zweiten Welle in England, hat die Wissenschaftlerin das Coronavirus in jeder fünften Schule gefunden. Anfang Dezember war es sogar in 80 Prozent der Einrichtungen nachzuweisen. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Regierung Lockerungen beschlossen, die sie aber bald zurücknehmen musste. Das war nur eine kleine, nicht repräsentative Studie, die aber zeigt: Die Untersuchung des Abwassers könnte ein Frühwarnsystem sein. Außerdem können nach einem positiven Ergebnis die Betroffen mit Tests identifiziert werden. Dabei ist Mariachiara di Cesare wichtig: Was sie entdeckt, ist sicher nicht alles.
"Kinder wohnen ja nicht in der Schule. Sie gehen also zu Hause das erste Mal am Tag auf die Toilette und vielleicht gar nicht in der Schule. Das war einer der Kritikpunkte an unserer Studie. Zudem wissen wir, dass das Virus über den Stuhl ausgeschieden wird und nur zu fünf Prozent über den Urin. Viele Fachleute stellten also in Frage, dass wir überhaupt etwas finden würden."
Kommunales Projekt in Bayern bestätigt Potential
Genau deswegen hat etwa Jörg Drewes von der TU München eine solche Studie gar nicht erst begonnen, wie er auf Anfrage schreibt. Die Untersuchung aus England zeigt aber: Es werden ja Fälle entdeckt. Das war auch bei einem kommunalen Projekt so, das der Markt Meitingen bei Augsburg im März dieses Jahres begonnen hat. Zu dieser Zeit haben Schülerinnen und Schüler in Bayern sich noch nicht selbst getestet. Auch hier wurden Probennehmer in den Abwasserstrom von drei Kindergärten und vier Schulen eingebaut und alle zwei Tage in einem Testlabor mit dem PCR-Verfahren untersucht. Der Bürgermeister von Meitingen, Michael Higl:
"Insgesamt haben wir jetzt in der Zwischenzeit gute 20 Proben gezogen, wobei zwei Mal ein positives Ergebnis rauskam. Ich habe einen klar identifizierbaren Ausschlag der Werte gehabt, der auffällig war, was uns dann veranlassen konnte zu sagen: Wer war alles drin in diesem Gebäude, in dem wir gemessen haben? Da waren an dem Tag 250 Leute. Dann schauen wir mal genauer bei den 250 nach."
Das Rote Kreuz nahm Proben von diesen Lehrkräften und Schülern - und einer davon entpuppte sich als infiziert, ohne es gemerkt zu haben. Genauso war es beim zweiten positiven Fall in einem Kindergarten. Diese kleine Testserie erhebt nicht den Anspruch einer Studie, es war auch kein Wissenschaftler beteiligt. Aber die pragmatische Untersuchung hat gezeigt: Mindestens einige infizierte Kinder können dadurch aufgespürt werden, bevor sie viele andere anstecken. Auch mehrere Betriebe lassen deshalb inzwischen ihr Abwasser testen, etwa die Lechstahlwerke in Meitingen mit rund 1000 Mitarbeitenden.
Schottland startet Abwassertests
"Solange an den Schulen so eifrig getestet wird, ist die Frage jetzt, ob es gerade sinnvoll ist. Aber ich sehe es für die Zukunft sehr spannend, wenn wir nicht mehr zwei-, dreimal die Woche testen, dass man doch so ein Grundscreening mitbringt. Und da würde ich den Einsatz auf jeden Fall nochmal forcieren."
Die bayerische Regierung ist informiert, hat sich aber zu der Methode bisher nicht geäußert. Auch in England konnte Mariachiara di Cesare die Behörden noch nicht davon überzeugen, die Tests auszuweiten - es gebe einfach sehr viele Schulen. Die Regierung von Schottland sieht das offensichtlich anders: Dort soll ein Abwassertest an ausgewählten Schulen in diesen Tagen beginnen. Ein sinnvoller Zeitpunkt, denn Kinder werden zuletzt geimpft und können die Infektion bis dahin weitergeben.