Nach einer Empfehlung der Gesundheitsminister von Bund und Ländern sollen sich Reiserückkehrer aus Risikogebieten verpflichtend in Deutschland auf das Coronavirus testen lassen. Man sei sich einig, dass die Tests ausgeweitet werden müssten, ein konkreter Beschluss sei aber noch nicht gefasst, teilte Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci nach einer Videoschalte mit ihren Kollegen mit. Details sollten auf einer erneuten Gesundheitsminister-Runde am Freitag besprochen werden.
Nur ein Test bei Ankunft in der Heimat am deutschen Flughafen sei unsinnig, sagte Eckhard Nagel vom Institut für Medizinmanagement und Gesundheitswissenschaften der Universität Bayreuth. Denn trete eine Infektion erst im Flugzeug auf, sei diese kurze Zeit später bei Ankunft am Flughafen nicht feststellbar. Deshalb benötige es weiterer Teststrukturen, wenn man die Rückkehrer "sicher nach Deutschland wieder reinbringen will", forderte der Mediziner.
Für ihn wirke die Diskussion wie eine Placeboaktion. Es sei allen klar gewesen, dass jederzeit spontan wieder lokale Hotspots auftreten können. Er lobte das Konzept aus Bayern, wo Bürger jederzeit und überall einen Test durchführen könnten. Er kritisierte auch die hohen Kosten für einen Corona-Test. In Frankfurt koste ein Test 159 Euro. "Das ist bald so viel, wie der ein oder andere Flug kostet", sagte Nagel. Das rufe bei vielen Leuten auch einen Widerwillen auf.
Für ihn wirke die Diskussion wie eine Placeboaktion. Es sei allen klar gewesen, dass jederzeit spontan wieder lokale Hotspots auftreten können. Er lobte das Konzept aus Bayern, wo Bürger jederzeit und überall einen Test durchführen könnten. Er kritisierte auch die hohen Kosten für einen Corona-Test. In Frankfurt koste ein Test 159 Euro. "Das ist bald so viel, wie der ein oder andere Flug kostet", sagte Nagel. Das rufe bei vielen Leuten auch einen Widerwillen auf.
Durch Reisen und die Öffnung von Grenzen, müsse man mit erhöhten Risiken leben. Aber nach einer Reise könne ein Test sinnvoll sein, dieser müsse aber verfügbar und bezahlbar sein, sagte der Ethiker im Dlf. Ihn irritiere auch, warum die Diskussion erst jetzt Ende Juli geführt werde, wo in vielen Bundesländern schon die Sommerferien angefangen haben und die Reisewelle laufe. Nagel nahm dabei auch das Flugzeug als potentiellen Infektionsherd ins Visier. Er plädierte an die Passagiere und Fluggesellschaften, FFP2-Masken auszugeben. Ein Corona-Test sei hier nicht ausreichend.
Das Interview im Wortlaut:
Jörg Münchenberg: Rückkehrer aus sogenannten Risikogebieten sollen an Flughäfen verpflichtend getestet werden. Das ist zumindest das Ziel der Gesundheitsminister. Ganz grundsätzlich: Ist das ein sinnvoller, ein guter Ansatz?
Eckhard Nagel: Wir haben ja immer eine Diskussion darüber, was ein Test bringt, ob er tatsächlich Sicherheit gibt für denjenigen, der sich testen lässt, und wenn ja, für welchen Zeitraum. Und wenn man jetzt bedenkt, dass ich mich vielleicht im Flugzeug angesteckt habe, – das ist ja eine der großen Sorgen, die wir diskutieren -, dann ist natürlich ein Test direkt nach dem Flug unsinnig. Das heißt, man muss eine weitere Teststruktur aufbauen, wenn man wirklich die Urlauber sicher in die "Resozialisierung" nach Deutschland wieder reinbringen will.
Ein Test am Flughafen hilft uns nicht
Münchenberg: Aber wenn Sie faktisch sagen, ein Test ist ja nur eine Momentaufnahme, ist das dann nicht ein Stück weit auch eine Placebo-Aktion?
Nagel: So scheint es mir, denn ich denke, am Anfang war es ja so, dass wir relativ euphorisch waren zu sagen, wir öffnen die Grenzen wieder, man kann in verschiedene Länder Europas wieder reisen, weil dort auch eine Sicherheit besteht. Es war allen klar, dass immer wieder Situationen in den verschiedenen Regionen auftauchen können, wo spontan Hotspots entstehen, und dass das ein Risiko darstellt. Das gilt aber nicht nur für europäische Länder, sondern das gilt natürlich auch für Orte hier in der Bundesrepublik.
Insofern müssen wir lernen, damit umzugehen, und einfach ein Test am Flughafen hilft uns da nicht. Ich glaube, die Strategie, wofür Bayern sich entschieden hat, nämlich möglichst überall Tests anzubieten und das zu jeder Zeit, ist etwas, was richtiger ist, denn sobald eine Unsicherheit entsteht, kann hier zum Beispiel auch zehn Tage nach einem Flug dann ein Test durchgeführt werden.
Herr Capellan hatte ja schon gesagt,
es ist problematisch mit der Bezahlung. Im Moment ist es so, dass Sie in Frankfurt auf dem Flughafen für 159 Euro einen Test machen können. Das ist bald so viel, wie vielleicht der eine oder andere Flug kostet. Hier, glaube ich, ist eine Situation, die für viele Leute auch keine Möglichkeit bietet, wirklich dann einen Test durchführen zu lassen, oder auch einen Widerwillen aufruft, und – auch darauf muss hingewiesen werden …
Kostenlose Tests sind eine Antwort
Münchenberg: Aber die Frage ist ja schon – die haben Sie gerade angesprochen: Wer soll das denn alles bezahlen? Die Bayern wie gesagt gehen den Weg und sagen, wir bieten alles kostenlos an. Aber das bedeutet ja schon unter dem Strich erhebliche Kosten für den Steuerzahler.
Nagel: Das sind erhebliche Kosten, aber das sind Kosten der Reisefreiheit, wenn man sich mehr bewegt, und ich glaube, das ist etwas, wo es einen Konsens gab, dass man das tun will und dass Grenzen offen sein sollen. Dann muss man in Corona-Zeiten davon ausgehen, dass Risiken bestehen, und die müssen auch abgedeckt werden. Insofern glaube ich, dass kostenlose Tests eine Antwort sind. Es macht keinen Sinn, sich ständig testen zu lassen oder bei jeder Unsicherheit einen Test durchzuführen, aber nach einer Reise, insbesondere in den ersten 14 Tagen, kann ein Test sinnvoll sein. Dementsprechend sollte der kostenlos und auch unproblematisch durchzuführen sein. Ein großes Problem ist ja die Organisation: Wenn ich das gerne möchte, wo mache ich das. Auch das ist in vielen Bundesländern noch unzureichend geklärt.
Münchenberg: Auf der anderen Seite ist ja auch ein Gegenargument, dass man sagt, wenn jetzt nur Rückkehrer aus Risikogebieten getestet werden, was ist eigentlich mit denen, die zum Beispiel in Schweden oder in Kroatien oder in Südspanien waren, wo es auch immer wieder lokale Corona-Hotspots gab? Die fallen ja dann eigentlich durchs Raster, weil die sowieso nicht getestet werden.
Nagel: Genau! Deswegen ist die Frage, ob es wirklich sinnvoll ist, die Flughäfen jetzt auszustatten. Viele Menschen werden Urlaub machen, zum Beispiel, Sie haben es genannt, in Kroatien, in Slowenien, auch in bestimmten anderen Regionen wie Katalonien, wo es jetzt wieder mehr Infektionen gegeben hat. Das bedeutet, dass ich immer mich selbst orientieren muss, war ich in einer Region, in der es ein Risiko gibt. Und natürlich: Das spezielle Problem, was wir ansprechen müssen: Ist das Flugzeug ein Ort, wo ich mich besonders infizieren kann? Hier gibt es ja viele Argumente, dass das tatsächlich ein Risiko ist in der Art und Weise, wie wir jetzt Flüge durchführen. Ich persönlich würde denken, dass es unbedingt notwendig ist, FFP2-Masken zu tragen und auch die Fluggesellschaften dazu zu verpflichten, diese an die Reisenden auszugeben, weil nur dann hat man eine halbwegs gute Sicherheit, dass dieser Flug nicht zu einem Risiko wird. Aber das sind individuelle Punkte, die durch generelle Testung an Flughäfen nicht gelöst werden.
Möglichkeiten für Testkapazitäten sind gegeben
Münchenberg: Herr Nagel, wenn ich Sie richtig verstanden habe, sagen Sie schon, möglichst viele Tests, das ist schon ein sinnvoller Ansatz. Aber es gibt manche Kritiker, die sagen, damit werden vielleicht Kapazitäten einfach zu früh ausgeschöpft und fehlen dann vielleicht auch an anderer Stelle.
Nagel: Nein! Wir haben im Moment die Situation, dass wir genügend Testkapazitäten in der Bundesrepublik haben. Wir haben eine ganze Reihe von sogenannten Teststrecken an Gesundheitsämtern, an Krankenhäusern, im Bereich des Roten Kreuzes geschlossen – deshalb, weil wir im Moment dankenswerterweise auch keine großen Risikosituationen in der Bundesrepublik haben. Das heißt, die Möglichkeit ist in jedem Fall gegeben.
Das was man organisieren muss ist die Durchführung, die sichere Durchführung, denn man kann sich natürlich auch bei dem Erheben von Tests infizieren. Das ist wichtig. Und der zweite Punkt ist natürlich die Zugänglichkeit, und da spielen Kosten natürlich eine große Rolle. Das heißt, die Zurverfügungstellung durch den Steuerzahler ist ein Teil sicherlich bei der Art und Weise, wie wir mit Corona im Moment umgehen sollten.
Münchenberg: Herr Nagel, wir haben jetzt fast Ende Juli. Viele sind ja auch schon im Urlaub oder stehen kurz davor. Da stellt sich ja schon die Frage: Das was jetzt auf Bund-Länder-Ebene diskutiert wird, kommt das nicht alles viel zu spät?
Nagel: Das ist das, was einen wirklich wundert, dass uns jetzt auffällt, es könnte ein Risiko sein zu reisen. Das ist ja sehr intensiv diskutiert worden in den Monaten Mai und Juni. Da war klar, dass Reisen ein zusätzliches Risiko bedeutet, aber auch wünschenswert ist. Von der Seite her hätte man längst ein entsprechendes Konzept vorlegen müssen und man wischt sich etwas verwundert die Augen, dass man sich jetzt noch nicht darüber einigen kann, oder auch keinen Plan dafür hat, was eine sinnvolle Teststrategie im Kontext mit Ferienreisen ist.
Münchenberg: Nun wurde aber trotzdem das föderale Prinzip gerade in der Corona-Krise immer wieder gelobt, weil man gesagt hat, man konnte lokal sehr gut reagieren. Zeigt aber jetzt nicht auch das Beispiel über den Umgang mit den Reiserückkehrern, dass der Föderalismus da doch wieder auch an seine Grenzen stößt?
Nagel: Ich glaube, man muss unterscheiden. Ich habe ja selbst gesagt, die Corona-Krise ist eine Sternstunde des Föderalismus unter der Maßgabe, dass man tatsächlich regional adäquat reagieren kann, wenn eine Ausbruchssituation vorliegt, und das haben wir jetzt immer wieder bei den sogenannten Hotspots ja auch erlebt. Das kann man aus Berlin heraus nicht steuern. Aber ich denke, es ist ganz klar, dass zum Beispiel bei der Frage, wie gehen wir mit Testungen um, wie sind Reiseorganisationen umzusetzen, darf man und in welcher Art und Weise öffentliche Verkehrsmittel nutzen, das sind Dinge, die müssten einheitlich geregelt sein, weil sie ja schnell über Bundesländergrenzen hinausgehen. Deshalb, glaube ich, braucht es hier eine Symbiose aus föderalen Entscheidungen, die für die Gesundheitsversorgung relevant sind, und übergeordneten Entscheidungen, die dann letztlich für uns alle auch Orientierung geben.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.