Mit viel Schwung setzte das Orchester des Teatro alla Scala am Samstagabend zur Ouvertüre der Premiere von Rossinis "Il Turco in Italia" an. Am Sonntag blieb der Vorhang jedoch unten. Das Publikum konnte am Nachmittag auf einem Aushang der Scala im bürokratischen Stil eine Verlautbarung lesen:
"Es wird mitgeteilt, dass in Zusammenhang mit der Verbreitung des Coronavirus die Aufführungen des Teatro alla Scala als Vorsichtsmaßnahme in Erwartung weiterer Entscheidungen der zuständigen Behörden abgesagt werden müssen."
Das Virus, das sich in den vergangenen Tagen in einem Gebiet südlich von Mailand ausgebreitet hatte, und unter anderem auch in Turin, Padua und dem Aosta-Tal aufgetreten war, hat zu Absagen fast aller Kulturveranstaltungen zwischen Turin und Triest geführt. Auch öffentliche Veranstaltungen des Karnevals in Venedig wie in Mailand, der nach lombardischen Ritus bis kommenden Sonntag andauert, wurden abgesagt. Alle Kinos und Theater bleiben geschlossen.
Kultur in Krisenzeiten
Buchhandlungen veranstalten keine Lesungen mehr. Popkonzerte dürfen bis auf weiteres nicht stattfinden. All das geht auf Anordnungen der Regionalverwaltungen zurück. Das gilt auch für museale Einrichtungen etwa für die Mailänder Pinakothek Brera oder die Triennale. Sogar der Mailänder Dom darf nicht mehr betreten werden, Priester sollen in Kirchen keine Messen mehr lesen. Was einerseits in den Medien als Vorsichtsmaßnahme begrüßt wird, findet nicht überall ungeteilte Zustimmung.
Fiorenzo Grassi von der Leitung des Teatro Elfo Puccini, der größten Privatbühne Mailands, weist nicht nur auf Verträge und Kosten hin: "Uns betrübt das, das ist ein böses Zeichen und es stellt uns vor Probleme." Er betont die soziale Bedeutung des Theaters besonders in Krisenzeiten. Wenn Geschäfte von Supermärkten bis zu Kaufhäusern und ebenso die Restaurants weiter geöffnet bleiben können, sei das ein Widerspruch. In der Millionenstadt Mailand habe es bislang nur einen einzigen Fall einer Erkrankung mit dem Coronavirus gegeben. Man solle den Menschen die Möglichkeit geben, gemeinsam Vertrauen zu entwickeln. Sonst komme es zu Panikreaktionen wie bereits bei ersten Hamsterkäufen am Sonntag, meint Fiorenzo Grassi.
"Vorbeugung tut not, einverstanden. Wir schließen seit heute für eine Woche. Doch das Zeichen, das man so gibt, ist falsch."
Wie es scheint, hatte auch dem Mailänder Bürgermeister Giuseppe Sala von der sozialdemokratischen Partei zunächst für eine weitere Öffnung wichtiger Kultureinrichtungen plädiert. Er konnte sich aber nicht gegen die von der Lega regierte Region Lombardei durchsetzen, die in diesem Fall bestimmend ist. Was bleibt ist die vielleicht vage Hoffnung, die Ausbreitung des Virus bis zum kommenden Wochenende in den Griff zu bekommen. Damit die Vorhänge wieder aufgehen können.