Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius hat im Interview mit dem "Spiegel" ein härteres Vorgehen gegen Corona-Falschnachrichten gefordert. "Fake News zur Versorgungslage in Zeiten der Coronakrise sind brandgefährlich", so der SPD-Politiker.
"Sie können Panik, Hamsterkäufe und Konflikte auslösen und sind daher auf das Schärfste zu verurteilen. Daher müssen wir mit Bußgeldern oder sogar Strafandrohungen abschrecken". Eine Möglichkeit dafür könne laut Pistorius sein, das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten beziehungsweise das Strafgesetzbuch anzupassen.
Bei den von Pistorius geforderten Maßnahmen gegen Falschinformationen in der Coronakrise stellten sich allerdings Grundsatzfragen, erläuterte Deutschlandfunk-Hauptstadtkorrespondent Johannes Kuhn im Gespräch mit @mediasres.
Keine Unterstützung für Pistorius' Vorschlag
"Die Wahrheit ist ja nicht immer so einfach festzustellen. Was wäre die Instanz, die das tut? Geht es bei Falschnachrichten um die Urheber? Wie finde ich die? Und wie kann man bei Verbreitung Vorsatz nachweisen?" Oft fände eine solche Verbreitung nämlich nicht böswillig statt, sondern weil man andere Menschen warnen wolle.
Die Reaktionen auf den Vorstoß von Pistorius seien deshalb bislang auch nur sehr verhalten, so Kuhn. "Das Bundesinnenministerium hat bereits abgewunken, hat gesagt, geeignete Kommunikation ist das beste Mittel. Ähnlich hat sich auch Pistorius' Parteikollegin, Bundesjustizministerin Christine Lambrecht, geäußert: Fakten und ein gesundes Misstrauen ist das Beste. Aber sie hat auch gesagt, dass Twitter, Facebook und Google noch mehr tun müssen, um solche Falschnachrichten aus dem Verkehr zu ziehen."
Der Deutsche Journalistenverband reagierte ebenfalls mit Ablehnung auf den Vorschlag von Pistorius. Nach der Coronakrise könnten dann "alle Medienhasser, Rechtsextremisten und Verschwörungstheoretiker die Ermittlungsbehörden mit Klagen gegen angebliche Lügen der Presse fluten", so der DJV.
"Staat hat nicht das Wahrheitsmonopol"
Zwar sei es unwahrscheinlich, dass es daraufhin zu Verurteilungen käme, denn zwischen Vorsatz und Fahrlässigkeit bestehe auch bei journalistischen Fehlern ein himmelweiter Unterschied, so der Verband weiter. "Aber die Justiz und letztlich auch die Anwälte der Medienunternehmen haben etwas Besseres zu tun, als sich mit solchen Fällen herumzuschlagen."
Dass ein Staat nicht die Beurteilung von Falschnachrichten verantworten sollte, hat für Dlf-Korrespondent Johannes Kuhn aber noch andere Gründe. "Wir leben in einer pluralen Gesellschaft, der Staat hat nicht das Wahrheitsmonpol. Eine Infrastruktur mit direktem staatlichem Zugriff kann schnell missbraucht werden." Das zeigten beispielsweise Gesetze in repressiveren Staaten, in denen so die Meinung der Opposition unterdrückt werde.
Und auch der sogenannte Chilling-Effekt spielt laut Kuhn eine große Rolle: "Wenn plötzlich das Verbreiten von Nachrichten so problematisch ist unter dem Vorbehalt, dass man belangt werden kann, kann das zur Folge haben, dass sich Menschen lieber gar nicht mehr zu Wort melden."