Skisprung, Biathlon, aber auch einige alpine Rennen, wie in Kitzbühel, leben vom Publikum und der Stimmung an der Strecke. Doch während der Corona-Pandemie können die Verbände und Organisatoren nicht wie sonst mit Zehntausenden Zuschauerinnen und Zuschauern kalkulieren. Nach einem Workshop am ersten Juli-Wochenende hat zumindest der Deutsche Skiverband (DSV) erste zuversichtliche Meldungen ausgesendet.
Die Präsidenten des Ski-Clubs Willingen, Jürgen Hensel und Wilhelm Saure, haben dort ein Konzept für personalisierte Tickets für den Skisprung-Weltcup vorgestellt. Demnach sollen die Daten aller Zuschauer mehrfach erhoben werden, um zu wissen, wer sich in welchem Block aufgehalten hat. Auch mit einem Tribünenbauer werde bereits ein Konzept erarbeitet, um den Corona-konformen Mindestabstand zwischen den Fans gewährleisten zu können. Als Vorbild diene das von den Gesundheitsbehörden prinzipiell genehmigte Konzept für die Fußball-Bundesliga in Leipzig, so Hensel.
Grundsätzlich gibt sich der DSV aber vorsichtig. Der Pressesprecher des Verbands, Ralph Eder, sagte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk, man habe zwar den Vorteil, dass die Wintersportarten im DSV - unter anderem Ski alpin, Biathlon und Skispringen - Freiluftsportarten seien. Dennoch könne man nicht verallgemeinern, da schon in deutschen Bundesländern unterschiedliche Vorgaben gelten. Die Vorgäben kämen letztlich von der Politik.
Man spiele unterschiedliche Szenarien durch, so Eder: "Wie verfahren wir, wenn wir unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden? Welche Maßnahmen ergreifen wir, wenn wir mit Zuschauern arbeiten können?", fragt der Pressesprecher. Allerdings könne der DSV zum aktuellen Zeitpunkt nicht konkreter werden.
Weltverbände geben Richtung vor
Grundlage dafür, dass Veranstaltungen ausgetragen werden können, seien die Bestätigungen des Weltskiverbandes FIS und der Internationalen Biathlon Union IBU. Von dort sei klar signalisiert worden, dass man mit dem aktuellen Kalender plane. Die FIS hatte bekannt gegeben, dass die alpine Ski-WM im italienischen Skiort Cortina d’Ampezzo stattfinden soll, und in Absprache mit den nationalen Verbänden auch die Ski-Weltcups in Österreich und Deutschland. Die Saison soll demnach wie geplant Ende Oktober beginnen.
Der DSV habe die Austragung bestätigt, selbst wenn die Zahl der Zuschauer limitiert sei, heißt es auf der Seite der FIS, und nehme dabei verschiedene Faktoren in Betracht: den Status der Pandemie, mögliche Reisedaten, politische Entscheidungen und die Erstellung von Hygiene- und Sicherheitskonzepten.
Beim Bob- und Schlittenverband Deutschland (BSD) plant man erst einmal ohne Zuschauer. Thomas Schwab, der Vorstandsvorsitzende des Verbands, der zugleich Vizepräsident Marketing beim Weltverband FIL ist, sagte dem Deutschlandfunk, das Wichtigste sei, sich intern so aufzustellen, dass der Sport stattfinden könne. Beim Rodeln, Bobsport und Skeleton gibt es - anders als beispielsweise beim Skispringen - keine Tribünen, die Zuschauer verteilen sich an den Laufwegen und Gehwegen.
Wenn eine begrenzte Zuschauerzahl zugelassen sei, dann müsste das Publikum aber "komplett abgeriegelt vom Sport" sein, sodass die Aktiven und sportlich Beteiligten geschützt seien.
Die Schlittensportarten sind Fernsehsportarten und demnach auch abhängig von TV-Einnahmen. Die Vorstellung, dass für einen Weltcup am Freitag die TV-Übertragungen aufgebaut werde, "und am Donnerstag sperre ich den Laden zu", ist für Schwab ein Schreckensszenario. Die Fernsehzeit sei in den Verträgen geregelt. "Wenn die nicht da ist, hat man Null von seinem Vertrag erfüllt und dann steht die Sportart vor einem großen Problem." Wenn Zuschauereinnahmen wegfallen, dürfte das das deutlich kleinere Übel sein.
Bob- und Schlittenverband: Teams könnten getrennt werden
Schwab betonte: "Für uns ist das Wichtigste unser eigenes Konzept, egal welche Ministerpräsidenten was lockern." Das Konzept des BSD sei "strenger als alles, was jetzt gilt". Schwab hofft, dass in Zusammenarbeit mit den internationalen Rodel- und Bobsportverbänden FIL und IBSF ein gemeinsames Gesamtkonzept entsteht, das von den nationalen Verbänden umgesetzt wird. Am liebsten wäre dem Verbandschef ein Gesamtkonzept für den gesamten Wintersport. Darüber habe sein Verband auch mit dem DSV gesprochen. Dessen Weltverband FIS müsse aber entscheiden. Der DSV bestätigte dem Deutschlandfunk diese Gespräche.
Im Hygienekonzept des deutschen Bob- und Schlittenverbands seien in Zusammenarbeit mit den internationalen Dachverbänden alle Abläufe geregelt, was Reisen betrifft, auf welchem Weg auch einzelne Teams getrennt werden können, damit bei einem positiven Fall nicht ein ganzes Team ausfalle. Auch das Wettkampfpersonal solle reduziert werden. Die Kampfrichter gehörten oft zu der gefährdeten Altersgruppe, die zu schützen seien.
Im Biathlon spielt man derzeit verschiedene Szenarien durch – mit und ohne Zuschauer. Der Kommunikationsdirektor der Internationalen Biathlon Union (IBU), Christian Winkler, sagte dem Deutschlandfunk, dass man im Moment von den Organisatoren der Weltcups eine zweigleisige Planung verlange: "1. Unter welchen Bedingungen könnte momentan ein Wettkampf mit Zuschauern stattfinden? 2. Was würde es (für euch) bedeuten, einen Wettkampf ohne Zuschauer durchführen zu können?" Die Biathlon-Weltcups sind zwar auch große Fernsehevents, aber dort spielen Zuschauereinnahmen eine größere Rolle als in den Schlitten-Sportarten. Die Eintrittsgelder kommen den Organisatoren vor Ort zu, sodass sie unter Wettkämpfen ohne Publikum finanziell besonders leiden würden. Die IBU habe die Organisatoren der Weltcups, die in vergangenen Saison bereits von der Coronavirus-Pandemie betroffen gewesen sind, Nove Mesto und Kontiolahti (ohne Publikum), sowie Oslo (abgesagt) finanziell unterstützt.
Kein einheitliches Wintersportkonzept in Sicht
Was die organisatorischen Herausforderungen betrifft, betonte auch Winkler die regionalen Unterschiede bei den Regelungen. Zwischen Oberhof in Thüringen und Ruhpolding in Bayern bestehe schon ein "massiver Unterschied in der Handhabung". Derzeit frage die IBU ab, welche Regeln an den elf geplanten Wettkampforten bestehen. Es sollen so viele Weltcups wie möglich stattfinden, aber wenn die Situation es erforderlich mache, bleibe man möglicherweise auch länger an einem Ort, und führe dort mehrere Weltcups durch.
Zudem bemühe sich die IBU um ein international gültiges Hygienekonzept. Auch Kommunikationsdirektor Winkler betonte, dass eine Kooperation zwischen den Wintersportverbänden stattfinde. Grundsätzlich seien die Disziplinen aber sehr unterschiedlich, was ein einheitliches Konzept für alle Wintersportarten erschwere.