Raphael Späth: Herr Bohmann, wieso ist es für den deutschen Handball keine Option, die Saison vorzeitig abzubrechen, wie es die Deutsche Eishockey-Liga getan hat?
Frank Bohmann: Die Deutsche Eishockey Liga hatte eine Hauptrunde abgeschlossen, die deutsche Eishockey-Liga hatte die allermeisten Spielerverträge tatsächlich mit der Hauptrunde gekündigt. Die Playoff-Teilnehmer können dann diese Verträge einmalig verlängern. Es ist gang und gäbe in der Deutschen Eishockey Liga nur Jahresverträge zu machen. Das ist im Handball ganz anders. Wir haben in der Regel Verträge über mehrere Jahre mit unseren Spielern. Von daher haben wir da eine ganz andere Situation. Zudem hat die Deutsche Eishockey Liga keine Auf- und Absteiger. Das ist ein geschlossenes System, von daher schadet das da keinem. Für uns es ist es nach wie vor die sportlich gerechteste Lösung, tatsächlich ein Auf- und Abstieg auszuspielen. Genau wie den Deutschen Meister, genau wie die Qualifikation zu den Europapokalplätzen. Die Optionen je nachdem, wie groß die Chancen sind, wollen wir uns bewahren und würden uns ärgern, wenn ein Spielen doch möglich wäre und wir hätten diese Chance nicht genutzt.
"Es ist schwierig, Sponsoring-Verträge abzuschließen"
Späth: Jetzt hat die Handball-Bundesliga heute Nachmittag eine Mitteilung veröffentlicht, in der von einer nie dagewesenen Herausforderungen für die Vereine gesprochen wird - vermutlich dann auch auf wirtschaftlicher Ebene. In welcher Größenordnung bewegt sich dann dieser wirtschaftliche Schaden?
Bohmann: Ja, das ist schwer abschätzbar und nach Fußball-Maßstäben sind das sicherlich auch kleine Brötchen. Aber der Schaden wird allein bis zum Ende der Saison pro Klub bei vielen hunderttausend Euro sein, Ein mittlerer sechsstelliger Betrag im Durchschnitt. Und das ist ein ein dickes Brett für die Klubs. Aber das ist vielleicht sogar noch managebar. Die viel größere Herausforderung ist tatsächlich auch, die Kalkulation für die kommende Saison und die Jahre danach hinzukriegen. Es ist momentan praktisch unmöglich, in den Dauerkartenverkauf zu gehen. Es ist äußerst schwierig, Sponsoring-Verträge für die kommende Saison abzuschließen. Und das ist für Handball und auch für Basketball und Eishockey das viel größere Thema als Medienverträge. Diese Haupteinnahmequellen sind sehr, sehr erschwert nur machbar, und das macht den Job derzeit so schwierig und wir haben zurzeit eine Managementherausforderung, wie wir sie in der Vergangenheit glaube ich noch nie gehabt haben.
Späth: Wie kann man denn jetzt diese Herausforderungen bewältigen und Vereine retten, die dann auch vor der Insolvenz stünden?
Bohmann: Genau darüber haben wir heute auch gesprochen. Wir haben Management-Empfehlungen gegeben, ein Muster für einen Handlungsplan den Managern mit auf den Weg gegeben. Davon ist vieles schon bei den Klubs gemacht worden. Wir haben über die Möglichkeiten der staatlichen Förderung gesprochen. Da hoffen wir, dass wir Mittel und Wege finden, auf diesen regulären Wegen die Liquidität und damit auch den Bestand der Handball-Bundesligisten in der 1 und 2. Liga zu sichern.
"Gehaltsverzicht? Gehe davon aus, dass die Spieler ihren Teil beitragen werden"
Späth: Bob Hanning, DHB-Vizepräsident und Geschäftsführer von den Füchsen Berlin, hat heute auch betont, dass eventuell Spielergehälter mal ausgesetzt werden müssen - die Spielergewerkschaft aber in diese Prozesse mit eingebunden werden soll. Welche Rolle spielen dabei die Spieler?
Bohmann: Die Spielergewerkschaft, mit der es gestern einer Konferenz gab und morgen eine Konferenz geben wird, zeigt sich sehr kooperativ. Sie sehen, dass sie einen Teil der Handball-Familie sind. Sie haben auch über viele Jahre von dem Boom, den der Handball erlebt, profitiert. Jetzt gehe ich davon aus, dass die Spieler auch ihren Teil dazu beitragen werden. Ob wir das über die Medien jetzt nach vorne tragen, ist glaube ich gerade der falsche Weg. Wir sind hier im Dialog und das möchte ich eigentlich nicht weiter ausführen gefordert, bevor wir das Gespräch mit der Spielergewerkschaften und den Spielern selbst nicht tatsächlich beendet haben. Aber die Spieler machen einen großen Kostenblock aus wie in jeder Sportart, wie im Fußball, und auch wie im Basketball oder Eishockey. Und die werden ihren Teil mit dazutun müssen.
Späth: Wie geht es denn jetzt unmittelbar weiter? Heute gab es ja den ersten Corona-Fall auch in der Handball-Bundesliga. Gerade jetzt, auch im Hinblick auf Training und Quarantäne: Gibt es da schon Pläne?
Bohmann: Das wird mit Sicherheit nicht der letzte Fall gewesen sein. Darauf werden wir uns einstellen müssen. Trainiert wird meines Wissens derzeit an gar keinem Standort. Die meisten Trainingsfazilitäten sind gesperrt. Aber anders als ein Arbeiter in der Wirtschaft oder in einem Büro werden unsere Spieler weiter trainieren müssen, um ihren Beruf irgendwann mal wieder auszuüben. Es ist von einem Leistungssportler nicht zu verlangen, dass er jetzt drei Monate die Hände im Schoß gelebt und dann vielleicht noch länger, wenn der Zustand weiter anhält. Hier wird weiter trainiert werden müssen. Ob nun individuell oder mit der Mannschaft, das werden wir sehen. Aber sonst würde man diesen Spielern ja die Existenzgrundlage entziehen.