Bei der Einreise nach Deutschland gelten seit Sonntag (14. Februar 2021) schärfere Regelungen. Aus Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol dürfen nur noch Deutsche sowie Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland einreisen. Ausnahmen gibt es für Gesundheitspersonal und Lastwagenfahrer. Alle Einreisenden müssen einen negativen Corona-Test vorlegen.
Theurer (FDP): "Chaotische Situation"
Vize-Fraktionschef und Wirtschaftsexperte der FDP, Michael Theurer, kritisierte, dass die Bundesregierung mit den Grenzkontrollen in eine chaotische Situation hineinstolpere, obwohl breits seit Monaten von den Coronavirus-Mutationen gesprochen werde.
Die Bundesregierung hätte bereits "Kriterien vorsorglich aufstellen können, nach denen jetzt Einreisen möglich sind," sagte der FDP-Politiker im Dlf.
Mayer (CSU): Grenzkontrollen derzeit notwendig
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium,
Stephan Mayer, verteidigte hingegen die Grenzkontrollen
bei der Einreise von Österreich und Tschechien nach Deutschland. Zum jetzigen Zeitpunkt seien die Grenzkontrollen notwendig und da habe man schnell reagieren müssen, sagte der CSU-Politiker im Dlf.
Durch die Kontrollen könne die Ausbreitung des mutierten Virus deutlich eingegrenzt werden. In den nächsten zwei Tagen müssten nun gemeinsam mit den Partnerländern vernünftige Lösungen gefunden werden.
Ansonsten müsse nun "auf Sicht" gefahren werden, so Mayer (CSU). Ob die Grenzkontrollen in zehn Tagen aufgehoben werden, läge ausschließlich wie sich der Virus in den Grenzregionen ausbreite.
Jörg Münchenberg: Herr Theurer, das Innenministerium verteidigt die verschärften Grenzkontrollen. Aus Ihrer Sicht: Sind die berechtigt?
Michael Theurer: Das ist ein einziges Chaos und die Belastungen für die Menschen in Grenzregionen und für die Wirtschaft sind immens. Nach meinem Dafürhalten ist es ein Trauerspiel, dass die Bundesregierung hier nicht früher sich vorbereitet hat auf den Schutz vor hoch ansteckenden Mutationen.
Über die wird seit Monaten gesprochen und als im Dezember die Flüge von London nach Deutschland gestrichen wurden, habe ich zum Beispiel bereits EU-einheitliche Regeln gefordert. Deutschland hat, wenn ich richtig gerechnet habe, neun Nachbarn mit einer direkten Außengrenze. Da hätte ja die Bundesregierung bereits diese Kriterien vorsorglich aufstellen können, nach denen jetzt Einreisen möglich sind.
Wir brauchen da dringend vor allen Dingen auch Selbst-Schnelltests für Fahrer, eine klare Regelung, wer rüber darf und wer nicht. Und vor allen Dingen hätte man natürlich auf die Virologen hören müssen, die schon vor über einem Jahr Genomsequenzierungen gefordert haben, die ja in Deutschland lange Zeit praktisch nicht vorgenommen worden sind.
Auf eine Anfrage von mir hat die Bundesregierung, hat Minister Spahn erklärt, dass im Dezember nur jede 1.600. positive Corona-Testprobe überhaupt auf Mutationen untersucht worden ist. Ich habe den Eindruck, da stolpert die Bundesregierung wieder einmal hier in eine chaotische Situation hinein.
Bereits im Dezember wurden Flüge wegen der Coronavirus-Mutationen gestrichen
Münchenberg: Auf der anderen Seite, Herr Theurer, hat der Staatssekretär ja auf Gefahr im Verzug verwiesen, hat gesagt, die Inzidenz-Zahlen sind enorm nach oben geschossen in Tschechien und Tirol. Auf der anderen Seite: Es gibt ja keine Abstimmung innerhalb Europas. Jeder macht ja faktisch trotzdem was er will, zum Beispiel Österreich auch.
Theurer: Das ist sehr richtig. Aber dass die Abstimmung in Europa nicht richtig funktioniert, da hatte Deutschland die Ratspräsidentschaft bis Ende des Jahres. Da war ja Minister Seehofer selber auch zuständig. Und die Mutationen, wie gesagt: Bereits im Dezember hat man Flüge von und nach Deutschland von London und anderen britischen Flughäfen gestrichen.
Da kann ich nur feststellen, auch insgesamt, was die Tests an den Flughäfen angeht, funktioniert ja immer noch nichts – auch Zuständigkeit von Herrn Seehofer und der Bundesregierung. Quarantäne und Schnelltests an Flughäfen, das müsste doch organisierbar sein. Wir haben in Deutschland viele Branchen in Kurzarbeit. Wir haben die ganzen Security-Mitarbeiter, die arbeitslos sind oder in Kurzarbeit. Dass es da nicht gelingen soll, vorausschauend und vorsorglich dann Kontrollen und Teststationen an den Grenzen aufzubauen, versteht niemand.
"Der Minister Altmaier schlägt sich in die Büsche"
Münchenberg: Herr Theurer, lassen Sie uns noch kurz auf die Debatte im Inland eingehen. Der Lockdown gilt bis Anfang März. Danach will man weitersehen. Jetzt gab es die Wortmeldung von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer am Wochenende. Er hat gesagt, Osterferien sind faktisch auch schon gestrichen; die finden erst Anfang April statt. Sind solche Wortmeldungen zum jetzigen Zeitpunkt zielführend?
Theurer: Absolut nicht! Über Monate haben die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten die 50er-Inzidenz vor sich hergetragen. Dann plötzlich kam über Nacht 35. Wenn ich die Aussagen von Herrn Kretschmer zum Osterurlaub jetzt werte, dann würde das bedeuten, dass selbst bei 35, wenn die unterschritten wird, ein Osterurlaub nicht möglich ist. Das irritiert und man hat insgesamt den Eindruck, keine Öffnungsperspektive, kein Stufenplan, die Wirtschaft ist zweitrangig. Der Minister Altmaier schlägt sich in die Büsche. Bereits vor einem Jahr, am 14. 2., hatte ich einen Wirtschaftsgipfel gefordert; morgen ist jetzt einer.
"Vielen in der Wirtschaft steht das Wasser bis zum Hals"
Münchenberg: Diesen Wirtschaftsgipfel gibt es ja morgen zum Beispiel.
Theurer: Ja, morgen ist einer: 40 Verbände zwei Stunden, jeder Verband eine Minute 30. Ich habe gesagt, wenn Herr Altmaier da nur eine Laberrunde macht, bringt das nichts. Eigentlich müsste Herr Scholz dazu, damit endlich der Verlustrücktrag genehmigt wird, damit Stundungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Steuervorauszahlungen jetzt möglich sind. Einerseits müssen die Unternehmen vorauszahlen, andererseits müssen sie dann Hilfe beantragen, die nicht kommt.
Ich kann nur sagen, vielen in der Wirtschaft steht das Wasser bis zum Hals. Die kleinen und mittleren stehen mit dem Rücken zur Wand und da braucht man keine Gesprächsrunden, sondern da braucht man konkrete Ergebnisse. Im Grunde genommen muss die Bundeskanzlerin das zur Chefsache machen. Ich fordere seit Monaten ein Wirtschaftskabinett, so wie es ein Klimakabinett gibt, ein Corona-Kabinett. Jetzt muss der Wirtschaft mit konkreten Ergebnissen geholfen werden.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.