Archiv

Coronavirus
Wie Bayern kostenlose COVID-19-Tests für alle durchführen will

Ab 1. Juli können sich Menschen in Bayern kostenlos auf COVID-19 testen lassen auch ohne Symptome oder berechtigte Sorgen einer Ansteckung. Dafür stellt der Freistaat einen dreistelligen Millionenbetrag bereit und erhöht die Testkapazitäten, erklärt Gesundheitsministerin Melanie Huml dem Dlf. Vom Bund kommt Kritik.

Von Michael Watzke |

Wie sieht das bayrische Test-Konzept aus?

Jeder der 13 Millionen Einwohner Bayerns soll die Möglichkeit erhalten, sich auf COVID-19 testen zu lassen. Geplant sei dies bereits ab dem 1.Juli und richte sich ganz explizit auch an Menschen, die keine Symptome haben, sagte die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml gegenüber dem Deutschlandfunk: "Man geht zu seinem Hausarzt und führt den Test durch. Dafür haben wir eine Vereinbarung mit der kassenärztlichen Vereinigung abgeschlossen, worüber die Ärzte das entsprechend abrechnen können."
Noch wissen allerdings viele der Hausärzte in Bayern nichts von dem Vorhaben. Die Abrechnungsfragen dürften in den beiden kommenden Tagen bis zur Einführung am 1. Juli durch die Kassenärztliche Vereinigung noch geklärt werden.
Reagenzgläser
COVID-19 - Wie gut sind Antikörpertests?
Antikörpertests gelten als Hoffnungsträger in der Coronakrise: Sie sollen im besten Fall eine Immunität gegen das neue Virus nachweisen. Doch an der Verlässlichkeit hapert es noch.

Wer kommt für die Kosten auf?

Neben den Laborkosten von rund 60 Euro kommen noch Behandlungskosten beim Hausarzt (die Entnahme des Abstriches) und der Probenversand dazu. Ein Test kann insgesamt mehr als 100 Euro pro Person kosten. Bei dreizehn Millionen Bayern wären das entsprechend Kosten von mehr als einer Milliarde Euro.
Übernehmen will das der Freistaat Bayern, sagt Gesundheitsministerin Huml. Sie rechnet dabei allerdings nicht mit Milliardenkosten: "Wir haben momentan einen dreistelligen Millionenbetrag dafür eingeplant. Das ist es uns wert, weil zum einen ist es uns wichtig, dass wir frühzeitig wissen, ob jemand positiv ist. Aber gleichzeitig sollen die Menschen auch die Chance bekommen, sich testen zu lassen, wenn sie unsicher sind."
Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml
"Es bleibt wichtig, dass diejenigen, die Symptome haben, weiter prioritär getestet werden, um auch Infektionsketten gut nachverfolgen zu können", so die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml (Daniel Karmann/dpa)
Wer Fieber und trockenen Husten hat oder mit einer Person in Kontakt war, die Corona hat, der gehe beim Testen weiterhin vor, so Huml. Schließlich können die Labore in Bayern derzeit nur rund 21.000 Corona-Tests pro Tag ausführen. Und das ist schon viel.

Bei 21.000 Tests am Tag bräuchte es Monate, bis alle dran waren. Wie will Bayern das regeln?

Es bräuchte theoretisch 21 Monate. Deshalb will die bayerische Gesundheitsministerin auch die Test-Kapazitäten erweitern. Und sie geht gleichzeitig davon aus, dass sich eben nicht alle dreizehn Millionen Bayern testen lassen wollen, sondern vielleicht eine Million. Denn neben dem infektiologischen Gesamtbild, dass sich die bayerischen Behörden von der Aktion erhoffen, geht es auch um etwas anderes: die psychologische Komponente.
Die Menschen sollen sich mit dem Thema Corona auseinandersetzen und sie sollen daran erinnert werden, dass möglicherweise eine zweite Welle droht: Sie sollen es weiterhin ernst nehmen, wie die Kanzlerin das neulich formuliert hat.
Interaktive Karte mit COVID-19-Statistiken vom Zentrum für Systemwissenschaft und Systemtechnik der Johns Hopkins University in Baltimore
Coronavirus - Aktuelle Zahlen und Entwicklungen
Im Coronavirus-Zeitalter sind wir alle zahlensüchtig: Wie viele gemeldete Coronavirusfälle gibt es in Deutschland? Verlangsamt sich die Ausbreitung des Virus, wie entwickeln sich die Fallzahlen international? Ein Überblick.

Wie bewertet die Bundesregierung den bayrischen Alleingang?

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn sieht das eher skeptisch. "Einfach nur viel testen klingt gut, ist aber ohne systematisches Vorgehen nicht zielführend", erklärte er am Montagmorgen (29.06.2020). Weil ein Test eben immer nur eine Momentaufnahme sei. Und wer heute negativ getestet wird, könne sich möglicherweise in falscher Sicherheit wiegen, weil er schon morgen infiziert sein könne.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sieht dagegen keinen Widerspruch zur nationalen Test-Strategie. Er sagt, die Basis seien gezielte Serientests in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen. Das werde ohnehin gemacht. Nach den Schulferien werde es auch Serientests für Lehrer und Erzieher geben.
Aber darüber hinaus sei es sinnvoll, jedem Bürger einen Corona-Test anzubieten. Denn wer Sicherheit haben wolle, dem müsse der Staat auch Sicherheit geben. Das werde sicher nicht sofort von allen angenommen. Aber es sei ein sehr gutes Angebot für die Menschen.
Daraus kann auch politisches Kalkül herausgelesen werden. Der CSU-Chef weiß, dass ein solches Angebot beim Bürger gut ankommt. Neben Bayern kann sich allerdings kaum ein deutsches Bundesland dieses Angebot finanziell leisten.
Coronavirus
Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)