Coronavirus
Wie gefährlich ist die Delta-Variante?

Die Delta-Variante ist inzwischen auch in Deutschland die am weitesten verbreitete Coronavirus-Mutation. Sie gilt im Vergleich zum Wildtyp als ansteckender und gefährlicher. Ein Überblick.

    Vorbereitung von Schnelltest in Augsburg am 7. Juni 2021
    Wird die Delta-Variante des Coronavirus gegen den Wildtyp in Deutschland durchsetzen? (imago / Bihlmayerfotografie)
    Die Delta-Variante (B.1.617.2) des Coronavirus trat zum ersten Mal in Indien auf, verbreitet sich aber inzwischen unterschiedlich stark in Regionen auf der ganzen Welt. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) rechnet damit, dass Delta zur weltweit dominierenden Variante wird.
    Seit Ende Juni ist die Delta-Variante auch in Deutschland die vorherrschende. Einem Bericht des Robert Koch-Instituts vom 7.7.2021 zufolge macht sie 59 Prozent der Corona-Fälle in aus. Sie setzt sich damit rasant gegen die Alpha-Variante durch, in der Vorwoche hatte ihr Anteil noch bei 37 Prozent gelegen.
    Wie verbreitet ist Delta in Deutschland?
    Was sind die Unterschiede von Delta zum Wildtyp?
    Die Weltgesundheitsorganisation hat Delta als "besorgniserregend" eingestuft, also in die höchste Kategorie. Es gebe Hinweise, dass die erstmals in Indien nachgewiesene Variante ansteckender und womöglich auch unempfindlicher gegen Antikörper sei, so die WHO.
    Die Mutation hat im Vergleich zum Ursprungsvirus 15 Mutationen, im Mittelpunkt stehen dabei zwei, die das Spike-Protein betreffen. B.1.617.2. wird daher auch als Doppelmutante bezeichnet. Die Mutationen sind jeweils für sich betrachtet bereits von anderen Varianten bekannt. Die eine Mutation soll die Antikörperantwort etwas unterdrücken und die andere Mutation die zelluläre, den zweiten Arm der Immunantwort. Das ergebe möglicherweise einen sich gegenseitig verstärkenden Effekt, erklärt Lars Schaade, Vizepräsident des Robert Koch-Instituts.
    "Wir können klar sagen, dass sie sich schneller ausbreitet", sagte der Londoner Infektionsforscher Neil Ferguson über die Variante B.1.617.2. Daten der britischen Gesundheitsbehörden zufolge steigt die Chance, sich im eigenen Haushalt zu infizieren, um 64 Prozent im Vergleich zur Alpha-Variante. Die WHO warnt vor der Delta-Variante: Notfall-Direktor Mike Ryan zufolge hat die Variante das Potenzial, "tödlicher zu sein, weil sie in ihrer Übertragung von Mensch zu Mensch effizienter ist und somit die verletzlichen Individuen finden kann, die schwer erkranken, ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen und möglicherweise sterben".
    Die Illustration zeigt die Kronenzacken (Spikes) des Coronavirus. Links die britische, in der Mitte die brasilianisch und rechts die südafrikanische Variante. In diesem Bild sind die Atome der Spikes zu erkennen
    Wie gefährlich sind die Coronavirus-Mutationen?
    Mehrere Varianten des ursprünglichen Coronavirus sind in Deutschland angekommen. Wie gefährlich sind sie, wie wirksam sind die Impfstoffe noch? Ein Überblick.

    Welche Symptome löst die Delta-Variante aus?
    Die Forschenden der britischen Zoe Covid Symptom Studie, für die Menschen ihre Symptome hochladen können, haben festgestellt, dass die vorherrschenden Symptome der neuen Variante bei jungen Menschen eine laufende Nase und Kopfschmerzen sind. Die bisher für Corona als klassisch geltenden Symptome wie Husten, Fieber und Geschmacks- sowie Geruchsverlust treten demnach nur noch selten mit der Delta-Variante auf.
    Im Vergleich zu einer Infektion mit der Alpha-Variante verdoppelte sich nahezu das Risiko bei der einer Infektion mit der Delta-Variante, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen – das besagt eine Studie aus Schottland, die Mitte Juni in der Fachzeitschrift "Lancet" erschien.
    Wie wirksam sind Impfungen gegen Delta?
    Die bekannten Impfstoffe schützen auch gegen die Delta-Variante, allerdings um einige Prozentpunkte weniger. Untersuchungen von Public Health England kamen zum Schluss, dass die Schutzwirkung von Biontech/Pfizer gegen B.1.617.2. nach der zweiten Dosis 88 Prozent (statt 90 Prozent) beträgt, also etwas weniger als ursprünglich, die Schutzwirkung von Astrazeneca 60 Prozent (statt 66 Prozent).

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    Der Immunologe Carsten Watzl von der TU Dortmund betonte im Dlf, Geimpfte seien der Mutation nicht hilflos ausgeliefert. Die Delta-Variante entgehe dem Immunschutz etwas, sodass sich die unterschiedlich hohe Wirksamkeit der Impfstoffe bezogen auf Ansteckung und Erkrankung jeweils um einige Prozentpunkte verringere.
    Wichtig ist dabei: Diese Schutzwirkung werde erst bei vollständiger Impfung erzielt. "Die erste Impfung schützt gerade bei dieser Mutante nicht sehr effizient vor einer Infektion und Erkrankung", sagte der Immunologe Carsten Watzl. "Von daher kann man nur appellieren, dass sich die Leute auch ihre zweite Impfdosis abholen." Gegen einen schweren Verlauf böten dann alle Impfstoffe einen sehr guten Schutz – auch bei der Delta-Variante.
    Corona Teststation in Tübingen
    Immunologe Watzl: "Zeite Impfdosis unbedingt abholen"
    Menschen, die noch keinen vollständigen Impfschutz hätten, sollten mit Blick auf die ansteckendere Variante nicht auf die zweite Impfung verzichten, sagte der Immunologe Carsten Watzl im Dlf.

    Delta und die Herdenimmunität

    Mit dem Impffortschritt in Deutschland ist auch die Hoffnung auf Herdenimmunität verbunden. Dafür muss eine bestimmte Zahl an Menschen in der Bevölkerung immun sein, damit sich eine Krankheit nicht weiter ausbreiten kann. Je ansteckender ein Virus ist, desto höher liegt die Schwelle, also die Anzahl der immunisierten Menschen bis zur Herdenimmunität.
    Im schlimmsten Fall läge die Schwelle mit Delta als dominierende Variante bei knapp unter 90 Prozent. Ein Wert, der wahrscheinlich nicht durch Impfungen zu erreichen sein wird, urteilt der Infektiologe Leif Erik Sander von der Berliner Charité . "Klassische Herdenimmunität, dass wir durch Vakzinierung eines Großteils der Bevölkerung dann überhaupt keine Infektionstätigkeit mehr haben, wird sich nicht herstellen lassen", so der Infektiologe. Daraus folgt auch, dass wer nicht durch eine Impfung geschützt ist, sich wahrscheinlich irgendwann infizieren und dadurch immun wird.
    Droht mit Delta eine vierte Welle in Deutschland?
    "Wir haben es selber in der Hand", sagt der Virologe Martin Stürmer. Er leitet in Frankfurt das private Diagnostiklabor IMD. "Wenn wir uns wirklich gut verhalten, wird auch der Herbst nicht unbedingt in einer massiven vierten Welle enden und in weiteren Lockdown-Maßnahmen. Aber wir können uns das auch noch verderben, indem wir jetzt zu leichtsinnig werden", sagte er am 19.06.2021 im Dlf.
    Genau so schätzt Michael Meyer-Hermann die Lage ein ( Deutschlandfunk, Forschung aktuell, 09.07.2021) . Aus seiner Sicht könnte eine vierte Welle vermieden werden, doch aufgrund der aktuellen Lockerungen rechnet er "noch vor September" mit einem erneuten Anstieg der Zahlen. Meyer-Hermann ist Professor an der Technischen Universität Braunschweig und Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung.
    Der Virologe Martin Stürmer bei der Aufzeichnung der ZDF-Talkshow "Markus Lanz"
    Virologe Stürmer: "Der Herbst muss nicht in einer vierten Welle enden"
    Der Virologe Martin Stürmer mahnt, die Menschen sollten die Freiheiten, die sie nach Monaten des Lockdowns wiederbekommen haben, nicht überstrapazieren. Dann müsse es eine vierte Erkrankungswelle nicht geben.
    Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) warnte am 7.7.2021 im Dlf, bei den Impfungen nicht nachzulassen. Bei den über 60-Jährigen sei eine Impfquote von 90 Prozent bald erreicht. Aber bei den Zwölf- bis 65-Jährigen müsse noch geworben werden, um eine Quote von 85 Prozent zu erreichen. "Wenn wir das möglichst gut hinkriegen im Juli, dann haben wir auch eine gute Aussicht auf einen Herbst, auf einen Winter mit weniger Auflagen und deutlich weniger Einschränkungen", so Spahn.
    Welche Maßnahmen werden gegen die Ausbreitung der Delta-Variante ergriffen?
    In Deutschland hatten mehrere Ministerpräsidenten strengere Bestimmungen gefordert, um eine erneute Verschärfung der Corona-Situation auch aufgrund der Delta-Variante zu verhindern. In der Diskussion standen strengere Einreiseregelungen, um Eintragungen der Delta-Variante nach Deutschland zu verhindern. Bislang wurde das aber nicht beschlossen.
    Für Flüge aus Virusvariantengebieten wie Brasilien oder Südafrika gelten bereits strengere Regeln. Die Fluggesellschaften dürfen nur noch deutsche Staatsbürger und Ausländer mit Wohnsitz in Deutschland von dort zurückbefördern. Nach der Einreise gilt für alle Reisenden eine strikte 14-tägige Quarantänepflicht – auch für vollständig geimpfte Personen.
    Kritik für diese Regelung äußerte der gesundheitspolitische Sprecher der EVP-Fraktion im Europaparlament, Peter Liese (CDU), am 30.06.2021 im Dlf. Er halte die deutsche Regelung für falsch, auch vollständig geimpfte Reiserückkehrer aus Virusvariantengebieten in eine zweiwöchige Quarantäne zu schicken. Er kritisierte außerdem das unheinheitliche europäische Vorgehen: Rückkehrer in Nachbarländer Deutschlands wie den Niederlanden hätten dagegen kaum Auflagen zu befolgen. Einzelstaatliches Vorgehen sei nicht dazu geeignet, die Pandemie zu bekämpfen und er forderte stattdessen koordiniertes Handeln auch auf europäischer Ebene.
    Der Modellierer Michael Meyer-Hermann betonte, dass man aus seiner Sicht die Impfdiskussion für die 10 bis 20-Jährigen erneut führen sollte - schließlich seien sie bislang nicht geimpft und wären bei einer vierten Welle von "Long Covid" bedroht. "Es ist für mich nicht tolerabel, dass wir jetzt eine Altergruppe haben, die wir nicht impfen, durch die die Infektion jetzt durchläuft und die dann mit langfristigen Schäden zu kämpfen hat", so der Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung am 9.7.2021 im Deutschlandfunk .
    Coronavirus
    Übersicht zum Thema Coronavirus (imago / Rob Engelaar / Hollandse Hoogte)