Sprecher: "This is the face the public wants. An ex-art student from Brixton has turned himself into a bizarre self-constructed freak."
"Das Gesicht eines ehemaligen Kunststudenten aus Brixton, der sich in einen bizarren, selbst-kreierten Freak verwandelt – das ist, was die Öffentlichkeit will", heißt es in einer BBC-Dokumentation aus dem Jahr 1973 über das Phänomen David Bowie. Sie macht den "Mann mit dem bemalten Gesicht" zu einem "Zeichen unserer Zeit":
"It's a sign of our times that a man with a painted face and carefully adjusted lipstick should inspire ..."
Dazu sieht man einen David Bowie, der sich gerade ein dunkles Augen-Make-up und Lippenstift aufträgt und immer verschmitzt in die Kamera lächelt. "Spontan, nicht wahr?", fragt er.
David Bowie: "Impromptu, isn't it?"
Kommentar von Schauspieler
Diesen Bildern begegnet man in einer virtuellen Ausstellung des britischen Victoria & Albert Museums. Eine virtuelle Ausstellung? Ja, denn dieses Museum ist ausschließlich per App zu besuchen.
Man sitzt also etwa auf dem Sofa und lässt David Bowie als Ziggy Stardust über den Couchtisch wirbeln. Oder schaut sich bedrückende Selbstporträts aus seiner Berlin-Zeit an, ein bisschen trist, weshalb auch die eigenen Wohnzimmer-Möbel plötzlich monochrom erscheinen.
Dazu gibt es einen Kommentar, gelesen vom britischen Schauspieler Gary Oldman. Er beginnt so:
Gary Oldman: "David Bowie hat uns gezeigt, dass wir sein können, wer wir wollen. In den 70ern hat er sich für Individualität und sexuelle Freiheit eingesetzt und in über sechs Dekaden sein Publikum gebannt und erhellt mit unvergleichlichem Sound und Ideen."
Die App kreiert eine Augmented Reality, eine erweiterte Realität. Sie fügt dem, was man durch die Kamera des eigenen Smartphones sieht, weitere Elemente hinzu: in diesem Fall kleine Figuren mit Bühnenoutfits, Leinwände mit Bildern oder Videos, die man aufrufen kann, starten oder stoppen, aber auch durch die eigenen vier Wände schieben und drehen.
Von der Kindheit an
Die App ist der großen Bowie-Retrospektive nachempfunden, die das Victoria & Albert Museum 2013 zeigte: "David Bowie is" heißt sie und fügt diesem Halbsatz in jedem der 25 "Räume" des virtuellen Museums einen weiteren Teil hinzu, etwa: "David Bowie ist ein Gesicht in der Menge" – über seine Kindheit und Anfangstage.
Gary Oldman: "David Bowie was born David Robert Jones in South London neighbourhood."
Es folgen seine ersten Songs und ersten Erfolge. Wir erfahren, mit welchen Designern er zusammengearbeitet und wer ihn inspiriert hat, etwa das japanische Kabuki-Theater oder die Outfits von Marlene Dietrich. Und schließlich: ein tiefer Einblick in die Bühnenpersönlichkeit, die in Tausende weltweit begeistert.
Ein einsamer Museumsbesuch
Major Tom, Ziggy Stardust, Aladin Zane, The Thin White Duke – sie alle tauchen in der virtuellen Ausstellung auf. Anhand von mehr als 50 Kostümen, 23 Videos sowie handgeschriebenen Songs, Notizen, Fotos, Zeichnungen und Gemälden, die Bowie in über 50 Jahren Bühnenpersönlichkeit angefertigt hat.
Gary Oldman: "Bowie war abenteuerlich, künstlerisch und persönlich. Er hat überrascht und geschockt, wenn er Diskussionen über Geschlechterrollen und sexuelle Vorlieben entfacht hat."
Bowie hat den Status Quo verändert – auch für viele, die die Ausstellung in London nicht sehen konnten. Die sorgt nun dafür, dass man die Ausstellungsstücke zum ersten Mal oder noch einmal ganz für sich haben kann, sie lange oder kurz betrachten oder immer wieder ansehen.
Der Preis dieser höheren subjektiven Auseinandersetzung ist aber, dass der virtuelle Museumsbesuch ein sehr einsamer bleibt. Man steckt mit dem eigenen Telefon unter Kopfhörern in dieser Welt, kann sie aber nicht in Begleitung erkunden – und sich darüber austauschen, was man mit diesem oder jenem Song verbindet.
Keine wirkliche Nähe
Wirklich nah fühlt man sich den Ausstellungsstücken zudem nicht. Die virtuellen Räume fügen sich eben doch nicht nahtlos in das eigene Wohnzimmer, man bewegt sich nicht im Raum der Ausstellung, sondern schaut darauf – ein gravierender Unterschied.
Trotzdem kann man hier einen tiefen Einblick gewinnen – in eine der faszinierendsten Kunstfiguren, die nicht nur durch ein bemaltes Gesicht die Popmusik geprägt hat. Sondern eine neue, andere Welt aus Klang und Vorstellungen eröffnet hat.
"David Bowie is" gibt es für iOs und Android. Die App kostet einmalig knapp 8 Euro.