Das Museum für Angewandte Kunst schickt mir einen Brief mit einem Heft drinnen. "Stadtfabrik" steht da vorne drauf, und es ist das sogenannte "Notebook for Change". Also eben ein Notizheft, in Schwarzweiß gehalten. Es sieht ein bisschen aus wie ein Malbuch, aber offensichtlich nicht für Kinder. Einhörner gibt es keine, aber dafür gibt es eine App, die man herunterladen kann.
Die App ist über die marktüblichen Stores verfügbar und komplettiert das "Notebook for Change". Das Notizbuch hat kaum Seiten, die leer sind oder bloß liniert. Eine Seite ist mit Punkten gerastert, daneben stehen rätselhafte Grafiken, sehr geometrisch, ein bisschen wie ein Rorschach-Test, und die Aufforderung: "Finde Muster, wo es keine zu geben scheint." Das klingt abstrakt und allgemein, versteht sich aber als eine Anleitung, den Wandel zu denken.
Smartphone-App hilft bei der Inspiration
Zur Inspiration erweckt die App die Grafiken am Smartphone zum Leben. Die Muster erscheinen und verschwinden. Oft zeigen sich Uhren und Zahnräder, aber auch Bleistifte – die verweisen auf die Kreativität.
"Man kann ein wunderbares Print-Büchlein haben, aber wenn man die App draufhält auf die Illustrationen - die sind so gestaltet, dass das funktioniert - dann sieht man einen weiteren Layer Content", sagt Marlies Wirth. Sie ist Kuratorin des Projekts am Museum für Angewandte Kunst. Sie betreut die Stadtfabrik und sollte die Arbeit der letzten Jahre dokumentieren; so kam es zum "Notebook" mit Grafiken und App.
Eine Installation zum Plastikflaschen-Müllberg, Open-Source-Systeme für Recycling-Mode und einfache Häuser – diese und andere bisherige Stadtfabrik-Projekte kamen nicht in ein Buch, sondern sie wurden auf eine Website gestellt, und statt eines Buches "da haben wir entschieden, für die Publikationsschiene eher ein Werkzeug, ein Tool zu entwickeln, das diese komplexen Inhalte auch beinhaltet und intelligente Fragen stellt, aber auch Spaß machen kann und die Leute zu Themen wie Commons oder nachhaltigem Produzieren heranführt, ohne diese Vokabeln zu nennen", so Wirth.
Einführung mit der Switch Theorie
Ganz ohne App beginnt das "Notebook for Change" mit einer Einleitung und dann einer Formel für Veränderung. Mit minimalistischen Grafiken wird die sogenannte Switch Theorie illustriert: Ein Elefant, dessen Reiter und deren Weg symbolisieren Verhaltensweisen. Ziel dieser Methode ist es, scheinbar unveränderliche Gegebenheiten infrage zu stellen. So kann ich schwierige Veränderungen jeder Art anpacken.
Nach dieser Einführung soll man sich folgenden Fragen widmen: "Schaust du auf den ökonomischen Absatz oder den ökologischen Ansatz? Das ist ein Wortspiel, oder man kann sich überlegen: Warum wurde etwas produziert, geht’s um Verkaufszahlen und den Profit, das vielleicht selber zu bewerten in seinem Alltag: welche Objekte, Kleidungsstücke oder technische Geräte habe ich? Und worauf sind die angelegt: Dass ich bald in einem Jahr wieder ein Neues besorge, oder sind die drauf angelegt, dass ich sie vielleicht meinen Kindern weiter vererben kann?!"
"Ein Flohmarkt deiner Ideen"
"Schreibe eine Geschichte", oder noch besser, "baue einen Spielplatz für die Ohren". Das "Notebook for Change" fordert die Kreativität des Nutzers. Die App aktiviert den Spieltrieb und der hilft beim Umdenken. Ein wirklich wichtiges Werkzeug ist sie aber nicht. Generell muss man sich auf das "Notebook for Change" einlassen wollen, besonders bei der Frage: "Möchtest du lieber eine postpatriarchale Stadt oder eine prämatriarchale Gesellschaft?"
Aufgeschlossene Geister werden aber ihren Spaß mit diesem Notizbuch haben. Ich hab einen gewissen Vorteil, nachdem ich schon länger das Thema Nachhaltigkeit und Design verfolge. Daher verstehe ich die Aufforderung recht gut, die via App auf einer Seite mit seltsamen schwarzen Silhouetten erscheint: "Veranstalte einen Flohmarkt deiner Ideen."
Ich verstehe die Idee. Aber wie ich das wirklich umsetzen könnte, darüber muss ich noch nachdenken.