Caroline Fuchs: Das war jetzt zum Beispiel das Tippgeräusch der Williams Nummer 2 von 1895.
Man sieht sie gewissermaßen vor sich: Sekretärinnen im verrauchten Chefbüro. 1895. Voller Fingereinsatz, Frauenpower an der schwergängigen Schreibmaschine Williams Nummer 2. Ein Ungetüm von Typenhebelmaschine mit sogenannten "Grashüpfer"-Typenhebeln.
Alles längst im Geräusche-Nirvana, sagt Kuratorin Caroline Fuchs. Eigentlich schade:
"Die erste Idee ist, dass wir viele Geräte in der Sammlung haben, die eigentlich Töne machen. Also wir haben einen Schwerpunkt auf Industriedesign: Föhns, Staubsauger, Telefone. Viele, viele Geräte, die mit Strom funktionieren in der Regel, die Geräusche machen. Diese Geräusche gehen verloren. Geräte kommen aus der Mode. Damit gehen die Geräusche, die sie machen auch verloren. Was uns auch nochmal bewusst geworden ist: dass die auch aus dem kulturellen Gedächtnis verschwinden."
Röhrenfernseher? Zu gefährlich!
Die Williams Nummer 2 - ein Ausstellungsstück von 47 des Münchner Design-Museums der Pinakothek der Moderne, die in den vergangenen Wochen für die Ausstellung "Sound of Design" mit dazugehöriger App den Weg ins Tonstudio antraten. Eine auf Klänge spezialisierte Firma aus Stuttgart hielt die Schätzchen des Museums vor die Mikros.
"Ja, wir haben schon versucht, die Highlights unserer Sammlung abzubilden, was nicht immer geklappt hat, weil die Geräte zum Teil nicht mehr angesprungen sind, weil sie zu alt sind oder weil es zu gefährlich war. Also Röhrenfernseher, da hieß es dann von Elektrikerseite: ‚Die können implodieren und das sollte man lieber nicht probieren!‘ Dann haben wir das eben nicht gemacht."
Vom Ein- bis zum Ausschaltgeräusch ist jetzt alles auf einer speziellen App anklick- und nachhörbar. Sie soll die Industriewelt, aber auch Büro-, Küchen und Privatwelt des 20 Jahrhunderts hörbar machen. Auch Lieblingslisten der Töne können per Anklicken eines Herzchens erstellt werden. Highlight des absolut nutzerfreundlichen Angebots: Alles ist frei downloadbar.
Lieblingsgeräusch von Caroline Fuchs: Ein Bosch-Elektroquirl von 1950. Beim ersten Hören erinnere er fast an einen Roller oder eine kleine Bohrmaschine, ist sie fasziniert. Sehr analog. Und lautstark. Ein selbstbewusstes Klangunderstatement des deutschen Wirtschaftswunders.
Rettung der verlorenen Designklänge
Wenn die Münchner Sammlungsstücke keinen Laut mehr von sich gaben, suchte Mitarbeiterin Polina Gedova in Archiven anderer Museen nach Geräuschen. Der Wählscheibenklang des Ericsson-Telefons von 1930 zum Beispiel stammt vom Deutschen Telefonmuseum Morbach im Hunsrück, erklärt Gedova: "Wenn wir jetzt zum Beispiel auf die Wählscheibe klicken, ... dann hört sich da so an. Durch Wischen kommt man zum nächsten Ton, hier hätte man den Hörer, den man ab- und auflegen kann."
Die Rettung der verlorenen Designklänge – ein skurriles Projekt, das den Jüngeren zeigt, wie lautstark früher Geräte ratterten, rumpelten, schepperten oder summten. Aber was nützen Geräusche von Geräten, die man nicht mehr selbst bedienen oder nur als Zeichnung in einer App sehen kann. Für jene, die den alten Föhn, die alte Kaffeemaschine oder das Telefon noch anfassen konnten, ruft es vergessene Erinnerungen hervor. Liebgewordene Alltagsbegleiter, die aber nicht ohne Grund ersetzt wurden durch neue Geräte.
Soundbastler oder Tonstudio dürften sich indes freuen, dass ihnen jetzt für historische Hörspiele oder Filmsynchronisierung echte Klänge von Musemsexponaten gratis zur Verfügung gestellt werden. Mit Ausbaupotential. Das Geräuschepanoptikum der Sound-of-Design-Ausstellung und -App endet derzeit noch mit dem Jahr 2009. Dabei muss es aber nicht bleiben, sagen die beiden Macherinnen. 150 Klänge habe man bereits aufgenommen. Überhaupt sei das Projekt sehr offen angelegt. Denn auch die Geräusche aus dem Jahr 2019 werden irgendwann einmal verschwinden – im besten Falle in der Sound-of-Design-App.
Die Geräusche können unter www.sound-of-design.de weltweit angehört und heruntergeladen werden. Die Ausstellung in der Pinakothek der Moderne läuft bis 31. Dezember 2020.