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Corso-Gespräch mit Max Riemelt über "Sense8"
Sehr fordernd für den Zuschauer

Der Streamingdienst Netflix stellt ab heute alle zwölf Folgen der neuen Serie "Sense8" bereit. Mit dabei als Schauspieler ist Max Riemelt. Gedreht wurde immer an den Originalschauplätzen, unter anderem auch in Berlin unter der Regie von Tom Tykwer. "Das macht viel mit einem Schauspieler", sagte Riemelt im Corso-Gespräch im DLF.

Max Riemelt im Gespräch mit Hendrik Efert |
    Der Schauspieler Max Riemelt beim 68. Filmfestival von Cannes.
    Der Schauspieler Max Riemelt beim 68. Filmfestival von Cannes (Imago / PicturePerfect International)
    Hendrik Efert:Max Riemelt, Sie haben jetzt mit der neuen Netflix-Serie "Sense8" jetzt das erste Mal eine internationale Serie fürs Internet gedreht. Was würde Sie sagen ist der Unterschied zur öffentlich-rechtlichen Serienproduktion in Deutschland?
    Max Riemelt: Ja ich glaube der Hauptunterschied ist, dass es einfach mehr Leute weltweit sehen werden und das gleichzeitig und auf einmal. Und natürlich auch das Produkt selber ist unter Umständen entstanden, die natürlich viel freier sind. Also für die Kreativen selber, die Regisseure hatten die volle Entscheidungsmacht sozusagen darüber was sie machen und was sie nicht machen und ja diese Radikalität lässt sich dann wiedererkennen.
    Efert: Sie haben ja schon einmal die Hauptrolle in einer groß angelegten deutschen Serienproduktion gespielt: Vor fünf Jahren in "Im Angesicht des Verbrechens" von Dominik Graf. Von den Kritiker gelobt, vor allem auch weil hier Dominik Graf schon ziemlich radikal versucht hat, seine Vision durchzusetzen.
    Riemelt: Ja, Dominik war ein Ausnahmebeispiel, was ja auch sich darin geäußert hat, dass die Firma pleite gegangen ist, weil sie sich verkalkuliert hat, weil sie es falsch berechnet hat sozusagen, wahrscheinlich auch Dominik unterschätzt hat, wie radikal er in seiner Vorgehensweise ist und da hat sich das so ein bisschen gebissen. Und in dem Fall, der Netflix-Serie "Sense8" ist es halt so, dass von Vorhinein klar war, dass die Wachowskis immer die letzte Entscheidung haben und dann halt auch ja bestimmte Mittel mehr haben, um dann halt die auch konsequenter umzusetzen, ja.
    Efert: Mit bestimmten Mitteln muss man kurz erklären: Die Serie Sense8 zeigt acht Charaktere in acht Städten verteilt auf dem gesamten Globus, Sie sind eine Figur davon, ihre Stadt ist Berlin. Sense8 spielt aber zum Beispiel auch in San Francisco, Nairobi, Mumbai, Seoul und überall wurde on location gedreht, also in den tatsächlichen Städten – das ist wahnsinnig aufwendig, oder man könnte auch sagen: wahnsinnig teuer. Ist das ist schon der große Unterschied zu deutschen Produktionen?
    Es gab nie irgendwelche Einschränkungen
    Riemelt: Ich weiß, dass es klar war vorher, dass wir diese Weltreise machen und da gab es auch nie irgendwelche Einschränkungen, dass wir bestimmte Sachen jetzt nicht mehr drehen können, weil wir jetzt nicht mehr die Zeit dazu haben oder so. Das war sozusagen vorher klar, dass es ziemlich aufwendig wird. Und das hat noch kein anderer vorher so gemacht, also das man wirklich vorher on location dreht, ohne diesen Green Screen, den man so oft halt benutzt, um halt so günstig wie möglich andere Locations dann noch mal zu erzählen. Und das macht natürlich auch viel mit einem Schauspieler aus. Also wenn ich die Luft vor Ort rieche, oder das Klima spüre und das Essen von dort esse, dann fühle ich mich dementsprechend auch anders und ja, also ich fand das ziemlich gut für meine Arbeit, ja.
    Efert: Sie sind also auch gereist?
    Riemelt: Genau ich war in Mexiko, ich war in Mumbai, ich war in Island, ich war in London und mit unterschiedlichen Regisseuren. Hier in Berlin war es zum Beispiel Tom Tykwer. Und ja das hat extrem viel Spaß gemacht.
    Efert: Tom Tykwer, bekannt geworden damals mit "Lola rennt", heute ein international gefragter Regisseur: "Das Parfum", "Cloud Atlas" - und er verantwortete den Berlin-Teil in "Sense8". Konnten Sie beide denn gut zusammenarbeiten?
    Riemelt: Ja. Also ich mag Tom, überaus, also ja, es gibt gar keinen Ausdruck wie sehr ich ihn schätze. Weil er nicht nur ein toller Regisseur ist, der eine ziemlich gute Bildersprache hat, sondern auch gleichzeitig ein toller Mensch, der eine super Energie mit an Set bringt, und der einen wahnsinnig motiviert, weil er selber so viel leistet. Und ja das sieht man auch Tag für Tag und ja, ich bin einfach froh, dass er mir das Vertrauen geschenkt hat, sodass ich ihm auch alles geben konnte, was ich zur Verfügung hab und was er dort geleistet hat, ist auch was ganz Tolles. Er hat auch die Musik gestiftet oder ist dafür verantwortlich, hauptverantwortlich und ja ... das erkennt man dann auch wieder.
    Efert: Am Set von Netflix-Serien heißt es immer wieder, dass die künstlerische Freiheit sei so enorm groß und es gäbe nahezu keine Eingriffe von, ich nenne es jetzt mal Anzugträgern. Wie war das bei Sense8?
    Diese Leute vertrauen einander
    Riemelt: Selbst wenn Anzugträger da sind, dann sind die uns gegenüber wohlgesonnen und wissen, was diese Leute da fähig sind zu tun und vertrauen halt einander und dieses Gefühl bringt dich natürlich ganz weit nach vorne und lässt einen über sich selbst hinauswachsen.
    Efert: Was aber auch bekannt ist: Im Vorfeld kalkuliert Netflix knallhart: Der Streamingdienst erhebt von seinen Kunden massiv Daten, darauf basieren dann Folgeentscheidungen für den Konzern. Die Produktion "House of Cards" basierte wohl auf dem Wissen, dass die Kunden Politdrama, dass sie Filme von David Fincher mögen und dass sie Kevin Spacey als Darsteller sehr schätzen - sind Sie auch basierend auf so einer Datenerhebung als deutscher Schauspieler für "Sense8" ausgewählt worden? Wissen Sie, wie das gekommen ist?
    Riemelt: Ich weiß darüber gar nichts, also wer was aus welchen Gründen entscheidet. Aber bevor irgendwie ein Produkt auf dem Markt ist, glaub ich nicht, dass es da irgendwelche Marktforschungen größere gibt, sondern es gab halt die Idee von den Schöpfern, Lana, Andy Wachowski und dem Schreiber Michael Straczynski und ja ... dann gab es sozusagen den Dreh. Und jetzt mit dem Produkt selber gibt es wahrscheinlich dann auch wieder eine Auswertung, wo ich aber auch nicht weiß, wie dass dann wieder ausgewertet wird. Also das bleibt deren Geheimnis, aber ich denke schon, dass es Sinn macht, ab einer gewissen Größe eines Produktes, also wenn man sozusagen weltweit agiert irgendwie, da ja, sich sozusagen irgendwelche Daten heranzuziehen, damit man halt da so erfolgreich bleibt.
    Efert: Werden Sie von Netflix Rückmeldung bekommen wie gut die Serie läuft?
    Riemelt: Nein, das glaub ich nicht.
    Efert: Aber es geht ja um eine Serie und da denkt man ja auch immer schon an die zweite Staffel.
    Riemelt: Das könnte dann wiederum sein, spätestens wenn sie mich fragen werden, ob ich da mitmache, wird es dann wahrscheinlich ...
    Efert: Dann kann man davon ausgehen, dass es gut lief.
    Riemelt: Genau.
    Efert: Jetzt spielen Sie einen Einbrecher namens Wolfgang aus Berlin – bei dem Namen kam ich etwas in Stocken, der Name ist doch sehr klischeehaft, vor allem weil er ja auch gar nicht ihrem Alter entspricht, sie sind Anfang Dreißig. Stecken denn da noch mehr Deutschland-Klischees in der Rolle?
    Das Gegenteil von Klischee
    Riemelt: Ja, also, wenn man von Klischees ausgeht, dann geht man ja immer von unserer deutschen Realität aus irgendwie und ... ja die ist natürlich eine ganz andere dort drüben sozusagen. Die sind da ganz anders sozusagen mit dem Bewusstsein, den Klischees, die haben da nicht so viel Probleme damit. Und ich hatte auch anfangs erst Schwierigkeiten mich an den Namen zu gewöhnen, aber das geht schneller, als man denkt. Und der wird dann auch nicht, der ist dann eher sekundär sozusagen der Name, sondern die Figur selber ist überhaupt nicht klischeehaft, sondern findet eher außerhalb der Gesellschaft statt. Also auch außerhalb der deutschen Gesellschaft. Und er ist ein Spezialist im Safeknacken und ein ziemlich harter Typ, der ein dunkles Geheimnis in sich trägt und gleichzeitig aber auch eine Ambivalenz bietet, weil er halt auch 'ne weiche Seite von sich zeigt, in dem er sich halt verliebt in eine der anderen Hauptfiguren und ja damit halt überhaupt kein Klischee ist, sondern im Gegenteil ein sehr interessanter Charakter.
    Efert: Sie mussten also keine Lederhosen tragen am Set?
    Riemelt: Nein. Es gab typische Berliner Szenen, wie ich sie auch kenne irgendwie, so Partyszenen zum Beispiel. Aber ich würde nicht sagen, dass es Klischees sind, sondern Klischees sind ja auch darauf basierend, was wir aus unserer Realität kennen. Und ich denke die anderen Leute im Rest der Welt kennen andere Bilder, die sehen dann eher die Lederhosen oder die assoziieren da eher die Brezeln und das Bier mit Deutschland. Und das wird nicht gezeigt.
    Es gibt keine Gesetze für Qualität
    Efert: Die anspruchsvoll erzählte Serie ist gerade ein großer Trend, sie läuft dem Kino da gerade ganz schön den Rang ab – auch in Ihrem Verständnis?
    Riemelt: Ja, es kommt immer drauf an, wie ... ja es muss kein Kinohintergrund haben, es muss nicht, also es gibt für mich da keine Gesetzte irgendwie, die mir vorschreiben, was jetzt sozusagen Qualität ist und was nicht, sondern es hat mit den Leuten mit denen ich arbeiten darf irgendwie zu tun, es hat ja wie gesagt mit dem Drehbuch zu tun, also mit der Substanz des Projekts.
    Efert: Die Arbeit für eine Serie unterscheidet sich aber doch schon zur Arbeit an einem Kinofilm?
    Riemelt: Definitiv. Also man hat einfach mehr Zeit zu erzählen, man darf in anderen Strukturen erzählen, man muss nicht immer diese Konventionen befolgen, die andere vorgeben, also einen bestimmten Zeitrahmen oder bestimmte Schnitte, Abfolgen oder, ja auch Hauptfiguren: Wir haben acht Hauptfiguren, acht Geschichten, die ineinander übergehen, was sehr fordernd ist für den Zuschauer, was wahrscheinlich auch das Interessante daran sein wird.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.