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Corso-Gespräch
"Wenn man die Menschen anfüttert, dann werden sie süchtig"

Carlo Waibel ist einer der erfolgreichsten deutschen Musiker. Besser bekannt ist er unter seinem Pseudonym Cro, sein Markenzeichen die Panda-Maske. Corso hat mit dem Rapper über sein zweites Album "Melodie" und die Mechanismen des Erfolgs gesprochen.

Rapper Cro im Gespräch mit Ralf Kennel |
    Der Stuttgarter Musiker, der als Rapper Cro bekannt ist und mit Vornamen Carlo heißt, steht am Dienstag (12.06.2012) mit seiner Panda-Maske auf dem Dach seines Büros in der Stuttgarter Innenstadt.
    Bekannt wurde der Musiker bei Youtube mit dem Hit "Easy". (Bernd Weißbrod / dpa)
    Ralf Kennel: Herr Cro. Unter Ihrem Pseudonym Cro haben Sie gerade Ihr zweites Album "Melodie" veröffentlicht. Und alle berichten darüber. Nicht nur die Teenie-Magazine, sondern auch das Feuilleton. Überall gibt es den Typen mit der Pandamaske zu sehen. Hier sitzen Sie sogar in einem Kölner Nobelhotel und geben extrem viele Interviews. Ist das nicht eine etwas ungewohnte, seltsame Umgebung für Sie? Vor allem, wenn man bedenkt, wo Sie vor vier Jahren noch waren?
    Cro: Das ist jetzt auch nicht mein privater Lifestyle. Wenn ich privat unterwegs bin, sieht das alles ein bisschen anders aus. Da penne ich auch mal auf der Rückbank eines alten Trabis und habe aufgekratzte Knie. Aber das hier hilft, reibungslos die Interviews durchzuführen. Da funktioniert so etwas am besten.
    Kennel: Als ich Ihre Musik vor zwei, zweieinhalb Jahren zum ersten Mal gehört habe, fand ich Ihre Idee gut, bei öffentlichen Auftritten nicht erkannt zu werden. Ein toller Marketingtrick. Denn so erfuhren Sie vor drei Jahren direkt große Aufmerksamkeit, ohne dass jemand überhaupt einen Song kannte. Oder war das von Anfang an eine Art Selbstschutz mit der Maske? Sie konnten ja nicht wissen, dass Sie berühmt werden.
    Cro: Ja, das stimmt. Aber wir haben schon ein bisschen geahnt, dass da etwas gehen könnte. Für den Fall, dass es abgehen könnte, dachten wir: Maske auf, dann ist alles gut. Natürlich war die Maske auch ein großer Grund, dass es funktioniert hat. Das war ein Gesamtpaket. Es hat funktioniert. Die Maske ist am Start und kommt auch nicht mehr so schnell weg.
    "Das mit der Maske ist ja auch ein krasses Merkmal"
    Kennel: Sie hatten sich also auch schon vor Ihrem Erfolg überlegt, was man machen könnte, um aufzufallen?
    Cro: Natürlich, das mit der Maske ist ja auch ein krasses Merkmal. Wenn ich mal einen auf der Straße treffe und mit ihm über Cro quatsche, dann weiß nicht immer wer das ist. Aber, wenn ich erwähne, dass das der Typ mit der Pandamaske ist. Ich behaupte mal, dass fast jeder in Deutschland den "Typen mit der Pandamaske" kennt. Aber nicht Cro.
    Kennel: Ihnen ist aber auch klar, dass Sie mit 30, 35 vielleicht nicht mehr mit einer Panda-Maske auftreten können oder auftreten wollen, oder?
    Cro: Irgendwann wird das Thema für mich durch sein und dann werde ich etwas Neues machen.
    Kennel: Ein großes Erfolgsrezept bei Ihnen auch: Im Gegensatz zu der Musikindustrie und vielen anderen Künstlern setzten Sie vor ihrem Erfolg auf die sozialen Netzwerke. So hatte ich bereits einige Songs von Ihnen gehört, bevor diese überhaupt veröffentlicht worden waren. Sie gaben Ihre Songs sogar zum kostenlosen Download frei. Und trotzdem wurde ihr Debütalbum zu so einem großen Erfolg. Man könnte aber auch sagen – gerade deswegen.
    Cro: Es liegt auch ein bisschen an dem Streaming, was es heutzutage gibt. Wenn man die Menschen anfüttert, dann werden sie süchtig. Wie bei einem Drogenhändler, der macht das auch so. Der gibt erst so kleine Dosen, und wenn die Menschen abhängig davon sind, dann verlangt er Geld dafür.
    Kennel: Vor allem Jüngere kaufen Ihre Alben und Songs. Sehen Sie sich auch so ein bisschen als Sprachrohr für die Jugend zwischen zehn und zwanzig?
    Cro: Ich bin jetzt keiner, der große politische Ansagen macht oder Meinungen rausknallt. Aber ich sehe mich so ein bisschen als Begleiter dieser Jugend.
    Kennel: Dann besteht aber die Gefahr, dass – wenn auch diese Generation aus dem Teenie-Alter herauswächst – auch nicht mehr Ihre Musik hören möchte. Dann müssen entweder Sie Ihre Musik ändern oder sich eine neue Zielgruppe suchen. Ist Ihnen das bewusst? Mit 30 möchten Sie ja bestimmt nicht mehr über Ihre Gang oder über eine erste Freundin rappen.
    Cro: Ich denke, ich habe später auch keinen Bock solche Musik zu machen. Ich werde ja auch musikalisch wachsen und andere Musik produzieren. Wir werden alle gewachsen, gemeinsam.
    "Jetzt herrscht wieder die 'Ich bin lieb'-Phase'"
    Kennel: Trotz oder gerade wegen Ihres großen Erfolges wurden Sie immer wieder auch von den sogenannten "Real"-Hip-Hoppern angefeindet. Auf Ihrem neuen Album "Melodie" verarbeiten Sie diese Anfeindungen? Wie nahe geht Ihnen solche Kritik?
    Cro: Das ist unterschiedlich. Wenn jemand kommt und mich disst, ist mir das eigentlich egal. Da ist meine Strategie: einfach wegignorieren. Aber einige schreiben wirklich jede Woche etwas Negatives über mich. Und irgendwann ist es dann auch gut. Dann denke ich "was wollt ihr von mir'" Irgendwann ist das einfach nicht mehr cool. Und mit dem Lied sage ich einfach: "Hey, das ist mir scheißegal, einfach scheißegal."
    Kennel: Habe ich nur den Eindruck, oder ist die deutsche Hiphop-Szene wieder aggressiver geworden. Mit Typen wie Kollegah, Haftbefehl, etc...
    Cro: Nein eigentlich nicht. Bei den Fantastischen Vier war die Szene lieb. Dann kam die "Aggro-Berlin-Phase". Jetzt herrscht wieder die "Ich bin lieb"-Phase. Ich denke, in ein paar Jahren geht es wieder nach unten. Da wird die Szene wieder Gangster-cool, also böse-cool und nicht hart-cool.
    Kennel: Das neue Album ist das noch Rap oder nur noch Pop?
    Cro: Es ist schon noch "Raop". Aber es ist ein bisschen relaxter und man kann dazu viel mehr chillen. Wenn ich jetzt mein erstes Album manchmal höre, dann muss ich mich manchmal selber schämen. Dann muss ich das Autoradio leiser drehen. Bei "Melodie" könnte ich jeden Song aufdrehen und das Fenster aufmachen. Ich würde voll dazustehen. Und das ist für mich ein Zeichen, dass das Album "geil" ist.
    "Englisch kann ich nur durch Eminem"
    Kennel: Sie haben einen Realschulabschluss, die Mittlere Reife. Wo haben Sie den spielerischen Umgang mit deutscher Sprache gelernt? Hatten Sie irgendwelche Vorbilder aus dem Hiphop?
    Cro: Man kann schon sagen, dass Musik die Schule für die Sprache war. Auch für Englisch war es für mich so wichtig. Englisch kann ich nur durch Eminem. Ich hatte ein Buch, da standen seine ganzen Texte drin. Wenn man als Kind dann mitrappt und die Texte nachliest, dann weiß man, was das heißt. Es gibt ganz viele Phrasen im Englischen, die ich durch Eminem kennengelernt habe. Später hat mich auch Kollegah beeinflusst. Man ist halt ständig auf der Suche nach irgendwelchen Wortspielereien und versucht auch lustige und verdreht Sachen herauszufinden. In der Schule gab es nur alte Gedichte. Auch schön, auch eine krasse Kunstform, aber momentan einfach nicht im Trend.
    Kennel: Bevor Sie einer der erfolgreichsten deutschen Rapper wurden, absolvierten Sie eine Ausbildung zum Mediengestalter. Hilft das Ihnen heute, zum Beispiel bei den Videoproduktionen, bei der Covergestaltung, bei dem Gesamtkunstwerk Cro?
    Cro: Ja, total. Ich sitze oft mit dem Dani von Chimperator zusammen, der die Plakate und die Flyer entwirft. Mit dem diskutiere ich viele Dinge aus. Ganz alleine kann ich es nicht mehr machen, weil ich einfach keine Zeit mehr habe. Gerade eben vor dem Interview habe ich telefoniert, um etwas zu entscheiden. Ich versuche so viel wie möglich, selber zu machen.
    Kennel: Sie haben auch ein eigenes Modelabel, das Sie allerdings bereits vor ihrem Durchbruch ins Leben gerufen haben. Inwiefern sind Sie noch darin involviert?
    Cro: Das Label gibt es seit ungefähr 2006. Mittlerweile sind wir sieben, acht Mitarbeiter und mein Bruder ist der Chef. Gerade eben haben wir noch miteinander telefoniert und ich habe zwei Dinge abgesegnet. Die Designentwürfe schicken sie mir immer und ich entscheide am Ende. Manchmal bin ich aber auch selber im Büro und designe selber Klamotten.
    Kennel: Die Szene wird Sie sicherlich dafür loben, dass Sie "Melodie" trotz des Erfolges mit Ihrem Debütalbum auf Ihrem eigenen Plattenlabel herausbringen. Sie sind also nicht zu einer großen Plattenfirma gewechselt. Sie haben sogar auf Ihrem Modelabel eine Kollektion mit dem Slogan herausgebracht "Indie is the new major". Warum haben Sie die ganzen lukrativen Angebote der Majors ausgeschlagen?
    Cro: Ich mache es ganz kurz: Ich bin damals mit Basti von Major zu Major getigert. Wir haben uns Riesensummen angehört. Und ich fand das immer so ekelhaft, die haben immer so Namedropping gemacht und immer mit so Zahlen hantiert. Ekelhaft. Ich bin dann mit Basti im Boxershort gestanden und habe gefragt. Was ist wenn wir das selber machen - schaffen wir das? Und er meinte: Wenn wir das selber machen, dann sind wir gemachte Männer. Da habe ich gedacht: Das klingt geil. So machen wir's. Und dann haben wir es so gemacht.