Über die geplante Teil-Beteiligung des chinesischen Staatskonzerns COSCO an einem Terminal des Hamburger Hafens gab es zunächst unterschiedliche Standpunkte im Bundeskanzleramt und mehreren Ministerien. Nun hat die Bundesregierung grünes Licht für einen Kompromiss gegeben: Statt der geplanten 35 Prozent soll COSCO nur einen Anteil von 24,9 Prozent erhalten. Formal bekommt der chinesische Staatskonzern damit kein Mitspracherecht in Strategiefragen. Die Skepsis in einigen der beteiligten Ministerien, unter anderem dem Wirtschaftsministerium und dem Außenministerium, war und bleibt aber groß.
"Der Erwerb von Anteilen am Containerterminal Tollerort durch die chinesische Staatsreederei COSCO erweitert den strategischen Einfluss Chinas auf die deutsche und europäische Transportinfrastruktur sowie die deutsche Abhängigkeit von China unverhältnismäßig", heißt es in einer der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Protokollnotiz, die das Auswärtige Amt im Kabinett einbrachte. Nach Informationen aus Regierungskreisen schlossen sich auch die FDP-geführten Ministerien sowie das Bundeswirtschaftsministerium der Notiz an.
Die ursprünglich anvisierte 35-prozentige Übernahme durch COSCO wäre automatisch zustande gekommen, hätte die Bundesregierung bis Ende Oktober keinen anderweitigen Beschluss gefasst oder eine Fristverlängerung vereinbart.
Was will COSCO im Hamburger Hafen kaufen?
Das chinesische Staatsunternehmen COSCO (China Ocean Shipping Company) ist eine der größten Reedereien der Welt und betreibt selbst Containerterminals. Ursprünglich (seit Mitte 2021) war mit der Hamburger Hafengesellschaft HHLA vereinbart, dass COSCO eine Beteiligung von 35 Prozent an einem der Hamburger Terminals übernehmen soll - am Containerterminal Tollerort (CTT).
An der HHLA ist wiederum die Stadt Hamburg mit 69 Prozent beteiligt. Der CTT ist der kleinste von vier Containerterminals im Hafen. Insgesamt wurden in der Hansestadt im vergangenen Jahr 8,7 Millionen Standardcontainer umgeschlagen, davon am CTT 1,2 Millionen. COSCO und HHLA haben eine langjährige wirtschaftliche Beziehung, seit 40 Jahren fahren COSCO-Schiffe das Terminal von HHLA an.
Eine chinesische Beteiligung am Hamburger Hafen wäre nicht die erste in Europa. COSCO hält bereits Minderheitsbeteiligung in den Häfen von Rotterdam, Amsterdam, Bilbao, Valencia und Istanbul. Im Zuge der Finanzkrise hat die Reederei den griechischen Hafen Piräus übernommen, zunächst ebenfalls aus einer Minderheitsbeteiligung heraus. Für die Hafenanlage hatte 2019 die Europäische Investitionsbank COSCO einen dreistelligen Millionenbetrag für den Ausbau zur Verfügung gestellt.
Was sieht der Beteiligungs-Kompromiss vor?
Der Kompromiss sieht vor, die Höhe der COSCO-Beteiligung an der CTT von 35 Prozent auf 24,9 Prozent zu reduzieren. Damit ist COSCO lediglich Minderheitsaktionär und kann formal keinen inhaltlichen Einfluss auf die Geschäftsführung ausüben. Aus Regierungskreisen hieß es vorab, dass dieser Kompromiss für die Ressorts, die die COSCO-Beteiligung kritisch sehen, nur eine "Notlösung" wäre. Sie hatten zunächst eine komplette Untersagung befürwortet.
Bundeskanzler Olaf Scholz wird Anfang November mit einer Wirtschaftsdelegation nach China reisen. Die Einigung innerhalb der Regierungskoalition gilt als wichtiges politisches Signal an China. Beim EU-Gipfel hatte Scholz Kritik an der geplanten chinesischen Beteiligung am Hamburger Hafen zurückgewiesen.
Das Terminal Tollerort ist das kleinste im Hamburger Hafen, ein Achtel der Fracht wird dort be- und entladen, also ein geringer Teil. Das lasse sich mit dem Verkauf der Gasspeicher in Russland nicht vergleichen, so die Ansicht des Bundeskanzleramts. Auch das Argument Technologietransfer wird dort nicht geteilt - so kommen etwa Containerbrücken im Hamburger Hafen schon lange aus China.
Mit einem Gesamtvolumen von 246 Milliarden Euro ist China Deutschlands wichtigster Handelspartner. Der Anteil am Außenhandel mit China hat sich seit 2002 verdreifacht, von 3,8 auf 9,1 Prozent.
Indien, der andere große Markt, gilt noch nicht als Ersatz. Klar ist, dass ein Ende des Handels mit China oder gar ein Wirtschaftskrieg wirtschaftliche Schäden für Deutschland nach sich ziehen würde. Das deutsche Bruttoinlandsprodukt würde um 0,5 bis 0,8 Prozent sinken, weil vor allem High-End-Produkte nach China exportiert werden: Autos, Elektronik und auch Vorprodukte.
Die Bundesregierung hat eine neue China-Strategie angekündigt, die Diskussion um die COSCO-Beteiligung zeigt, dass dies notwendig ist.
Wird China Einfluss auf kritische Infrastruktur in Deutschland bekommen?
Der Hamburger Hafen ist der größte deutsche Seehafen und zählt zur kritischen Infrastruktur. Es wird befürchtet, dass durch den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Erpressungspotenzial gegenüber Deutschland entstehen könnte. Auch könnte wirtschaftlicher und politischer Druck ausgeübt werden, da globale Lieferketten durch solch einen Teilverkauf von China dominiert werden könnten. Allerdings schließen sich Reedereien seit Jahren zu immer größeren Allianzen zusammen, wodurch sie ohnehin große Marktmacht erreichen, so auch bereits COSCO.
Justizminister Marco Buschmann (FDP) sprach sich zunächst gegen den Teilverkauf aus. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen hatte mit Blick auf den COSCO-Einstieg vor neuen Abhängigkeiten gewarnt. Man habe gelernt, „dass Abhängigkeiten von Ländern, die dann möglicherweise ihre eigenen Interessen in diese Abhängigkeiten hineinspielen, also uns dann erpressen wollen, nicht mehr nur ein abstraktes Phänomen sind, sondern - Gas/Russland - Realität in dieser Welt sind“. Habeck betonte: „Wir sollten diese Fehler nicht wiederholen.“
Vor Gefahren für die kritische Infrastruktur in Deutschland warnte ebenfalls Omid Nouripour, Co-Vorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen, und betonte im Dlf, dass durch den Teilverkauf der chinesische Staatskonzern COSCO zu viel Kontrolle und zum Beispiel Einsicht in kritische Unterlagen erhalten würde. Außerdem könne der Konzern dann darüber entscheiden, ob taiwanesische Frachter in Hamburg andocken dürften oder nicht. Auch warnte Nouripour vor einer möglichen Einflussnahme durch den chinesischen Staat: „Es gibt eine große Reihe an Beispielen für Firmen, die sehr verlässlich waren, bis die KP China und die Staatsführung beschlossen hat, jetzt nehmen wir mal Einfluss.“
Handelsexperten wie Rolf Langhammer vom Institut für Weltwirtschaft sehen die chinesische Investition ebenfalls kritisch. Es müsse zumindest strenge Auflagen geben für die Beteiligung und dem Hamburger Senat müsse zum Beispiel Einblick in die von COSCO genutzte digitale Infrastruktur bekommen.
Was spricht für die chinesische Investition in den Hamburger Hafen?
Der Hamburger Hafen ist drittgrößter Hafen in Europa. Das Geschäft mit China ist für den hanseatischen Hafen das mit Abstand wichtigste. In der Hafenwirtschaft sah man die Debatte als eine ideologische an und wird den nun gefundenen Kompromiss mit Sicherheit begrüßen. Zu den in Europa größeren Häfen, Antwerpen und Rotterdam, steht Hamburg wirtschaftlich in direkter Konkurrenz. Daneben muss sich der Hamburger Hafen mit mehreren Herausforderungen auseinandersetzen: So besteht Nachholbedarf bei der Automatisierung des Containerumschlags. Außerdem können große und vollbeladene Containerschiffe derzeit den Hafen nicht problemlos anlaufen, da trotz Elbvertiefung und -verbreiterung Fluss und Hafenbecken verschlicken.
Wichtigste Handelspartner des Hamburger Hafens im Jahr 2021 nach Containerumschlag (in Millionen)
Für den Fall, dass die Bundesregierung den Einstieg des chinesischen Unternehmens im hanseatischen Hafen untersagt hätte, war befürchtet wordeb, dass COSCO auf andere europäische Häfen ausweichen könnte. Befürworter gehen zudem davon aus, dass beide Seiten - also HHLA und COSCO - von dem Geschäft profitieren. So würde auf der einen Seite der deutsche Terminalbetreiber mehr wirtschaftliche Sicherheit bekommen, da COSCO sich vertraglich verpflichten würde, einen Teil seiner Im- und Exporte nach und aus Europa über die Hansestadt abzuwickeln. Auf der anderen Seite könnte die chinesische Reederei über eine Beteiligung am Terminal bessere Konditionen für den Container-Umschlag aushandeln, da der Hamburger Hafen ein relativ teurer Hafen ist.
Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) hatte im vergangenen Jahr für die Beteiligung COSCOs im Hafen der Hansestadt geworben und Befürchtungen über Standortnachteile geäußert, wenn das Vorhaben scheitere. Tschentscher hatte bereits in der Vergangenheit betont, dass weder China noch andere Länder Zugriff auf die kritische Infrastruktur in Deutschland haben dürften. Denn Grund und Boden im Hamburger Hafen blieben bei einem Teilverkauf daher vollständig in öffentlicher Hand. Auch der Betrieb des Hafens insgesamt liege weiterhin zu 100 Prozent bei der städtischen Hamburg Port Authority.
Der Terminalbetreiber HHLA hatte ebenfalls auf die verstärkt aufkommende Kritik reagiert und Bedenken gegen den Teilverkauf des Terminals am 20.10. in einer Pressemitteilung zurückgewiesen. In dieser versicherte HHLA, dass das chinesische Unternehmen COSCO keinen Zugriff auf den Hamburger Hafen oder die HHLA und auch nicht auf strategisches Know-how erlangen werde. Zudem bekomme COSCO an dem Terminal auch keine exklusiven Rechte. Insofern würden durch die Beteiligung auch keine einseitigen Abhängigkeiten geschaffen, so ein HHLA-Sprecher. „Im Gegenteil: Sie stärkt die Lieferketten, sichert Arbeitsplätze und fördert Wertschöpfung in Deutschland.“
(Quellen: Axel Schröder, Eva Bahner, dpa, AFP, Reuters, cp, cc)