Dass die Impfstoff-Forschung nicht nur Erfolge kennt, zeigen ernste Probleme in einer großen Studie. AstraZeneca und die Universität Oxford haben die Erprobung ihres Impfstoffs erst einmal ausgesetzt, nachdem ein Proband eine schwere Krankheit entwickelt hat.
Was ist bislang bekannt?
Sicher bestätigt ist bislang nur, dass die große Studie unterbrochen wird, sie ist also nicht gestoppt. Offenbar hat ein Proband aus England eine "Transverse Myelitis" entwickelt. Das ist eine Entzündung im Rückenmark, die zu Lähmungen und Sinnesstörungen führen kann. Sie kann zum Beispiel nach einer Virusinfektion auftreten, es gibt aber auch andere Ursachen, es ist auch kein seltenes Ereignis. Über 17.000 Personen haben diesen Impfstoff erhalten, bei der großen Zahl ist es unvermeidlich, dass einige auch krank sind, ganz unabhängig vom Impfstoff. Jetzt untersuchen unabhängige Ärzte: Ist es möglich, dass die Erkrankung mit der Impfung zusammenhängt, oder ist es einfach ein Zufall. Und dann entscheidet man: Wird dieser Impfansatz weiterverfolgt oder eben nicht.
Ist dieser Krankheitsfall jetzt ein Rückschlag für die Covid-Impfstoffe generell?
Nein, solche großen Studien sind ja genau dazu da, seltenere Nebenwirkungen zu entdecken und natürlich auch die Wirksamkeit zu belegen. Unterbrechungen sind dabei recht häufig. Manchmal wird die Studie dann ganz gestoppt, aber oft geht es auch weiter und der Wirkstoff ist am Ende erfolgreich. Es ist ein gutes Zeichen, dass das jetzt so transparent gehandhabt wird, auch dass die Studie unterbrochen wird. Das zerstreut mögliche Bedenken, gegen einen Impfstoff. Der Fall belegt, wie wichtig sorgfältigen Studien sind. In China, Russland, wohl auch in den USA gibt es Druck, Schnelligkeit vor Sicherheit zu stellen. Neun große Impfstofffirmen, darunter auch AstraZeneca haben aber gerade klargestellt: dass sie keine Abkürzungen gehen werden.
Aktuell sind acht Impfstoffe in großen Phase 3-Studien. Alle hoffen, dass sich einer oder mehrere als sicher und wirksam erweisen. Was passiert dann?
Am Donnerstag, 9. September, haben sich zwei wichtige Geldgeber geäußert, die Wellcome Stiftung und Cepi, die Koalition für Innovation zur Vorbereitung auf Epidemien. Sie betonten, dass die rasante Entwicklung bei den Impfstoffen nur möglich war, weil einzelne Nationen aber auch internationale Organisationen in finanzielle Vorlage gegangen sind. Allein AstraZeneca und die Universität Oxford haben Vorbestellungen von knapp drei Milliarden Dosen bekommen, von der EU, den USA, von Großbritannien. Gerade ist die Studie ja auf Pause. Vielleicht ist das ganze Geld also verloren.
Aber wenn es funktioniert, dann ist unklar, wer die erste Impfspritze bekommt. Die Verträge sind nämlich nicht öffentlich. Die ersten Dosen gehen sicher an die großen Geldgeber. Großbritannien hat Verträge über mehr als 300 Millionen Dosen abgeschlossen, hat aber eine Bevölkerung von 60 Millionen. Also da bleibt etwas übrig, die weiteren Dosen werden wohl an ärmere Länder gehen. Auch die EU hat klargestellt, dass sie nicht nur für die eigenen Mitglieder einkauft, sondern auch für andere.
Wie können Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen denn den Zugang zu Impfstoffen sichern?
Dafür haben die Weltgesundheitsorganisation, CEPI und die Impfallianz GAVI die COVAX facility aufgestellt. Das soll im Grunde eine Einkaufsgemeinschaft werden. 78 wohlhabende Länder haben gesagt, wir machen mit, auch Deutschland. Mit diesem Geld wird COVAX sich dann in sehr viele Impfprojekte einkaufen. Sollte einer davon funktionieren, dann geht er nicht nur an die 78 Geberländer, sondern an viele, viele weitere. So soll dann dieser Anspruch, ein Impfstoff sollte ein allgemeines globales Gut sein, auch praktisch umgesetzt werden.
Auch hier stellt sich die Frage: Wer kriegt die erste Dosis?
Die WHO geht pragmatisch vor, will die ersten Chargen nach der Bevölkerung der beteiligten Länder aufteilen. Ob das gerecht ist, darüber lässt sich streiten. Ein Team aus Philadelphia hat vorgeschlagen, die Impfstoffe dahin zu schicken, wo die meisten Lebensjahre gerettet werden. Dann würde zuerst fast nur in Entwicklungsländern geimpft. Andere wollen Vorrang für medizinisches Personal oder für die gefährdeten Alten oder im Gegenteil für junge Menschen, weil die das Virus am meisten verbreiten. Also alle sind für Fairness, aber die Details sind umstritten. So gesehen ist es gut, dass wir noch ein, zwei, drei Monate Zeit haben, bevor die ersten Impfstoffe breit zur Verfügung stehen.