Während die schwerer Erkrankten stationär behandelt werden, müssen die leichter an COVID-19-Erkrankten in Moskau in strikter häuslicher Quarantäne bleiben. Sie müssen nun eine App nutzen. Sie heißt "Soziales Monitoring" und wird seit Freitag eingesetzt. Eduard Lysenko, Leiter des städtischen Referats für Informationstechnologie in Moskau, erklärt:
"Die App protokolliert die Positionsdaten des Handys, dass sich also der Kranke zu Hause aufhält. Das ist sehr wichtig für die Nachbarn. Zweitens protokolliert die App die biometrischen Daten, man muss sich fotografieren. Davor muss man keine Angst haben. Die Daten kommen nirgendwo hin, das wird nirgendwo weiter verwendet, außer in der App. Das ist absolut verschlüsselt."
Wer kein Smartphone besitzt oder die App nicht herunterladen will, soll ein Gerät vorläufig von den Behörden erhalten. Wer sein Handy in der Wohnung liegen lässt und trotzdem vor die Tür geht, wird von den weit mehr als 100.000 Kameras im öffentlichen Raum, die mit einer Software zur automatisierten Gesichtserkennung gekoppelt sind, erkannt. Alle COVID-19-Erkrankten sind in einer Fotodatenbank gespeichert. In den vergangenen Tagen wurden mindestens neun Quarantäne-Verstöße registriert. Diese Menschen wurden ins Krankenhaus zwangseingewiesen, in die häusliche Quarantäne dürfen sie nicht mehr.
"Wir wissen, dass diese Daten nicht sicher sind"
Gegenüber den amtlichen Beteuerungen zum angeblichen Datenschutz ist Misstrauen angebracht. Denn diese App ist außerordentlich neugierig: Sie verlangt Zugang nicht nur zu Positionsdaten, sondern auch zur Kamera, zum internen Speicher, der Liste der Anrufe, allen beliebigen Daten, klagt Sarkis Darbinjan, Jurist der Nichtregierungsorganisation Roskomswoboda, die sich gegen staatliche Überwachung engagiert.
"Es gibt bei uns überall eine niedrige Kultur des Datenschutzes", sagt er im unabhängigen Kanal Doschd.
"Es gibt ja längst zum Beispiel Technologien der Gesichtserkennung, des Handy-Nachverfolgens. Wir wissen, dass diese Daten nicht sicher sind. Und jeder, der will, kann diese Daten erwerben."
Tatsächlich tauchen regelmäßig riesige private Datensätze im russischsprachigen Internet auf.
Russische Teilrepublik geht andere Wege
Etwas weniger datenhungrig kommt die Lösung für Tatarstan daher, eine Teilrepublik an der Wolga, gut 800 Kilometer östlich von Moskau. Dort müssen die Leute eine SMS mit ihrem Namen und dem Ausgangsziel an eine bestimmte Nummer schicken. Ihnen wird dann Ausgang für eine Stunde gewährt.
Zurück nach Moskau, nun zu den Regeln für Gesunde. Polizisten erklären Passanten die Regeln der Ausgangsbeschränkungen. Die Bewohner der Stadt müssen in ihren Wohnungen bleiben und dürfen sie nur zum Beispiel für den Arbeitsweg und Besorgungen in der unmittelbaren Umgebung verlassen, oder um Müll rauszubringen. Für Menschen ab 65 Jahren gelten noch schärfere Regeln. Bei Verstößen drohen Strafen von 45 Euro – Wiederholungen sind teurer.
Wie in Deutschland arbeiten viele Russinnen und Russen inzwischen von zu Hause aus, eine Vielzahl von Unternehmen und Einrichtungen hat inzwischen geschlossen; der Präsident hat für viele arbeitsfrei bis Mai angeordnet, bei vollem Lohnausgleich.
Die Metro, Straßen und Plätze sind viel leerer als üblich.
"Wir haben die Frequenz von Metro und Bussen nicht verringert. Im Gegenteil. Wir fahren die maximale Zahl, damit in den Waggons entspanntere Umstände, mehr Platz herrscht", sagt Bürgermeister Sergej Sobjanin.
Die Hauptstadt behält sich aber vor, wenn Verstöße zunehmen sollten, die Moskauer dazu zu verpflichten, vor Ausgang einen graphischen Code online zu beantragen. Technisch soll das System starbereit sein. Vorbild bei der Entwicklung war China.