"Es passiert so viel auf der Welt, es gibt so viele Fragen", rappt die simbabwische Musikerin Sibo in einem ihrer Songs. Und weiter: "Der Geist ist schwer, aber er kann nicht wegfliegen" - denn auch in ihrer Heimat herrscht Corona-Lockdown. Die Bürgerinnen und Bürger müssen zu Hause bleiben, obwohl das für die meisten noch größere Not und Hunger bedeutet. Straßenhändlerinnen und -händler stehen ebenso vor dem Nichts wie viele Künstlerinnen und Künstler, die sich normalerweise in der Moto Republik tummeln, dem kreativen Zentrum Harares, erzählt dessen Gründer Samm Farai Monro:
"Die Zeit des Lockdowns ist eine große Herausforderung für uns, aber sie hat uns auch dazu angespornt, noch kreativer zu sein. Wir haben unter anderem 'PaDen' gestartet, eine virtuelle Plattform, mit der wir Künstler wie Sibo dabei unterstützen, zu Hause zu arbeiten. Und zwar in Kooperation mit anderen: Die Rapperin arbeitet mit einem Filmemacher, einer Tänzerin, mit einem Illustrator und so weiter. Auf diese Art können sie trotz des Lockdowns neue, überzeugende Werke schaffen und diese auf unserer Facebook-Seite auch präsentieren."
Neue Netzwerke, neue Formate
Ein Tänzer bewegt sich im Video zu Sibos Beats. Der Boden der virtuellen Bühne schwankt, es sind unsichere Zeiten. Doch die Moto Republik sorgt dafür, dass die Künstlerinnen und Künstler den Boden unter den Füßen nicht verlieren. Sie bekommen eine Gage für ihre virtuellen Projekte, knüpfen nebenbei neue Netzwerke und experimentieren mit frischen Formaten. Zum Beispiel einem Quiz unter Comedians in der "Bang Bang Comedy Game Show" - ebenfalls auf Facebook:
"Warum müssen alle Bürgerinnen und Bürger anhalten und Platz machen, wenn der Konvoi des Präsidenten vorbeifährt?", fragt Quizmaster Q Dube. "Geht es darum, die Autos zu zählen? Um die Sicherheit? Weil es Spaß macht? Oder weiß das eigentlich keiner so genau?" Eine ernste Antwort erwartet er ebenso wenig wie das Publikum, das sich, den Kommentaren nach zu urteilen, vor Lachen biegt.
Simbabwe dürstet nach guter Unterhaltung
"Die 'Bang Bang Comedy Game Show' ist wirklich erfolgreich. Es ist etwas Neues, ein echt verrücktes Quiz, eine ziemlich anarchische Show, in der Punkte nach undurchsichtigen Regeln verteilt werden. Die Leute dürsten wirklich nach guter Unterhaltung, besonders jetzt wo sie zu Hause sitzen müssen."
Lachen lenkt ab, Humor ist ein kleiner Lichtblick in einer sonst düsteren Zeit, eine moralische Stütze. Davon ist Samm Farai Monro überzeugt, der selbst unter seinem Künstlernamen Comrade Fatso in einer wöchentlichen Comedy-Show auftritt, die in sozialen Medien und YouTube zu sehen ist.
Comrade Fatso steht in seiner Küche, statt wie sonst im Studio. An Stoff für seine Satire fehlt es dem Komiker nicht. Im Mittelpunkt: Simbabwes Präsident, dessen Reden erstaunliche Ähnlichkeiten mit denen seines Amtskollegen im Nachbarland Südafrika haben. Ein Copy- und Paste-Job, vermutet der Comedian. Sein wahres Gesicht habe der Präsident erst am Ende der Rede gezeigt. Eine Rede, die man auch in einem Tweet zusammenfassen könnte: "Bleibt zu Hause oder sterbt", so Monro als Comrade Fatso. Das ist der Galgenhumor, für den insbesondere junge Simbabwer diese Show lieben. Sie wurde schon vor Corona online ausgestrahlt.
Digitale Plattformen verhelfen zu mehr Sichtbarkeit
"Wir haben digitale Plattformen schon immer stark genutzt. Aber diese Umstellung auf ein ausschließlich virtuelles Programm hat uns auf viele Ideen gebracht, die wir nach dem Lockdown weiterentwickeln wollen: mehr künstlerische Kooperationen über die Grenzen hinaus, auch mit der großen simbabwischen Diaspora. Bei unserem ersten digitalen Poetry-Slam war der Moderator aus England zugeschaltet, gebattelt haben sich einige der besten Spoken-Word-Künstlerinnen und -Künstler Simbabwes. Insgesamt haben wir 30.000 Views gezählt - das ist fantastisch. Denn zu einem normalen Poetry-Slam kommen nur etwa 50 bis 100 Leute. Das zeigt, welche Chancen uns virtuelle Programme eröffnen."
Selbst den allmonatlichen Kunsthandwerkmarkt haben Samm Farai Monro und sein Team ins Netz gebracht. Die Produkte werden online präsentiert, gekauft und nach Hause geliefert. DJanes wie King Her legen auf. Eine neue Plattform, die mehr Sichtbarkeit verspricht. Wieder einmal hat Simbabwes Kreativszene bewiesen, dass sie durch nichts kleinzukriegen ist - weder durch Diktatur noch durch Hyperinflation oder die Pandemie.