Es passiert immer wieder, dass Nahrungsergänzungsmitteln heilsame Wirkungen zugeschrieben werden, die sie gar nicht besitzen. Das BVL, das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, geht solchen Fällen routinemäßig nach. Unter dem Dach der Fachbehörde arbeitet die Zentralstelle zur Kontrolle von Lebensmittelerzeugnissen aus dem Internethandel:
"Jetzt haben viele Händler an diese Produkte einfach noch 'Corona' angehängt, weil das sich jetzt auch einfach anbietet für solche Leute."
Georg Schreiber ist Risikomanager im BVL. Der ausgebildete Biochemiker nennt Beispiele:
"Hier ein Produkt: Notnahrung Krisennahrung Grippe Korona. Bio-Rohkost. Nahrungsergänzung. 120 verschiedene Pflanzen, Wurzeln und Kräuter, die uns die Mutter Natur geschenkt hat. Dieses Produkt kostet 99 Euro."
Werbung mit Nahrunsgergänzungsmitteln gegen COVID-19
Bienen dichten ihre Bauten mit einem Kitt ab, den sie auf den Knospen von Bäumen einsammeln. Er nennt sich Propolis. Gewisse antivirale und antibakterielle Wirkungen des Bienenharzes sind zwar belegt – nicht aber gegen den neuen Covid-19-Erreger. Dennoch stößt Schreiber jetzt auf Werbesprüche wie diesen:
"'Zur gezielten Abwehr des Coronavirus und anderer viraler Bedrohungen empfehle ich dringend die Einnahme von Propolis.' Und auch dieses Produkt ist mit 59 Euro eher im hochpreisigen Sektor angesiedelt."
Im Chemischen Untersuchungsamt Karlsruhe gibt es ebenfalls eine Arbeitsgruppe, die den Onlinehandel überwacht. Sie gehört zur Abteilung von Dirk Lachenmeier. Laut dem Lebensmittelchemiker wird nun auch von Nahrungsergänzungsmitteln mit Cannabidiol behauptet, sie wirkten gegen das neue Corona-Virus. Cannabidiol ist ein Stoff aus der Hanfpflanze. Typische Produkte sind teure CBD-Öle.
"Die Cannabidiol-Produkte werden teilweise von einigen Herstellern damit beworben, auch da irgendeinen Effekt zu haben. Aus meiner Sicht gibt es dafür keinen wissenschaftlichen Beleg, dass die dagegen helfen würden. Die sind bislang auch gar nicht in dieser Hinsicht getestet worden."
BVL und staatliche Untersuchungsämter werten solche Fälle als Verbrauchertäuschung und gehen dagegen vor. Nahrungsergänzungsmittel seien nämlich keine Arzneistoffe, betont Georg Schreiber, sondern Lebensmittel:
"Also, gesundheitsbezogene Angaben zu Lebensmitteln sind nicht erlaubt, egal ob Corona oder nicht. Und zweitens jetzt speziell diese Mittel, die mit Corona beworben werden: Das ist natürlich eine furchtbare Täuschung der Verbraucherinnen und Verbraucher, weil es eben nachweislich kein Mittel gibt, insbesondere kein Lebensmittel, kein Nahrungsergänzungsmittel, was Infektionen vorbeugen kann oder, wenn eine Infektion passiert ist, eine Infektion lindern kann."
Kunden wiegen sich womöglich in falscher Sicherheit
Unter den bisher beanstandeten Nahrungsergänzungsmitteln sind zwar keine, die der Gesundheit schaden. Wer sie kauft, wiegt sich aber womöglich in falscher Sicherheit, warnt Stephan Walch. Der Apotheker und Lebensmittelchemiker leitet das Karlsruher Untersuchungsamt:
"Nehmen wir einfach mal an: Oma, Opa, die ihre Enkel im Moment nicht sehen können. Die glauben dann, dass sie mit der Einnahme von dem Nahrungsergänzungsmittel geschützt sind. Und dann lassen die ihre Enkel sich besuchen, und auf einmal geht es doch trotzdem schief. Und dann ist eben nicht nur ein finanzieller Schaden entstanden, sondern auch eben ein gesundheitlicher Schaden. Deshalb finde ich diese Betrügerei gerade besonders rücksichtslos."
Was machen die Behörden konkret gegen den Corona-Nepp? Kommt ein Anbieter aus Deutschland, ist es in der Regel kein Problem, ihn zu ermitteln und das Angebot aus dem Internet zu entfernen. Dann können auch Bußgelder fällig sein. Schwieriger ist die Sache, wenn ein Hersteller im Ausland sitzt oder seine Ware nur in großen Online-Handelsplattformen und sozialen Netzwerken anpreist. Aber auch hier trage die Suche nach Schwarzen Schafen Früchte, sagt BVL-Experte Schreiber:
"Wir haben alle großen Plattformen und auch die sozialen Medien informiert, dass solche Produkte eben nicht legal sind. Wir haben auch alle unsere Partnerbehörden in den anderen EU-Mitgliedsstaaten darüber informiert. Insgesamt können wir sagen, dass es uns gelungen ist, die Zahl der Angebote wirklich im überschaubaren Rahmen zu halten. Aber das klappt halt nicht zu 100 Prozent."