Grundsätzlich lässt sich die Entwicklung eines Impfstoffs in sechs Etappen gliedern:
Im Kampf gegen COVID-19 versuchen Forscher und Hersteller Etappen abzukürzen oder sogar zu überspringen. Zu beobachten ist auch, dass Klinische Testphasen zum Teil parallel durchgeführt werden - teils sogar parellel zur Anwendung nach einer vorgezogenen Zulassung, wie beispielsweise beim russischen Impfstoff "Gam-COVID-Vac Lyo".
Zu Beginn steht die Untersuchung der Biologie des Erregers: Welcher seiner Bestandteile ist besonders wichtig, wo also kann die Immunantwort effektiv ansetzen?
Früher dauerten diese Experimente Jahre. Bei SARS-CoV-2 war die genetische Sequenz schnell verfügbar. Von Impfstoffen gegen die nah verwandten Viren SARS und MERS war bekannt, dass es vor allem auf das Spike-Protein ankommt, das Coronaviren die typischen Kronen-Zacken im elektronenmikroskopischen Bild verleiht. Bei den meisten Impfstoffkandidaten wurde das entsprechende Spike-Gen in vorab etablierte Impfsysteme integriert.
Infektionsversuche an Tieren können nicht nur die Wirksamkeit eines Impfstoffs zeigen. Sie werden auch durchgeführt, weil manche Impfstoffkandidaten paradoxe Reaktionen auslösen können. Sie schützen dann nicht vor der Erkrankung, sondern können den Verlauf sogar verschlimmern. Theoretisch ist das auch bei SARS-CoV-2-Impfstoffen möglich. Deshalb sind Tierversuche ein wichtiger Schritt in der Entwicklung.
Neben Affen nutzen die Forscher dazu auch Frettchen, die auf Atemwegsinfektionen ähnlich reagieren wie Menschen und genetisch veränderte Mäuse.
Alle Studien am Menschen müssen von den Behörden genehmigt werden. Die experimentellen Impfstoffe werden für den Einsatz bei Menschen unter besonders reinen und sterilen Bedingungen hergestellt.
Die erste Phase der klinischen Prüfung soll größere Sicherheitsrisiken aufdecken. Dazu erhalten zwischen 20 und 80 gesunde Freiwillige unterschiedliche Dosen des Impfstoffs. Es geht allein um kurzfristige Nebenwirkungen. Ob der Impfstoff tatsächlich schützt, lässt sich in dieser Phase noch nicht sagen.
Bei der Entwicklung eines Impfstoffs gegen SARS-CoV-2 haben einige Unternehmen unter dem Druck der Pandemie klinische Studien schon vor Abschluss der Tierversuche begonnen.
Phase III ist die entscheidende Phase in der Impfstoffentwicklung. Der Impfstoff wird mehreren Tausend gesunden Freiwilligen verabreicht. Zeitgleich wird eine ebenso große Kontrollgruppe gebildet, deren Teilnehmer nicht geimpft werden.
Insgesamt muss die Zahl der Teilnehmer solcher klinischen Studien so groß sein, damit das Ergebnis die Wirksamkeit eines Impfstoffes statistisch abgesichert belegen kann. Das heißt: Je geringer das Infektionsrisiko, umso mehr Personen müssen an der klinischen Studie teilnehmen. Nach einem zuvor festgelegten Beobachtungszeitraum wird ausgewertet, ob sich in der Impfgruppe keine oder weniger Personen infiziert haben als in der Kontrollgruppe.
Solch große klinischen Studien sind teuer und langwierig. Hier scheitern aber auch viele Impfstoffkandidaten. Für die Pharmaunternehmen besteht also ein hohes finanzielles Risiko.
Wenn alle Daten vorliegen, beantragen die Unternehmen eine Zulassung bei den Behörden. In Deutschland ist dafür das Paul-Ehrlich-Institut in Frankfurt zuständig. Unter besonderen Umständen können die Behörden eine vorläufige Notfall-Zulassung für besondere Gruppen erteilen, zum Beispiel für medizinisches Personal.
Bei der Entwicklung von SARS-CoV-2-Impfstoffen arbeiten die Behörden verschiedener Länder eng mit den Forschern und Herstellern zusammen und prüfen vorläufige Ergebnisse, noch während die Studien laufen.
In der Regel beginnen die Unternehmen schon in der Zeit während des Zulassungverfahrens Produktionsstätten für die Massenherstellung ihres Impfstoffs aufzubauen. Die größten Kapazitäten bestehen derzeit für den Grippeimpfstoff.
Leider scheint es so zu sein, dass sich das Grippevirus nicht für einen COVID-19-Impfstoff "umnutzen" lässt. Dank der Revolution in der Gentechnik gelten DNA- und RNA-Impfstoffe als vergleichsweise einfach zu produzieren. Allerdings müssen auch sie pharmakologisch aufbereitet werden.
Unwahrscheinlich ist, dass von einem einzelnen Impfstofftyp in kurzer Zeit eine ausreichend große Menge produziert werden kann, um den globalen Bedarf zu decken. Deshalb halten es Experten für wichtig, mehrere Impfstoffkandidaten bis zur Zulassung voranzubringen.
(Redaktion: Volkart Wildermuth, Olivia Gerstenberger, Isabelle Klein, Wulf Wilde)